Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

gegenwärtige Wahlgesetz im Nachtheite und will somit eine 
Abänderung desselben anstreben. 
Angenommen eine solche Aenderung hätte ihre volle Be 
rechtigung, so könnte dieselbe jedoch nur mit Einverstandniß 
der gesetzgebenden Faktoren: de< Fürsten und deS Landtages 
vorgenommen werden. Aber nicht, wie einige Wahlmänner 
auS der unteren Landschaft äußerten durch eine Petition an 
den Landesfürsten 
Daß die Verfassung nicht zu oft und zu leicht Verände 
rungen ausgesetzt werden kann, hat übrigens 8 121 unserer 
Verfassung hinlänglich gesorgt, wo eS im neunten Hauptstücke 
über die Gewähr der Verfassung wörtlich heißt: 
„§ 121. An diesem Landesgrundgesetze darf ohne Über 
einstimmung der Regierung und deS Landtages nichts geändert 
werden. 
Anträge auf Abänderungen oder Erläuterungen dieses Grund« 
gesetzes, welche sowohl von der Regierung alS auch von dem 
Landtage gestellt werden können, erfordern auf Seite des letz- 
teren Stimmeneinhelligkeit der auf dem Landtage anwesenden 
Mitglieder, oder eine auf zwei nacheinander folgenden ordent 
lichen Landtagssitzungen sich aussprechende Stimmenmehrheit 
von drei Viertheilen derselben. In gleicher Weise .sind auch 
entsprechende Anträge von Seite der Regierung zu behandeln " 
Der richtige und gerade Weg ist somit klar vorgezeichnet, 
jeder andere ist ein Irrweg und kann nicht zum Ziele führen. 
Treu der bisherigen Tendenz unseres Blattes, zu jeder Zeit für 
die verfassungsmäßige Freiheit einzutreten/ erachteten wir eS aus 
Anlaß der genannten Vorgänge für unsere Pflicht, die Bedeu- 
tung und Unverletzlichkeit der Verfassung an dieser Stelle her- 
vorzuheben und vor allen Irr- und Abwegen zu warnen. 
Schließlich erlauben wir uns auf ein „Eingesendet" un- 
serer heutigen Nummer hinzuweisen, in welchem passende Vor- 
schlage zur Erzielung eines Einverständnisses gemacht werden 
und empfehlen dieselben dem Oberlande und dem Eschnerberge 
zur Beheizung und Ausführung. 
Vaterländisches. 
Badnz, 1. Mai. Die gestrigen Landtagswahlen sind bloß 
theilweise vollzogen worden 
Von den 160 Wahlmännern waren 154 erschienen. Der 
Gemeindevorsteher von Vaduz begrüßt die Wahlversammlung, 
worauf, nachdem der fürst!. liecht. Wahlkommissär anf die ge- 
schlichen Anforderungen des Wahlaktes aufmerksam gemacht 
hat, sogleich zur Wahl geschritten wird. DaS Resultat deS 
ersten WahlgangeS ergab folgende mit absoluter Stimmenmehr- 
heit gewählte Abgeordnete: Hr. Vorsteher I. G. Vogt von BalzerS, 
erwählt mit 110 Stimmen; Vorsteher Wendelin Ehrni von 
Triefen mit 93 Stimmen; Landrichter Keßler mit 9! Stimmen; 
Johann Schlegel von Triesenberg mit 9 t Stimmen; Landes- 
thierarzt Wanger von Schaan mit H9 Stimmen; Dr. W. 
Schlegel mit 88 Stimmen ; Pfarrer Ehrni von Vaduz mit 84 
Stimmen; Ferdinand Walser von Schaan mit 78 Stimmen. 
Herr. Ferdinand Walser von Schaan lehnte sofort die Wahl 
ab; also sind im 1. Wahlgange 7 Abgeordnete gewählt! — 
DaS Unterland hatte somit im 1. Gahlgange keinen Ab 
geordneten durchgesetzt, weßhalb sich die unterländischen Wahl- 
männer der weiteren Stimmenabgabe enthielten. 
Da aber nach 8 87 der VerfassungSurkunde zur Wahl der 
LandtagSadgeordneten die Stimmgebung von wenigstens zwei 
Drittheilen der Wahlberechtigten erforderlich ist, so mußte die 
weitere Wahlhandlung sistirt werden. 
Zu wählen sind noch 5 Abgeordnete und 5 Ersatzmänner. 
Die Ansicht von mehreren unterländischen Wahlmännern, alS 
hätten die Oberländer beschlossen nur Oberländer zu wählen, 
ist eine irrige. Gin solches einseitiges Vorgehen, daS die 
gegenseitige Gereiztheit nur erhöhen müßte, wäre auch durchaus 
zu verurtheilen. Denn auch daö Unterland soll nach 
dem Verhältnisse seiner Bevölkerungsanzahl 
ebensogut, wie da S Oberland, seine Vertretung 
erhalten. DaS ist gerecht und billig. 
