Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

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Pascha wird berichtet daß seine Truppen die Südabhänge des 
Balkans von den Russen säubern, daß es jedoch unterlassen 
werde den Schibka-Paß, wo sich die Russen befestigt haben, an- 
zugreifen, dA dieß zu viel Blut kosten würde. Der Paß der- 
liert übrigens für die Russen von selbst allen Werth, sobald die 
türkischen Heerführer sich in den Besitz von Gabrowo und Tir- 
nowa zu setzen vermögen. Die neueste Nachricht über die Ope- 
rationen Suleiman Paschas geht dahin: daß er von Kesanlik aus 
in nördlicher Richtung auf Elena marschiere und bereits in 
Twarditza (türkisch Ferdisköi) angekommen sei, den gleichnamigen 
Paß aber noch nicht besetzt habe. Die Ortschaft Twarditza liegt 
an der Twarditza (linker Zufluß der Tundfcha), zwischen Kesan- 
lik und Sliwno. 
Einem Bericht der „Köln. Ztg." aus Rasgrad, 29. Juli, 
entnehmen wir folgende Angaben über den Tod des Generals 
Aziz Pascha: 4 . 
„Der Tod Aziz Paschas ist für die Türken ein herber 
Verlust. Mehemed Ali, Fazli und Aziz wurden stets neben 
einander als die tüchtigsten und begabtesten Generale der Pforte 
genannt. Aziz Pascha sollte eben zum Chef des Generalstabs 
der gesummten Armee ernannt werden als ihn der Heldentod auf 
dem Schlachtfeld ereilte. Seine Jugenderziehung erhielt Aziz 
in Konstantinopel im Galata-Serail, er wurde Officier der os- 
manischen Armee und als solcher zur Vollendung seiner mili 
tärischen Ausbildung nach Oesterreich in die Neustädter Officier- 
Akademie entsandt. Bei jeder Waffengattung der österreichischen 
Armee machte Aziz einen siebenmonatlichen Cursus durch, und 
wurde darauf nach Vollendung seiner Studien. zum Militär- 
Attache in Wien ernannt. Dieses Amt verwaltete er drei Jahre 
lang, bis ihn der Befehl des Padischah in gleicher Eigenschaft 
nach Berlin berief. Hier lernte er seine spätere Frau und 
Wittwe kennen, heirathete sie und kehrte nach Konstantionpel zu- 
rück. Die Gattin Aziz Pascha's kleidete sich ganz alla franca 
und genoß überhaupt die völlige Freiheit einer europäischen Dame. 
Wie sehr Aziz Pascha das Vertrauen der Pforte besaß, das be- 
weist der Umstand daß man ihn mit vielen schwierigen Missionen 
im Ausland betraute. In Deutschland schloß er die sämmtlichen 
„Krupp - Lieferungen^ ab, und ihm verdankt es das türkische 
Kriegsministerium hauptsächlich daß sich die Artillerie wenigstens 
auf einer ebenbürtigen Stufe mit den meisten europäischen Mächten 
befindet. Voriges Jahr im serbischen Kriege war es Aziz Pascha 
der unmittelbar nach dem Fall von Dschunis gegen Kruschewatz 
marschirte und die Reste der serbischen Armee noch vollends zer- 
trümmert haben würde wenn Achmet Ejub (leid.r ist derselbe 
dem Abdul Kerim noch immer nicht, gefolgt) ihn nicht zurück- 
gerufen hätte. Die Pforte ernannte Aziz Pascha nach der 
Schlacht bei Dschunis zum Muschir. Auf diesen Mann hatte 
man mit Recht große Hoffnungen gesetzt, leider hat ihm seine 
eigene und, wie es scheint, ganz unzeitige Tapferkeit ein frühes 
Grab bereitet. Aziz Pascha hat den Auftrag erhalten mit seiner 
Division den Marsch Fuad Paschas von Rustschuk hierher, 
dessen rechte Flanke durch die Russen erstlich bedroht war, zu 
decken. Er entledigte sich dieser Aufgabe zur vollkommenen Zu 
friedenheit. Die Division Fuad Paschas passirte ungehindert 
die gefährlichen Punkte und war schon außer aller Gefahr, als 
Aziz Pascha, der sich zwischen Türlak und Hüsendsche (Jüsintscha) 
befand, die Meldung erhielt starke russische Eolonnen seien gegen 
Hüsendsche im Anmarsch. Aziz Pascha hätte sich nun in allen 
Ehren zurückziehen können, oder vielmehr müssen, doch der tapfere 
General wollte seinem Oberkommaudirenden durchaus eine genaue 
