Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

bestehen, gegen die Einführung der Goldwährung sind und 
sein werden, weil sie nebst einer Beschränkung ihres Absatzes 
— der Bauer ist vorzüglich als Verkäufer zu betrachten — 
Und einer Vermehrung der Abgaben eine Erhöhung ihres be 
trächtlichen SchuldenstandeS erfahren würden. 
Wer will bei einer solchen Sachlage einer ganzen Land- 
schast, welche die Hälfte des FürftenthumS ausmacht, Oertle- 
geist vorwerfen? Wer will es dem Bauern, der fich ab- 
schindet und abmüht, verargen, daß er sich gegen jede greif- 
bare Verschlechterung seiner ohnehin drückenden Lage wehrt, 
da ihm auf der anderen Seite nur theoretisches Phrasenge- 
Hinget geboten wird? 
Er soll ein Darleben, das sein Vater oder Großvater 
vielleicht in österreichischen Silberzwanzigern -- Gold hat eS 
bei uns nie gegeben — aufnahm, um ein Grundstück von der 
Rufe zu reinigen oder gegen die Hluthen des Rheine» erfolg- 
los zu schützen, nunmehr in Goldgulden zurückzahlen? 
Freilich bezüglich der KapitalSschulden, die in der Zeit der 
Mberentwerthung kontrahirt wurden, will man nachträglich 
zugestehen, daß ste in österreichischen Silbergulden zu ihrem 
Pollwerthe sollen zurückgezahlt werden können, nicht aber daS 
Gleiche soll betreffs der alten Kapitalien gelten, bei denen der 
Schuldner den einmal bestehenden Ausfall zu tragen hätte. 
Nun aber dürfte der größte Theil der bäuerlichen Schulden 
der unteren Landschaft Hypothekarschulden unv daher so ziem- 
lich alte Schulden sein, weßhalb das Zugeständnis in Betreff 
der neuen Kapitalien für die Unterländer von geringer Be- 
deutuug sein wird. 
Ein weiteres Moment dafür, daß der Darleiher den Aus- 
fall am Kapital durch die Silberentwerthung zu tragen hat, 
liegt auch darin, daß derselbe sich des Verfügungsrechtes über 
sein Geld keineswegs begibt, sondern daß er in der Kündi- 
gung ein Mittel besitzt, das Kapital vor drohenden Gefahren 
zu schützen pnd wieder an sich zu ziehen. Unterläßt er dieS 
rechtzeitig zu thun, so ist er selbst für seine mors haftbar und 
hat selbst deren Üble Folgen zu tragen, ähnlich wie der Cedent 
einer Forderung für diese dem Cefstonar nicht mehr haftet, 
wenn Letzterer die noch mögliche Sicherheit sich zu verschaffen 
versäumt. 
UebrigenS kann daS Silber im Werthe nicht wieder steigen? 
Soll dasselbe, das durch Jahrtausende sich mit dem Golde in die 
Herrschaft der Welt thetlte, für immer von seinem Throne 
gestürzt sein? 
Sehnlichen Werthschwankungen war ja auch schon das 
Hold ausgesetzt, so als die reichen Goldfelder CalifornienS 
und Australiens entdeckt wurden. 
Was schließlich das angebliche Verlangen deS Landes nach 
Einführung einer anderen Valuta, als der bisherigen betrifft, 
so glaube ich, daß ein solches von Oben her, wo man es 
mit Ueberzeugung gehabt haben mag unv noch haben mag, 
künstlich in das Volk hineingedacht wurde, denn die Folge 
Wrte ja, daß daS Volk vom neuen Münzgesetze und der 
Wnf-ührung der Goldwährung nichts wissen will. - 
Die schlimmen Folgen, die der Hr Verfasser der Streif- 
lichter von der Beibehaltung des Status quo in Nr. 7 dieser 
Zeitung befürchtet, entspringen einer zu pessimistischen An- 
schauur.g unv sind zu allgemein gehalten. 
Liechtenstein mit seinem musterhaften Grundbuchwesen und 
seiner thätigen Bevölkerung wird der Realkredit nie fehlen, und 
penn Heuer in der Sparkassa zu Vaduz fast gar keine Ein- 
lagen einliefen, so kann dieS seinen Grund theilS in der all- 
gemeinen GefchäftSlosigkett haben, theilS gerave eine Folge der 
gegenwärtigen inneren Wirrnisse sein. 
