einen Rest von 22,000 der erbarmungslosen Gewalt erlegen
und zu „Orthodoxen" gemacht Aber noch ruhte die grau-
same Hand der Regierung nicht; eS begannen die Depor
tationen. Am 14. Februar 1876 meldet der Generalkonsul,
daß 400 Uniten, welche ihren Widerstand aufrecht erhalten,
nach Cherson überführt seien; dort seien sie in orthodoxen
Dörfern untergebracht, und zwar je eine unirte Familie
auf ein schiSmatischeS Dorf.
Die Angaben des Generalkonsuls in Warschau scheinen
weit hinter der schrecklichen Wirklichkeit zurückgeblieben zu sein,
denn der englische Konsul in Cherson berichtet, daß dort etwa
600 Personen untergebracht seien, und zwar lauter ver
heiratete Männer, die mit Gewalt von ihren
Familien loSgerissenworden; Frau und Kinder,
blieben daheim — mitden einquartirten Kosaken
Die letzte Depesche datirt vom 17. November 1876 und
macht Mittheilung von einem Erlaß deS Ministers des In-
nern, durch welchen den römisch-katholischen Priestern die Epen-
dung der Sakramente an Unirte streng verboten wird. Diese
Verfügung bezweckt, die wenigen übriggebliebenen Unirten aller
Heils- und Trostmittel der Kirche zu berauben. Daß sie keine
unirten Geistlichen vorfinden, dafür ist schon gesorgt; aber die
armen Deportirten könnten ja vielleicht noch einen Priester deS
lateinischen Ritu< finden, der fie in ihrem bitteren Leide stärken
wollte; das aber duldet die russische Humanität nicht!
Und der „fromme", „milde", „friedfertige" Kaiser Alexander
— derselbe Kaiser, der den Segen GotteS auf seine für daS
„Christenthum" kämpfenden Heere herabfleht — wie stellt er
sich zu diesen grausamen Verfolgungen gegen die mit der ka
tholischen Kirche vereinigten Unterthanen? Die bedrängten
Völkerschaften nahten sich bittend und flehend ihrem Herrscher,
alS der Czar im Juli 1874 Warschau besuchte; aber ihre Ab-
gesandten wurden nicht empfangen. Der Kaiser ließ sie viel-
mehr durch den General v. Kotzebue ermahnen, sich in Ruhe
und Frieden den Verordnungen zu fügen, d. h. ihren Glauben
zu verleugnen!
„Diese Thatsachen", bemerkt die „Köln. Zeitung", „haben
eine so ergreifende Beredtsamkeit, daß eS überflüssig wäre, ein
Wort hinzuzufügen." Fürwahr, man sollte glauben, daß die
ganze gebildete Welt schaudern müßte, wenn sie von der
rafsinirten Bosheit, der elenden Heuchelei, der unerbittlichen
Grausamkeit der russischen Regierung amtliche Kunde erhält.
Wird irgendwo einem Juden, der durch die eigenen oder der
Glaubensgenossen Betrügereien daS ausgesogene Volk erbittert
hat, ein Haar gekrümmt, dann empört sich an allen Orten da*
Gefühl der „Civilisirten", und die Diplomaten muffen Schritte
thun, um die „Gewissensfreiheit" zu retten. Aber wenn in
Rußland Jahre lang mit Dragonaden, Knutenhieben und
Bajonnetstichen ein friedliches, arbeitssames, treues Volk um
seines Glaubens willen verfolgt und gequält wird, wenn man
mit Gewalt die Leute in eine fremde Kirche treibt und ihnen
Unterschriften abpreßt, mit denen sie ihren Glauben verleugnen,
wenn man den Vater, der seinem Glauben treu bleiben will,
von Weib und Kind loSreißt und in ferne Gegenden ver,
schleppt, wo er alleS religiösen Beistandes beraubt dahinsiecht
— dann schweigen die Staatsmänner, bis eS zufällig einmal
den Engländern in ihre Politik paßt, mit den Echandthaten
ihrer Nebenbuhler die Welt zu unterhalten!
Deutschland. Nach einer von dem statistischen Amte des
Reiches über das Ergebniß der ReichStagSwahlen am 10.