Wahr an der Sache ist, daß die oberländischen Wahl- 
männer sich vor der Wahl gegenseitig verständigt hatten, im 
ersten Wahlgange hauptsächlich auf Oberländer zu halten, und 
zwar um damit der Stimmung der oderländ. Bevölkerung ent 
schiedenen Ausdruck zu/geben, nnd um vorerst sich selbst die 
Mehrheit zu sichern. Man war der Meinung, daß kaum 4 
bis 5 Abgeordnete aus dem 1. Watzlgange mit dem nöthigen 
absoluten Mehr herausgeben werden. „Sorgen wir also zu> 
erst für uns selbst, so hieß eS, und sichern wir dem Oberlande 
die Mehrheit, alsdann wollen wir in den kommenden Wahl- 
gängen auch für Unterländer stimmen." Das ist der richtige 
Sachverhalt. — 
ES liegt im hohen Interesse unseres Landes und der Er- 
Haltung unserer Verfassung, daß die Wahl bald und beider- 
seitig entsprechend zu Ende geführt werde. Es sei mir an 
dieser Stelle erlaubt einen vermittelnden Vorschlag, der auch 
im Sinne und Zwecke des oberländischen Wahlkomites liegt, 
vorzuführen. ES mögen nämlich Oberland und Unterland be- 
ziehungsweise im Austrage die beiderseitigen WahlkomiteS in 
Verhandlung treten, um den noch schwebenden Wuhlkampf ehe- 
stens und zu^ gegenseitiger Befriedigung zu beendigen. Zur 
Grundlage wäre wohl daS frühere Verhältniß, wonach von 
den vom Volke gewählten 12 Abgeordneten fast durchweqS 8 
auf daS Oberland und 4 aus das Unterland kamen, anzu- 
nehmen, da damit auch annähernd richtig die BevölkerungS- 
anzahl ihre verhältnißmäßige Vertretung findet. Damit aber 
auch Männer, die daö Vertrauen der unterländisch^n Wahl- 
männer besitzen, zur definitiven Wahl kommen, so dürfte eS 
wohl am Platze sein, wenn die Wahlmänner deS Unterlandes 
6—7 Abgeordnete auS ihrer Mitte erwählen; aus welcher An- 
zahl alsdann die Oberländer die nöthigen 4 zu bestimmen hätten, 
um beim eigentlichen Wahlakte auch für dieselben einzutreten. 
Dieser Vorschlag entspricht nach meiner Ansicht der billigen 
Würdigung unserer jetzigen Lage und möge daher im Interesse 
der Herstellung eineS einigermaßen friedlichen Vernehmens im 
Oberlande und Unterlande die nöthige Unterstützung finden. 
Schreiber dieses hat nur daS Interesse deS Landes im 
Auge und war, trotzdem er in diesem Blatte öfters und aus 
führlich gegen die im Unterlande herrschende Stimmung bezüg 
lich der Münzregelung ausgetreten ist, immer der Ansicht, daß 
bei den LandtagSwahlen der gerechten Forderung des Unter- 
landeS auch ihre verh.iltnißmäßige Vertretung zu erhalten, 
durchaus entsprochen werden soll. 
Ausland. 
Kr i eg ! — DaS schreckliche Wort hat alle diplomatischen 
Vermittlungsversuche übertönt. Die Arbeit der Zedern ist ge- 
than, daS blutige Schwert tritt an ihre Stelle. Rußland hat 
am 24. April sein Kriegsmanifest erlassen und am ^selben Tage 
haben seine Truppen die Grenze überschritten. Der Einmarsch 
des HeereS in Rumänien schreitet rasch voran. Gleichzeitig ist 
der Kampf an der asiatischen Grenze im Kaukasus eröffnet 
worden, indem die Russen bei Alexandropol in das türkische 
Gebiet einrückten. Nach den neuesten Meldungen haben die 
Russen dort bereits schon eine Schlappe erlitten und 800 Mann 
dabei eingebüßt. In dem russischen Kriegsmanifest tritt der 
Ezar aller Reußen im Namen der „Menschlichkeit^ und deS 
Christenthums auf den Kampfplatz. Es ist daS alte widerliche 
und heuchlerische Lied der offiziösen Blätter, daß Rußland ohne 
alles eigene Interesse, auS baarer Christenliebe, das Loos der 
christlichen Brüder in der Türkei zu verbessern bestrebt sei Und 
nun weiß doch alle Welt, daß es kaum ein Land giebt, in 
welchem mit einer so hartnäckigen und verschlagenen Grausam-
	        

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