Schellenberg, 20. Februar *877. 
Fr. Josef Biedermann 
Anmerkung der Redaktion. Dem Wunsche des Herrn 
Einsenders in Schellenberg entsprechend, nehmen wir keinen 
Anstand seiner „Einsendung" die Spalten unserS Blattes zw 
öffnen, um so mehr, als die Redaktion seit dem Beginne der 
schwebenden Münzfrage wiederholt den Wunsch und die- 
Aufforderung ausgesprochen hat, eS möchten auch die Gegner 
einer Münzreform ihre diesbezüglichen Anstchten zum Ausdruck 
bringen. 
Als vor 4 Jahren dieses Blatt gegründet wurde, wollte 
man eben dadurch ein Mittel schaffen, welches bei vorhandenen 
wichtigen Landesfragen durch. Veröffentlichung der verschiede- 
nen Ansichten und Aeußerungen in der Sache selbst belehrend 
und aufklärend wirken sollte. Wenn diese Jedermann dar- 
gebotene Gelegenheit namentlich von der untern" Landschaft 
und besonders in der seit 3 Jahren auf der Tagesordnung 
stehenden Münzfrage nicht benützt wurde, so kann die Red<tf* 
tion füglich von jeder Schuld freigesprochen werden. Dev 
Umstand endlich, daß unser Blatt kein Kind der Spekulation 
ist, sondern auf den Charakter vaterländischen Opsersinnes' 
Anspruch machen darf, indem dasselbe seit 4 Jahren unent 
geltich redigirt wird, dürfte mit Recht eine bessere Berücksich- 
tigung in dem oben angedeuteten Sinne erwarten lassen. 
Ausland. 
Aus Anlaß der Verhandlungen über die Bankfrage, ift 
eine ungarische MinisterkrisiS ausgebrochen, die bis jetzt noch 
nicht beseitigt ist. 
Die Grundlagen deS Friedens zwischen Serbien und der 
Türkei sollen nach einem neuesten Wienerte legramme festgestellt 
sein. — Die russisch-serbische Freundschaft ist übrigens zu Ende. 
Wer daran zweifelt, möge einen Blick auf die beiderseitige 
offiziöse ».offiziellePresse werfen. Der„GoloS" bekanntlich ein dem 
russischen StaatSkanzler nahestehendes Blatt — einerseits, und 
der „Jftok," daS offizielle Blatt der serbischen Regierung an- 
dererseitS, ersparen unS die Mühe nach bündigeren Beweis- 
Mitteln zu forschen. Kaum hatte „Jstok" die Behauptung vom 
Stapel gelassen: Serbien warte jetzt auf Rußland um mit ihm 
qememsam die Befreiung der Christen in der Türkei zu erwir- 
ken, so erhebt sich der „GoloS" und weiSt eine solche Be- 
hauptung auf's entschiedenste zurück. Rußland hat mit dem 
serbisch-türkischen Krieg nichts zu schaffen, eS will von Serbien 
nichts wissen — so antworten die »nordischen Brüder" auf 
d e schmeichelhaftesten Aeußerungen der Serben. AlS sich der 
serbische Offiziöse so getäuscht sah, glaubte er stch berechtigt 
diese Abweisung mit gleichem Maße zu erwiedern. In einem 
Leitartikel vom 4. d. bringt „Jstok" eine skandalöse Notiz über 
den Eigenthümer deS „GoloS," in der derselbe als Türken- 
freund und Slavenhasser bezeichnet wird. 
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: vr. Rudolf Schadler. 
Thermometerstaud nach Reaumur in Vaduz. 
Monat 
Morgens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung. 
Februar 14 
+ 3'/2 
+ 3 8 /4 
+ 3 
trüb, regnet 
. 15. 
+ 2% 
+ 7 
+ 6 
fast hell 
„ 16. 
4 
-j- 10 
+ 6V4 
» » 
„ 16 
+ 4 
+ 3 
+ 2% 
trüb, schneit 
. 18. 
+ 1 
+ 2 
+ 2 
n n 
, 19 
0 
+ 5 
+ 4 
fast trüb 
. 20. 
+ iy 4 
+ 7 3 /4 
+ 2 
n n 
Telegrafischer Kursbericht von Wie«. 
2l. Februar Silber. . . . \ . . . . . . 11340 
20-Frankenstücke . . .... 9.87 _ 
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.
	        

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