Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

Verluste, welche auch die österr. Thaler erlitten und wechselt 
dieselben voll gegen Gold ein. Gewiß ein schöner Zug: eö 
will nicht, daß die von Oesterreich herüber gekommenen und 
wührenv der Münzkonvention entstandenen Thaler den zufälli 
ger! Besitzer um die erhebliche Kursdifferenz schadigen sollen. 
Gewiß ein Bespiel der Nachahmung würdig! Der schöne ebenso 
vollwichtige Silbergulden aber war seinem Schicksal verfallen, 
ihn rettete das Gepräge nicht, weil keine Staatskasse exiftirt, 
welche den Liebling gewisser Spekulanten in seinem vollen ur- 
sprünglichen Werthe einwechseln wollte — eS fehlt ihm die 
Haupteigenschast einer stabilen Münze, oder cineS richtigen 
WerthmesserS, nämlich — — die S t a a t S g a r a n t i e. Da 
ist seine kranke Stelle. Er ist Waare geworden und sein Preis 
wird vom Londoner Silbermarkt bestimmt; er ist nicht mehr 
Kraft seines Stempels zu gebrauchen, sondern nur Kraft seineö 
schwankenden innern GehalteS. 
Anläßlich kann ich nicht unerwähnt lassen, daß in Oester- 
reich die Abschaffung der Banknoten und die Aufnahme von 
Silber- oder Goldzahlung einen ähnlichen Sturm herauf be- 
schwören würde, wie bei uns die Einführung einer vollwerthi- 
gen Münze. Nur würden wir bei Oesterreich im Lager der 
Gegner mehr die großen Finanzkräfte deS Staates erblicken. 
Die SchutzMnerei geht in Oesterreich wie in Italien Hand 
in Hand mit der Papierwirthschaft (zu welcher die Silbergul- 
denwirthschast ein sehr naher Verwandter ist); die Großindu- 
strie und die Geldspekulation sind die mächtigen Verbündeten 
der ersteren und die maßgebenden Faktoren. Diese Mächte wer- 
den noch manchen Sturm abschlagen bis es ünderö wird. 
Oesterreich ist durch die Schläge, welche eS seit 30 Jahren er 
litten hat, in eine schwierige finanzielle Lage gerathen und sah 
sich deßwegen genölhigt zu den Banknoten und zum Zwangs- 
kurse Zuflucht zu nehmen. Bis jetzt war eS vergebens be- 
müht aus dieser Zwangsjacke zu schlüpfen. Natürlich würde 
eS unS Liechtensteinern schlecht anstehen, unS jetzt von diesen 
nun gelösten Banden zu befreien, welche unS durch den alten 
Zollvertrag an daS Schicksal des Silberguldenö ketteten, das 
wäre doch nicht nachbarlich und großmüthig gehandelt —! 
Daher nur ruhig zugewartet biß eS Oesterreich gelingen wird 
die Valuta (Zahlung in klingender Münze und Beseitigung 
der Banknoten) herzustellen. Diese Frage soll zwar neuerdingS 
publizistisch in Kluß gebracht werden, jedoch von da bis zur 
Durchführung braucht'S noch geraume Zeit. — 
Um zur nähern Kenntniß derjenigen Eigenschaften des Sil- 
berguldenS zu gelangen, welche denselben bei gewissen Leuten 
eben so beliebt machten und die nur noch den österr. Bankno- 
ten den Borzug einräumen, will ich noch kurz die Werthschwan- 
kungen vorführen, welche derselbe seit Beginn der Silberent- 
werthung durchzumachen hatte und welche denselben ebenso vor- 
trefflich zu einem Werthmesser eignet, wie eine Elle die heute 
100 Centimeter lang ist und nach einem Vierteljahre 75, und 
dann in ein paar Monaten zum Leidwesen vieler ehrbarer Bür- 
ger dieser Zunft auf eine Länge von etwa 95 Cm. wächst 
DaS Jahr 1872 lief mit kaum einigen Schwankungen des 
WertheS vom Gulden ab, obschon die Stabilität des Silber- 
Preises erschüttert war, aber schon im Januar 1873 begann 
allmählig sein Werth zu sinken. UmS Neujahr 1874 galt er 
nur mehr 95 kr. Damals schrie und wehklagte man unten 
wie oben im Lande, daß eS ein Erbarmen war und die Vater 
deS Landes berathschlagten und beschlossen einstimmig: fort mit 
diesem Treulosen — um jeden Preis — wir opfern sogar den 
