Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

putirtenkammer aufgelöst. Jetzt ist es an euch eure Meinung 
.zu äußern. Man hat euch gesagt daß ich die Republik um- 
stürzen wolle. Ihr werdet das nicht glauben. Die Verfassung 
ist meiner Obhut anvertraut; ich »verde derselben Achtung zu 
verschaffen wissen. Was ich von euch erwarte das ist die Wahl 
einer Kammer welche sich über die Eifersucht der Parteien erhebt 
und vor allem mit der Sache des Landes beschäftigt. Bei den 
letzten Wahlen hat man meinen Namen mißbraucht. Unter 
denen die sich damals meine Freunde nannten, haben viele nicht 
aufgehört mich zu bekämpfen. Man spricht heute noch von Er- 
gebenheit gegen meine Person, behauptet daß man nur meine 
Minister angreife. Ihr werdet euch durch diese Kunststücke nicht 
täuschen lassen. Um dieselben zu vereiteln, wird meine Regierung 
euch diejenigen Wahlcandidaten bezeichnen die allein sich die Be- 
rechtigung zum Gebrauch meines Namens beilegen lassen können. 
Ihr werdet die Bedeutung eurer Wahlvoten reiflich erwägen. 
Wahlen die meiner Politik günstig sind, werden den regelmäßigen 
Gang der bestehenden Regierung erleichtern, das Prinzip der durch 
die Demokratie untergrabenen Autorität befestigen und die Ord- 
nung und den Frieden sichern. Meiner Politik feindliche Wahlen 
dagegen würden den zwischen den öffentlichen Gewalten bestehen- 
den Conflikt verschärfen, den Gang der Geschäfte hindern und 
die Agitation forterhalten. Frankreich würde inmitten dieser 
neuen Verwicklungen ein Gegenstand des Mißtrauens für Europa 
werden. Was mich anbetrifft, so würde meine Pflicht wachsen 
mit den Gefahren: ich würde den Aufforderungen der Demagogie 
nicht gehorchen können; ich würde nicht ein Werkzeug des Radi- 
ealismns werden können. Auf demselben Standpunkt auf welchen 
die Constitution mich gestellt, werde ich bleiben, um mit Uuter- 
stützung des Senats die conservativen Interessen zu vertheidigen 
und die treuen Beamten energisch zu schützen, die sich in schwie- 
rigem Zeitpunkte durch leere Drohungen nicht haben einschüchtern 
lassen. Franzosen! Ich erwarte mit vollem Vertrauen die 
Kundgebung eurer Gefühle. Nach so großen Prüfungen will 
Frankreich Stabilität, Ordnung und Frieden. Mit Gottes Hülfe 
werden wir diese Güter sichern. Ihr werdet auf das Wort 
eines Soldaten hören, der keiner Partei, keiner revolutionären 
oder retrogaden Leidenschaft dient, und der nur aus Liebe zum 
Vaterland euer Führer ist." — Das Manifest ist vom Minister 
de Fonrtou eantrasignirt. 
Neueste Nachrichten. 
Wien, 25. Sept. Die „Pol. Corr.." meldet aus Buka- 
rest, 24. Sept.: Eine türkische Abtheilung besetzte einen natür 
lich festen und durch die Geschütze Silistria's gedeckten Punkt 
auf rumänischem Boden gegenüber Silistria. Die Türken beab- 
sichtigen wohl die Bahnlinie Galatz - Bukarest zu unterbrechen; 
dieselben befestigen die Brücke welche das türkische Ufer bei Si 
listria mit der Insel Salgar verbindet.— Von den in Bjela 
eingetroffenen drei Garde-Infanterie-Divisionen wurden zwei ge- 
gen Plewna und eine an die Jantra dirigirt. Fast die ge- 
sammte Garde-Eavallene dagegen marschirt auf Tirnowa. Seit 
zwei Tagen herrscht anhaltender Regen, der die Operationen 
hindert. 
Wien, 25. Sept. Der „Presse" wird aus Tiflis, 24. Sept. 
telegraphirt: Nach dem letzten den Türken ungünstigen Gefechte 
bei Chalfalue zogen die Türken über die Gränze in das Gou- 
veruement Bajazid zurück und bezogen ein von der Gränze 20 
Werst entferntes Lager. — General Tschernajef hat das Haupt- 
quartier wegen Krankheit verlassen und befindet sich im Bade 
Borzom. 
Pest, 25. Sept. Ministerpräsident Tisza erwiderte einer 
Meetingsdeputation in Sachen der Orient-Frage: er werde die 
Petition als Zeichen der herrschenden Strömung in Berück- 
sichtigung ziehen. Das gemeinsame Ziel sei die Wahrung der 
Interessen der Monarchie; indessen sei die Wahl des richtigen 
Moments und der richtigen Mittel dabei zugleich die Pflicht der 
verantwortlichen Regierung. 
