Entsetzens erhob. Ein Knabe von 5 Iahren, den ein Kinder-
Mädchen auf die steinerne Balustrade gesetzt hatte, um die Thiere
besser sehen zu können, war hinabgefallen und in demselben
Momente, wo er den Boden berührte, hatten stch auch die
beiden weißen Bären von ihrem Lager erhohen und trabten
neugierig auf den Fremdling zu, der in ihr Gebiet eingedrungen
war. Welch furchtbares Drama würde man nun zu sehen
bekommen? So fragten stch wohl alle, die zugegen waren.
Allein merkwürdiger Weise kehrten ste — vielleicht eingeschüch-
tert durch das Schreien der Zuschauer — ruhig in ihren Win-
kel zurück, ohne dem Kinde ein Leid gethan zu haben. Das
war schon viel. Aber eS kam jetzt darauf an, das Kind zu
retten. Wer mochte eS wagen? Da erbot stch ein schlicht
gekleideter Mann dazu. Man holte einen soliden Strick und
ließ mittelst desselben den Retter hinab; kaum hatte er den
Knaben aufgenommen und die Rückreise durch die Luft ange-
treten, so stürzten stch auch die beiden Bären in sichtlichem
Grimm auf ihn, konnten ihn aber nicht mehr erreichen. DaS
Kind hatte bei seinem Falle auS der ziemlich beträchtlichen
Höhe weiter keinen Schaden davon getragen, als eine Arm-
Verrenkung; aber das fahrlüßige Kindermädchen ist von dem
Schrecken und der Angst in eine Fieberkrankheit gefallen und
sieht im Delirium überall wilde Thiere, welche kleine Kinder
auffressen.
"Abnahme der Viehzahl inGuropa. Nach einer
Zusammenstellung des Professors Dr. Lambl in Wien ergibt
sich in Europa mit Ausnahme von Preußen und Rußland eine
wirkliche Viehabnahme. Zwischen der letzten und vorletzten
Viehzählung weisen 14 Staaten Europas eine Abnahme von
1,761,446 Rindern und 8,736,236 Schafen, dagegen eine
Zunahme von 1,110,394 Pferden und 300,000 Ziegen nach.
- Der Bestand der Schweine ist nahezu gleich geblieben. Die
Vermehrung der Pferde liegt gewißlich zum Theil in der Ver-
größerung der stehenden Heere in Europa. Sonst läßt jene Er-
scheinung auf ein Zurückgehen von Wirtschaften mit guter Rind-
Viehhaltung und auf eine Vermehrung von kleinen, armlichen
Haushaltungen mit Ziegenhaltung schließen. Auffällig ist eS,
daß der starken Abnahme der Schafe (.die zum Theil der Kon-
turrenz fremdländischer Wolle, besonders aus Südamerika und
Australien, zuzuschreiben ist) nicht ein entsprechender Zuwachs
von Rindern k. gegenübersteht. Der Zunahme der Bevölke-
rung steht also eine große Verminderung der besonders wich-
tigen Nährthiere gegenüber. Ein Fallen der Fleischpreise wäre
also vorab noch nicht in AuSstcht zu stellen, selbst wenn die
Einfuhr amerikanischen Fleisches stch noch erheblich vermehren
sollte.
* Eine alte Zeitung. In der UniversttätS-Bibliothek
zu Heidelberg wurde ein fast ganz vollständig erhaltener Jahr-
gang einer gedruckten Zeitung aus dem Jahre 1609 aufge-
funden. Der Titel dieser deutschen Zeitung, vielleicht einer der
größten typographischen Seltenheiten neuerer Zeit, lautet buch-
fiäblich folgendermaßen: „Relation : Aller Fürnemmen und ge-
denkwürdigen Historien, so stch hin vnnd wider in Hoch und
Rieder Teutschland, auch in Frankreich, Italien, Schott und
Engelland, Hisspanien, Hungern, Polen, Siebenbürgen, Wal-
lachey, Moldaw, Türkei ic. Inn diesem 1609. Jahr verlausten
vnd zutragen möchte. Alles auff das trewlichst wie ich solche
bekom- vnd zu wegen bringen mag, in Truck verfertigen will."
