— Der Kultusminister beantwortet eine Interpellation betreffend
die Anerkennung der Altkatholiken als selbständige Religionsgesell
schaft dahin, daß nachdem die Altkatholiken erst am 13. Oktober
eine die gesetzliche Anerkennung betreffende Erklärung abgegeben
haben, das Ministerium erst am 18. Okt. in der Lage war,
die Anerkennung der altkatholischen Religionsgesellschaft auszu-
sprechen und die Konstituirung altkatholischer Kultusgemeinden in
Wien, Warnsdorf und Ried zu genehmigen. — Der Handels
minister beantwortet eine Interpellation betreffend die Beschlag-
nähme von Schienen in Ungarn dahin, daß die Regierung sich
beeilt habe, bei der ungarischen Regierung wegen Aufhebung der
Beschlagnahme Schritte zu thun. Die ungarische Regierung habe
die Schienen für Kriegskontrebande gehalten. Auf ein Zertifikat
der rumänischen Regierung, daß die Schienen für rumänische
Eisenbahnen bestimmt seien, habe die ungarische Regieruug die
Schienensendung freigegeben. Eine prinzipielle Austragung der
Frage: ob Schienen als Kriegskontrebande anzusehen sind, sei
seitens der Regierungen angebahnt worden.
Wien, 6. Nov. Der „Presse" wird aus Tiflis gemel-
det: Sechs türkische Bataillone wurden auf der Straße von
Batum nach Erzerum am Fuße des Daman-Dagh, südwestlich
von Tortum, von einer russischen Kolonne, die von Olti gegen
Erzerum vorrückte, angegriffen und zum Rückzüge gegen Batum
gezwungen, unter Zurücklassung von Waffen, Pferden und Ge-
fangenen. Eine russische Kolonne steht in Bar, sechs Meilen
nördlich von Erzerum.
Wien, 6. Nov. Die „Polit. Korr." meldet aus Bu-
karest 6. Nov.: Gestern versuchten die rumänischen Batterien
in Kalafat den Bau einer neuen türkischen Batterie zu verhin-
dern. .Der Versuch gelang jedoch nicht, da die Türken eine be-
reits fertige Batterie demaskirten und die gegenüber liegende ru-
mimische Batterie 4 Stunden lang beschossen. Die Türken be-
schädigten indeß nur einige Häuser in Kalafat.
Wien, 6. Nov. Die „Polit. Korr." meldet aus Kon-
stantinopel: Vorgestern wurden auf Befehl des Großveziers
viele hervorragende Würdenträger verhaftet. Wie verlautet, ist
eine Verschwörung der Partei des abgesetzten Sultans Murad
entdeckt worden. — Ferner meldet die „Polit. Korr." aus Bel-
gr ad: Die serbischen Militärbewegungen nach der Grenze dauern
fort, ohne daß hieraus auf eine bevorstehende Aktion zu schließen
wäre (?); theilweise werden nur die Milizbrigaden an der Grenze
abgelöst. Die hier anwesenden bosnischen Jnsurgentenchefs ver-
langen von der serbischen Regierung die Ernennuug eines neuen
.Oberkommandanten.
St. Petersburg, 6. Nov. Offiziell wird aus Bogot,
5. Nov. berichtet: Gestern beritt der Kaiser die russischen Po-
sitionen jenseits des Mdflusses; der Empfang war enthusiastisch.
Tebeten wurde am 31. Okt. durch den Flügeladjutanten Oberst
Orloff genommen; Dank dem durch Major Boaten (?) meister-
Haft ausgewählten Punkt, wo der Angriff erfolgte, kostete der
Sturm nur 1 Todteu, 4 Verwundete und 17 Kontusionirte.
Erstürmt wurde nur eine beherrschende Redoute: die andern Be-
fesügungen wurden voll den. Türken ohne Kampf verlassen. Die
Türken flohen auf Gebirgspfaden nach Carlovo und Orkhanje.
Die Türken waren 600 Mann reguläre Infanterie und 150
Mann reguläre Kavallerie stark und verloren 100 Todte; ihre
Verwundeten führten sie auf 100 Fuhren fort.
Konstautinopel, 6. Nov. Ein Telegramm Schefket Pa-
scha'S aus Batum meldet: Vorigen Mittwoch fand ein den
Türken günstiges Gefecht in der Umgebung von Kotchban statt.
— Hier ist täglich Ministerrath. Vor Rasgrad und Schipka
ist es ruhig. Von Mukhtar Pascha ist keinerlei Nachricht ein-
getroffen. Die türkischen Journale melden: Mehemed Ali,
der Kommandant der Truppen in der Herzegowina und in Novi-
Bazar, sei in Sophia eingetroffen und übernehme auch das Kom-
mmndo über die bei Sophia und Orkhanje jfonzentrirten Truppen.