Konstantinopel, 24. Sept. Ein vom Donnerstag datirteS 
Telegramm des Gouverneurs von Plewna bestätigt daß Osman 
Pascha fortwährend die Angriffe der Russen zurückschlägt. Die 
russischen Truppen, welche am Tienstag eine türkische Redoute 
angriffen, wurden abgewiesen und verloren 1000 Todte. Die 
Russen setzen die Beschießung der Stadt fort. 
Konstantinopel, 24. Sept., Abends. Ein Telegramm 
Schefket Pascha's vom heutigen berichtet: 20 Bataillone In- 
santerie, ein Regiment Cavallerie und zwei Batterien welche 
einen Lebensmittel- und Munitionstransport geleiteten, sind, nach- 
dem sie die auf ihrem Wege befindlichen Russen geschlagen und 
zerstreut, gestern in Plewna eingerückt. — Von Mehemed Ali 
Pascha wurde heute keine Nachricht veröffentlicht. 
Konstantinopel, 25. Sept. Ibrahim Pascha meldet aus 
Philippopel, 23. Sept.: Da aufständische Bulgaren sich im 
Kloster Turriau (?) festsetzten und sich in Karlowa auch Ko- 
saken zeigten, so sendete ich 11 Eompagnien nnd 3 Schadronen 
zu einer Recognoscirung ab. Die Aufständischen wurden aus 
Tnrrian vertrieben und bis Osma Suyon verfolgt. 
Konstantiuopel, 25. Sept. Suleiman Pascha telegraphirt 
vom 23. Sept: Zwei Eompagnien Infanterie und 200 Tscher- 
kessen drangeu recognoscirend bis zwei Stunden vor Gabrowa 
vor und brannten mehrere Dörfer an der Jantra nieder, nach- 
dem sie die Russen daraus vertrieben hatten. Wir fahren fort 
den Feind zu bombardieren, welcher nicht antwortet. Auf den 
Vorposten dauert das Gewehrfeuer ununterbrochen fort. — Die 
Proviant- und Munitionscolonne nach Plewna wurde von Jfzi 
Pascha dorthin geleitet. Zur Deckung des Rückzugs steht Hakhi 
Pascha aal Karadagh. Die Arbeiten zur Wiederherstellung der 
Thelegraphenlinien schreiten fort. 
Die Kampfe Suleiman PüfchaS 
am Schipkapaffe. 
AuS den Briefen eines englischen Officiers a. D. veröffentlicht 
in der A. A. Ztg. 
(Schluß.) 
Am Abend des 25. gingen de Russen zuerst zur Offensive 
über uachdem sie sich bisher streng in der Defensive gehalten 
hatten, und versuchten die Höhen von Aikirdij-Bel links vom 
Dorfe Schipka, welche die Türken besetzt hatten, und von wo 
aus sie die russischen Schanzen aus der Paßhöhe sehr wirksam 
beschossen, zu erstürmen. Der heftige Kanonendonner, den man 
in Kesanlik vernehmen konnte, erreichte auch mein Ohr und trieb 
mich zur größten Eile, da ich gerne ein Augenzenge des Kampfes 
selbst sein wollte. Es war mir aber unmöglich, ein Reitpferd 
daselbst zu erhalten und die Straße war dazu so voll von vor- 
wärts marschirenden Truppen und Büffelkarren, mit Munition 
nnd wieder zurückgebrachten Verwundeten, daß alle meine Eile 
vergebens blieb, und ich erst kurz vor der Mitternachtsstunde 
vom 25.—26. August auf dem Kampfplatz selbst anlangte. Da 
der Mond aber sehr klar schien und die ganze schöne, wild-pit- 
toreske Gebirgsgegend mit seinem silberhellen Lichte beleuchtete, 
so dauerte das grimmige Gefecht fast ununterbrochen die ganze 
Nacht fort. Es war ein ganz unbeschreibliches Schauspiel welches 
sich jetzt vor meinen Augen entfaltete, und der Eindruck desselben 
wird mir stets unvergeßlich bleiben. Mit lautem weit hin 
bringendem Hurrah stürmten die russischen Schützen den steilen 
Berg hinauf um sich der Batterie welche die Türken auf dessen 
Kuppe errichtet hatten, zu bemächtigen. Schon war ihnen dieß 
gelungen und die türkischen Schanzen bereits in russische Ge- 
walt gefallen. Es war ein sehr kritischer Augenblick, denn hätten 
die Türken jetzt den Rückzug auf der engen, schmalen, überall 
versperrten Straße antreten müssen, so wäre ihr sämmtliches 
Heeresmaterial vollständig verloren gewesen. Doch die 1. und 
3. türkische Nizam - Brigade unter dem Befehl von Veyssel
	        

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