Januar d. I. gemachten Zusammenstellung betrug (bei einer
ortSanwesenden Gesammtbevölkerung von 42,727,360 nach der
Zählung vom 1. Dezember 1875) die Zahl der berechtigten
Wähler 8,943,012. Davon übten 5,557,767 ihr Wahlrecht
auS. Die Zahl der gültigen Stimmen belief sich auf 5,535,778.
Davon erhielten die Kandidaten der Nationalliberalen 1.594,142
Stimmen, des EentrumS 1,416,803, der Konservatiaen 538,739,
der Sozialdemokraten 435,122, der Fortschrittspartei 438,190,.
der deutschen Reichspartei 426,468, der Polen 2!9,! 59, der
Gruppe Löwe 119,473, der Partikularsten 112.496, der Pro-
testpartei 106,171, der Volkspartei 57,147, während die üb.
rigen abgegebenen Stimmen sich entweder zersplitterten oder
auf Personen»fielen die keiner der hier genannten Parteien
angehörten.
Schweiz. Der Gesammtbestand der schweizerischen Bundes-
armee ergibt, laut Bericht deS eidgenössischen Militär-Depar-
tementS für daS Jahr 1877, AuSzug: 119,448 Mann gegen
115.082 im Jahr 1876 und Landwehr 93.515 Mann. Die
Vermehrung deS AuSzugS rührt daher, daß die eingetretene
Rekrutenzahl stärker war als der gewöhnliche Abgang. Von
den 119,448 Mann Auszug kommen 620 auf die Stäbe der
zusammengesetzten Truppenkörper, 98,188 auf die Infanterie,
2646 auf die Kavallerie, 14,520 auf die Artillerie, 2285 auf
daS Genie, 887 auf die Sanität und 292 auf die Verwal
tung; von den 93,515 Mann Landwehr dagegen 110 Mann
auf die Stäbe, 81,617 auf die Infanterie, 2279 auf die
Kavallerie, 7421 auf die Artillerie, 1484 auf das Genie und
604 auf die Sanität. An Bewaffnung und Munition sind
vorräthig: 1) Kleinkaliber 130,764 Gewehre, 1 l,294 Stutzer,
3044 Karabiner und 798 Revolver, fämmtlich Regulirwaffen,
und 14,969 Peabovy-Gewehre, 58,305 Jnfanteriegewehre,
12,341 Jägergewehre und 4722 Stutzer, fämmtlich Einlade? 5
2) Groykaliber 56,358 Prelat - Burnand - Einladet; dazu
32,309,700 Metallpatronen Kleinkaliber und 5,627,100 Groß-
kaliber. — Im Kanton Wallis ist das schön gelegene freunde
liche Bergdorf Cyscholl fast vollständig ein Raub der flammen
geworden. Mehrere der unglücklichen Einwohner kamen um
ihr ganzeS Hab und Gut. Leider war nichts versichert.
Paris, 13. Mai. Ueber den Kampf bei Batum, dessen
glücklichen Ausgang beide Theile, die Russen und die Türken,
für sich in Anspruch nehmen, liegt der französischen Presse fol
gende amtliche türkische Mittheilung vor:
„Der Minister deS Aeußern an die kaiserlich oSmanische
Botschaft in Paris. Pera, 12. Mai, 5 Uhr 50 Minuten
AbendS. Die Russey haben gestern in großer Zahl in der
Umgegend von Batum die Vorhut der türkischen HülsStruppen
angegriffen; eS entspann sich ein Kampf welcher 8% Stunden
dauerte und mit der vollständigen Niederlage deS Feindes endete.
Der Verlust der Russen beläuft sich auf mehr als 4000 Mann,
der unsere ist verhälmißmäßig wenig beträchtlich."
Dem „I. deS Dsb." seinerseits ist folgendes Telegramm
aus Pera, 10. Mai, 10 Uhr 15 Minuten NachtS, zugegangen:
„Die Nachricht von einem bedeutenden Erfolg der Türken
bei Batum wird bestätigt. 4000 Russen wurden außer Ge-
fecht gesetzt; die Freiwilligen auS Lasistan haben drei Sturm-
angriffe abgeschlagen." •
Verantwortlicher Redakteur ».Herausgeber: vr. Rudolf Schädler.
Thermometerstand nach Reaumnr in Vaduz.
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16. Mai Silber 113 35
20-Frankenstück . . .... 10.33
Druck von Heinrick Graff in Feldkirch.