Konftantinopel, 6. Nov. Die „Ag. Havas" meldet:
Ueber den Ausgang der russischen Angriffe vom Sonntag und
Montag auf die Stellungen Mukhtar Pascha's vor Erzerum ist
bis jetzt keinerlei offizielle Nachricht veröffentlicht worden. Die
Kämpfe sollen blutig gewesen sein. Wie versichert wird, ist
Mukhtar Pascha entschlossen Erzerum energisch zu vertheidigen.
Verschiedenes.
* Berlin. General-Feldmarschall Graf W angel ist am
1. November, Abends halb neun Uhr, im hohen Alter von 93
Jahren gestorben. Friedrich Heinrich Ernst, Graf v. Wrangel,
preußischer General - Feldmarschall,, geb. 13. April 1784 zu
Stettin, trat 1796 in ein Dragoner-Regiment und wurde schon
1798 zum Lieutenant befördert. In diesem Regiment, das erst
180ß nach der Schlacht von Jena mobil gemacht wurde, nahm
er an dem Feldzuge vou 1807 theil und zeichnete sich bei Heils-
berg aus, wofür er den Orden pour le merite erhielt. Nach
dem Frieden von Tilsit wurden aus seinem Regiment zwei neue
gebildet, und Wrangel blieb bei dem einen, nun das ostpreußische
Kürassier-Regiment, in welchem er 1811 Rittmeister und Es-
kadronschef wurde. Im Kriege von 1813 zeichnete sich Wrangel
besonders bei Hainau, Libertwolkwitz und Leipzig aus und wurde
dafür zum Major befördert. 1814 wohnte er anfangs der Ein-
schließung von Luxemburg, dann aber den Gefechten im Februar
bei, wo er auf dem Rückzüge nach Etoges, auch später bei Laon
und Sezanne sein Regiment vortrefflich führte, so daß er im
April 1814 zum Oberstlieutenant und Kommandeur des zwenen
westpreußischeu Dragoller-Regiments ernannt wurde. Am Feld-
zuge von 1815 nahm dasselbe nicht theil. Wrangel avancirte
noch 1815 zum Obersten, 1821 zum Kommandeur der zehnten
Kavallerie-Brigade, wurde 1823 Generalmajor und 1834 Kom-
mandenr der dreizehnten Division in Münster. 1838 wurde er
zum Generallieutenant und 1839 zum kommandirenden General
des ersten Armeekorps in Königsberg ernannt. 1842 erhielt er
das Generalkommando des zweiten Armeekorps in Stettin. 1845
ernannte ihn der König nach der Revue seines Korps zum Chef
des 3. Kürassier-Regiments. Im deutsch-dänischen Kriege von
1848 erhielt Wrangel im April das Oberkommando der preußi-
schen und Bundestruppen in Schleswig-Holstein. Er siegte am
23. April bei Schleswig und drang in Jütland ein. Aber schon
am 8. September legte er den Oberbefehl nieder, um den tn
den Marken zu übernehmen. Am 9. November rückte er mit
den bei Berlin versammelten Truppen in die Hauptstadt ein,
verhängte den Belagerungszustand und stellte die Autorität der
Regierung wieder her. Er wurde zum General der Kavallerie
befördert und ihm 1849 zum Oberkommando in den Marken
noch speziell das Generalkommando des dritten Armeekorps über-
tragen. 1856, bei seinem 60jährigen Dienstjubiläum, ernannte
ihn der König zum Generalfeldmarschall. Als 1864 der Krieg
gegen Dänemark begann, erhielt Wrangel den Oberbefehl des
verbündeten Heeres, dessen Operationen er bis nach Erstürmung
der Düppeler Schanzen leitete. Dann legte er wegen seines
hohen Alters denselben nieder, wohnte aber noch, ohne ein Kom
mando zu führen, dem Kriege 1866 in Böhmen bei.
* England. Ueber das fürchterliche Grubenunglück, wel-
ches am 22. v. sich in dem Kohlenbergwerk von High Blantyre,
einem Dorfe in der Nähe von Glasgow ereignete, vernimmt
man folgendes: Die Zechen wurden für so gasfrei erachtet, daß
die Bergleute mit bloßen Lichtern zu arbeiten pflegten. Am ge-
nannten Tage früh um 9 Uhr, als 233 Männer und Knaben
in der Tiefe arbeiteten, entstand plötzlich, wie verlautet, während
einiger Sprengungsarbeiten eine furchtbare Explosion, welche einen
der Schachte blokirte und einen andern mit Feuerdampf völlig
füllte. Es verstrich geraume Zeit, ehe das Rettungswerk be-
gönnen werden konnte, aber als die erste Mannschaft in der
Tiefe anlangte, wurde nur ein einziger Bergmann lebend vorge-