* Polizeiliches. Einem Gastwirth aus Faido, den
das schöne Winterwetter zu einer Geschäftstour verlockte, wurde
- letzthin von der Polizei übel mitgespielt. In Einstedeln, wo-
hin er zuerst ging, kam er in Verdacht, eine goldene Uhr
sammt Kette von der Wand in einer Wirtschaft gestohlen zu
haben. Er wurde verhaftet, jedoch sofort, da er feine Un-
schuld gehörig beweisen konnte, freigelassen. Sein Signalement,
als das des muthmaßlichen Thätertz, war aber schon nach
allen Richtungen der Windrose weiter telegraphirt worden und
die Schwyzer-Polizei unterließ die nöthig gewordene Berich-
tigung. Möglichst schnell reiste er ab, denn es brannte ihn
der Boden unter den Sohlen; mit der Abendpost ging'S nach
RichterSweil. Wer beschreibt aber sein Erstaunen, alS beim
Aussteigen die heilige Hermandad ebenfalls bereit stand, um
ihn in Empfang zu nehmen. Alle Prottstatt'onen und Be
theuerungen halfen nichts, der Delinquent mußte mit, und da
eS zu spät war, das Polizeiamt zu belästigen, in „Numero-
Sicher" übernachten, um dann am Morgen wieder mit den
höflichsten Entschuldigungen über den Jrrthum freigegeben zu
werden. Der Mann erfreute stch denn auch seiner Freiheit
aus Herzensgrund und blieb bis zum Abend in RichterSweil.
Darauf fuhr er per Dampfboot in das gemüthliche RapperS-
wyl. Doch stand hier Wachtmeister Germann bereit und beim
Aussteigen hieß eS: „Jetzt Peter geht'S en andere Weg, jetzt
Peter, kommst mit mir!" Daß ihm am Morgen darauf der
Polizeichef der Rosenstadt die Freiheit wieder gab, ist selbst-
verständlich, — daß ihm aber für die erlittene Unbill eine
Entschädigung geworden sei, davon weiß daS „Wochenbl. v.
Seebezirk und Gaster", dem wir obige Mittheilung entnehmen,
nichts.
* Verheerungen der Wölfe. Ernem offiziellen Be-
richte zufolge sollen in dem einzigen Gouvernement Sarator
(Rußland) die durch die zahlreichen Wölfe im Laufe der letzten
zwei Jahre angerichteten Verheerungen stch auf folgende kau«
glaubbare Zahlen erstrecken. Es sollen von den wilden Bestien
zerrissen worden sein: 11,000 Pferde, 10,000 Stück Horn-
vieh, 33,000 Schafe und 5000 Schweine, außerdem mehr alS
1000 Hunde und 18,000 Stück Geflügel. Im gleichen Zeit-
räume wurden 63 Personen von Wölfen angefallen, wobei 2
zerrissen und 12 den erlittenen Wunden erlegen sein sollen.
* DaS Hafermehl. Ueber dieses einstige Hauptnah-
rungSmittel der Thurgauer, daS aber leider immer mehr in
Vergessenheit geräth, schreibt der Herausgeber der „Fundgrube",
Herr Dr. Rausch: Hafermehl ist ein ausgezeichnetes RahrungS-
mittel, daS alle Stoffe enthalt, die zur Bildung des Körpers
nöthig stnv. CS eignet sich deßhalb nicht nur zur Ernährung
von Kindern, sondern auch, mit Fleischbrühe oder Milch ge-
kocht, alS eine angenehme Speise für Erwachsene, besonders
für schwächliche Personen. Liebig und Andere haben gezeigt
daß Hafermehl fast eben so nahrhaft ist, als das beste Fleisch,
und daß eS reicher als Weizenbrod an muSkel- und knochen-
bildenden Elementen ist. In Schottland bildet es bekanntlich
eines der HauptnahrungSmittel (Hafersuppe, Haferbrei, Hafer-
brod) und man schreibt ihm vorzugsweise die kräftige Körper-
entwicklung der Schotten zu. In Frankreich empfehlen eS die
Aerzte fast ausschließlich alS Kindernahrung.
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgever: vr. Rudolf Schädler'
Thermometerstand nach Reaumnr in Badnz.
Monat
Morgens
7 Uhr
Mittags
12 Uhr
Abends
6 Uhr
Witterung.
Februar 2t.
0
+ 3%
+ 3 /4
trüb, schneit
. 22.
- Vi
+ 2
0
halb hell
, 23.
- 3
+ 1
— V2
n it
. • 24
— 1
+ 3
+ 1V2
n „
. 25.
+ %
+ 4
+ 5
trüb
» 26.
+ 4
+ 7
+ vu
fast trüb
, 27.
+ 1
+ 4
+ 1
Telegrafischer Kursbericht von Wie«.
23. Februar Silber . 113.50
20-Frankenstücke . . .... 9.91%
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.