Zollvertrag! Im Jahre 1874 hielt er (ich ziemlich stabil auf 
94 kr. Man grollte noch immer, alleS verteuerte sich natür 
licherweise auf dem Markte, wo man mit Silbergulden bezah- 
len mußte, mehr als um das was per Gulden weniger werth 
war. DaS erbitterte viele — andern kam eS aber sehr zu 
Diensten: nach der Schweiz konnte nunmehr verkauft wer- 
den, um so mehr aber wurde in Feldkirch eingekauft und 
der dortige Markt von Liechtenstein frequentirt. — Schon im 
Juli 1875 sank der Silbergulden auf 90 kr. herunter und 
besserte sich bis Ende deS Jahreö bloß um 1 kr., aber mit 
Niesenschritten fiel er bis Juli 1876 auf 75 kr. herab — 
frühere 400 fl. galten nur mehr 300! Silbergulden waren 
damals nicht mehr Werth als österr. Banknoten. Hierauf 
freudiger Aufschrei und Wohlbehagen im nördlichen Theile deS 
Landes— Entrüstung aber auf Seite der redlich und rechtlich 
Denkenden. Nachdem dann der Gulden unter beständigen 
Schwankungen im Oktober sich wieder auf 80 kr. Werth er- 
holt hatte, siegte er über die Banknoten und erreichte Anfangs 
Jänner 1877 zum Leidwesen seiner Freunde im Unterlande 
84 kr., ja er erhob zum Schrecken der Genannten immer stol- 
zer sein Haupt, bis er endlich im vergangenen Februar 94 kr. 
galt. Aber waö ist schwankender hier unter dem wechselnden 
silberleuchtenden Monde als der österr. Silbergulden — kein 
Mädchenherz, kein Aprilwetter! 
Also höret, staunen werden die freundlichen Leser woht 
nimmer, heute wo ich diesem wankelmüthigen Gilberlinge feine 
LebenSgeschichte niederschreibe, ist der Treulose schon wieder — 
zu seiner unauslöschlichen Schande sei eS gesagt — herunter 
gekommen auf elende 85 kr. Ist eS nicht ein Skandal, daß 
man seinetwegen so viel Skandal gemacht hat. Ist er'S wohl 
werth! Wenn er in seinem schwindsüchtigen Stadium erst wie- 
der auf 75 kr. herab sinkt und deßwegen der Taglöhner und 
Fabrikarbeiter mit % ihres Lohnes (ich begnügen müssen, 
dann Volk werden deine Beglücker wieder jubeln und sagen: 
„wenn'S nur noch möglich wäre, vaß er auf 50 kr. oder gar 
auf 0 käme" — dann wird Freude in Judäa sein. 
Mein Grundsatz: „Jedem das Seine" — blieb auch nach 
dem Tage deS hl. Hylarius 1877 unerschüttert. Mit der Elle 
mit der Du auSmißt, soll Dir wieder zurückgemessen werden; 
darum gleiche und redliche Münze, gleiches und redliches Maß 
und Gewicht! Kein Patriot, der nicht offen und ehrlich für 
dieses Prinzip eintritt und sich die Feßeln unbefugter Verge- 
waltigung so leicht und thatlos gefallen läßt, ist würdig 
Bürger eines konstitutionellen Staates zu sein! Lieber die ab- 
solute russische Knute, als die Herrschaf! der Kommune. 
Vaterländisches. 
Vaduz, 27. März. Die unsern Obstbäumen so sehr ver- 
verbliche Baummistel hat sich — mehr oder minder stark 
— in Liechtenstein überall eingenistet. Da sich dieselbe, wenn 
ihr nicht Einhalt gethan wird, sehr rasch weiter verbreitet, 
weil deren Samen von Baum zu Baum vertragen werden: so 
erlaube ich mir, den Baumbesitzern den wohlgemeinten Rath 
zu geben, die Mistel bald möglichst zu entfernen. Am sichersten 
geschieht dies, wenn diese Schmarotzerpflanze (sammt den. 
Wurzeln) mit einem scharfen Messer ausgeschnitten und 
dann die Wundstelle mit Steinkohlentheer überstrichen 
wird. Dieser Theer vernichtet die noch etwa übrigbleibenden 
Wurzeltheile und verhindert so daS Weiterwachsen. 
Oberlehrer Hinger. 
Ausland. 
Die in der letzten Nummer der „Liecht. Wchztg." gebrachte 
Nachricht: England soll dem russischen Protokollvorschlage bei- 
getreten sein, hat.sich alS verfrüht erwiesen und war eben nichts
	        

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