eS waren damals noch jene Zeiten in Utah, da die weltkluge
Abgeschlossenheit ihres „Reiches" die Mormonen jeder Unter-
smhung ihres Thuns und Treibens entzog. Und doch war
daS GeKeimniß der Bergwiesen ein zu grauenvolles, als daß
eS nicht bis in eine neue Generation, in eine neue Aera hätte
hineinleben sollen, als daß eS nicht schließlich doch die Behör-
den der Vereinigten Staaten und die seitdem von ihnen über
die Hierarchie Brigham Aoung'S erlangte Macht zur Unter-
suchung, zur Kühne hatte aufrufen müssen.
Bon jeher hatten sich alle Anzeichen dahin vereinigt, daß
John D. Lee, ein Bischof der Kirche der „Heiligen der letzten
$!afle", welcher seinen Wohnfitz in Beaver County, im Süden
deS Territoriums, hatte, die Seele der Umhat gewesen sei.
Seitdem eS den Vereinigten Staaten gelungen, ihre vollständige
Autorität innerhalb dieses „hierarchischen Reiches" im Reich
herzustellen, als welches Utah bis nach dem großen Bürger-
kriege gewissermaßen bestand, hat sich auch die Aufmerksamkeit
ihrer Organe immer wieder dem Bergwiesen-Geheimniß zuge-
wendet, bis eS endlich.gelang, so starke Gründe gegen Lee zu
finden, daß eS möglich wurde, ihn in Anklagezustand zu ver-
setzen. DieS geschah am 24 September 1874. Der Prozeß
selbst fand im Juli 18T5 statt, endete jedoch damit, daß die
Geschwornen sich über einen Wahrspruch nicht einigen konnten.
ES wurden in Folge dessen von den Behörden neue Beweis-
gründe aufgestöbert, neue Zeugen aufgefunden, und mit ihrer
Hilfe im Sommer 1876 ein neuer Prozeß eingeleitet Dieses
Mal hatte sich das Material in einer Weise anfgehüuft, daß
nicht nur endlich der Schleier von diesem blutigen Geheimniß
gänzlich gelüftet, sondern auch die Verurtheilung Lee'S möglich
wurde. DiefeS Urtheil lautete auf Erschießung und diese fand,
obwohl der Wahrspruch noch einmal angefochten wurde, am
Freitag den 23. März auf derselben Stätte statt, wo der
Gräuel einst verübt wurde, und aus welcher seitdem ein dunk-
leS Kreuz mit den Worten: „Die Rache ist mein!" des irdi-
schen Gerechtigkeit den Weg gewiesen.
Lee, der nach der That, welche hinterher von Brigham
Aoung gutgeheißen worden, mit großer Schnelligkeit innerhalb
der Kirche stieg, war dennoch seit Ende der sechSziger Jährt
mii dem Papst in Salt Lake City zerfallen und schließlich sogar
auS der Kirche ausgestoßen worden.
ES ist kaum zu bezweifeln, daß die Furcht vor der end-
lichen Enthüllung deS Bergwiesen-BerbrechenS einen Theil dcr
Veranlassung dazu bildete, denn bis dahin hatte der Massen-
Mörder stch nicht nur jeder hierarchischen Begünstigung zu er-
freuen gehabt, eS wurden ihm auch irdische Güter aller Ärt
von der allmächtigen Hand deS Propheten zugewiesen uns im
Lauf weniger Jahre sogar achtzehn Frauen „angekegelt." Bis
auf drei haben diese freilich den AuSgestoßenen seitdem ver-
lassen. Um so treuer hat ihm daS gebliebene Kleeblatt bis zu
seinem Tode angehangen.
Lee ist unter Hinterlassung eineS Bekenntnisses zur Richt-
statt gegangen. Nach diesem waren der Oberst der Mörmo-
Ken-Miliz, Dame, und der Oberlieutenant Isaak C Haight
die eigentlichen Urheber deS Gemetzels. Dasselbe sollte ur-
sprünglich nur von den dazu geworbenen Indianern ausgeführt
werden. Als sich jedoch auf deren Angriff hin die AuSwande-
rer nach dem Verlust von 7 Todten und 16 Verwundeten in
ihrem Lager befestigten, erklärte ein anderer der leitenden Gel-
ster dieser Orgie von Verrach und Blut, ein Major Higby,
daß nun zur List geschritten werden sollte.
Am Morgen des zweiten TageS zogen die Auswanderer
die weiße Flagge auf und lieferten sich damit dem'Verderben
auS. Sie erklärten sich bereit, ihre Waffen auSzultefern, wenn
man ihnen zusagen wollte, sie mit ihren Kranken und Verwun-
beten abziehen zu lassen. Diese Zusage erfolgte. Sie lieferten
ihre Waffen aus und schickten sich nach Beerdigung ihrer Todten
an, ihre Wanderung nach Westen auf's neue aufzunehmen.
Voran zogen die Frauen und Kinder, dann kamen die Kranken
und Verwundeten in Wagen, die ihnen die Mormonen selbst
gestellt. Zur Seite deS ZugeS und zum Schluß zogen die
Männer. Nachdem sie eine halbe Stunde zurückgelegt hatten,
wurden sie von den Indianern und 40 bis 50 Mormonen
ereilt — und das Gräßlichste begann, um nicht eher zu enden,
als bis der letzte Hilfeschrei auf den stillen Bergwiesen verhallt
war und der Loden das über ihn verströmte Blut nicht mehr
in sich zu^ trinken vermochte.
Lee war der Führer der Mormonen gewesen und der Haupt-
schlächter unter ihnen. Dame und Haight erschienen erst am
anderen Tage aus der Gräuelstätte. Erst auf ihr Geheiß wur-
den die Todten begraben, von denen viele in dem entsetzlichen
Rausche deS Blutbades von ihren Mördern noch verstümmelt
worden waren. DaS Gigenthum der Umgebrachten wurde auf
Geheiß deS Kirchenvorstehers in Cedar City verkaust und daS
Vieh nach dem Norden deS Territoriums getrieben.
Man hat der Hinrichtung Lee'S dadurch einen besonderen
Nachdruck zu geben vermeint, daß man ihn'an der Stätte seines
Verbrechens erschossen. Etwas Poetisches mag darin liegen.
Aber die Sensation, und selbst wenn sie noch so poetisch an-
gehaucht wäre, sollte keinen Antheil an dem Thun der sühnen-
den Gerechtigkeit haben. Die Schädelstätte der Bergwiesen hat
durch das nun auch auf ihr ausgegossene Blut Lee'S nichts
von ihrem Schrecken verloren, wohl aber ist dem Gefühl der
Allgemeinheit, daß hter der unerbittliche Arm der Vergeltung
gewaltet, ein halb sentimentaler, halb theatralischer Kitzel hinzu-
gesellt worden, welcher sehr nahe daran kommt, die heilige Scheu,
die eine derattige Vergeltung zuerst predigen sott, zu entweihen,
zu verfälschen. (Köln. Ztg.)
Berichtigung. In Nr. 17, Seite 67, Zeile 43 u. 40
soll eS heißen „schwerkranken" anstatt „sterbenden" (Person).
Verantwortlicher Redakteur ».Herausgeber: vr. Rudolf Schädler.
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