Meldung über Stärke und Absichten des Feindes bringen. Er 
rückte deßhalb mit vier Bataillonen, welche von dem Brigadier 
Fezula Pascha befehligt wurden, den anziehenden Russen ent- 
gegen. Ein Wäldchen liegt an der Straße, dessen Besetzung Aziz 
Pascha für seine Truppen von Wichtigkeit erschien. In Schützen- 
schwärmen gingen die Türken gegen das Gehölz vor, aus welchem 
sie jedoch sofort mit einem wohlgezielten Gewehrfeuer empfangen 
wurden. Der türkische General glaubte die feindlichen Streit- 
kräfte nicht so stark und befahl einen allgemeinen Angriff der 
vier Bataillone gegen die Russen. Bei diesem Vorgehen nun 
wurden die anstürmenden Osmanen mit einem wahren Bleihagel 
überschüttet, Aziz Pascha durch eine Flintenkugel getödtet und 
Fezula Pascha durch sieben Schüsse verwundet. Mehr als 600 
Türken deckten in kurzer Zeit todt oder verwundet das Gefechts- 
feld. Dennoch gelang es den braven Truppen die Russen aus 
ihren Positionen zu werfen, hinter dem Walde jedoch wurden so 
starke russische Truppenmassen sichtbar, daß man es für gerathen 
hielt schleunigst wieder umzukehren. Bei diesem Rückzug, der 
vieleicht etwas zu rasch vor sich gegangen ist, vergaß man — 
so wird berichtet — den Leichnam Aziz Paschas mit sich zu 
nehmen, allem Anschein nach ist derselbe in russische Hände ge- 
fallen. Der schwerverwundete Fezula Pascha konnte noch ge- 
rettet und heute naH Varna geschafft werden. So kostete dieses 
unbedeutende Gefecht vom 26 Juli den Türken zwei Generale, 
darunter den zweitbesten der ganzen Monarchie. Die Kunde von 
dem Ende Aziz Pascha's langte am 26 spät Abends in Schnmla 
an, und verbreitete nicht geringe Bestürzung. 
Aus Kesanlik, 14. August.wird dem „Daily Telegr" tele- 
graphisch gemeldet: „Folgendes sind die Einzelheiten des türkischen 
Sieges am 13. Aug. Am Sonnabend unternahm Suleiman 
Pascha eine Reeognoscirung bis zurOeffnung des Hain-Bughaz- 
Passes. Er traf auf wenige Bulgaren und betrat die Dörfer 
Ferdisköi und Kurtitsch ohne Wiederstand. Kein Feind zeigte 
sich in größerer Stärke. Am Sonntag Nacht brachte Suleiman 
Pascha, nachdem er seine Vorhut bis Hain Bughaz vorgeschoben, 
seine Infanterie und Cavallerie heran und lagerte sich innerhalb 
drei Meilen vom Passe. Am nächsten Morgen ward eine Bri- 
gade Infanterie, zwei Schwadronen Cavallerie, ein Trupp Bafchi- 
Bozuks und Tscherkessen und eine Batterie Artillerie unter 
Rassim Pascha zum Angriff auf Kalofer entsandt, während ihr 
linker Flügel durch Karlowa marschirte. Die Brigade rückte in 
drei Eolonnen auf die stark mit Artillerie besetzten und durch 
Erdwerke geschützten russischen Stellungen vor. Die Türken de- 
bouchirten gegen die Front des Dorfes, zugleich rückte die Rechte 
durch Bojuk vor. Die Russen eröffneten ein heftiges Geschütz- 
fener und machten große Anstrengungen um sich in ihren Stet- 
lnngen zu behaupten. Hierin wurden sie durch die Infanterie 
unterstüzt die wohlverschanzt war. Die Terraindeckung benutzend, 
entfalteten sich die Türken in Schützenketten und rückten im 
Schnellschritt vor. Der Feind hielt indessen das Dorf, welches, 
dicht mit Gehölz umgeben, gute Decknng bot, und die Angreifer 
waren in Folge dessen gezwungen ihren rechten Flügel auszu- 
werfen. Nichtsdestoweniger gewannen die Türken stetig an Bo- 
den, bis sie das Dorf erreichten. Mittlerweile hatten die 
Rechte und das Centrum ihren Weg bis gegenüber den russischen 
Geschützen erzwungen, welch letztere um diese Zeit abzuziehen be" 
gannen. Zugleich begann Suleiman auf dem äußersten rechten 
Flügel zu operiren und die Russen, sich in Gefahr sehend, be- 
gannen zurückzugehen. Auf ein gegebenes Signal stürmte die 
ganze türkische Macht Kalofer, die Russen mit dem Bajonett 
angreifend und sie auf den Rosalita-Paß zutreibend. Der Kampf 
dauerte zwei Stunden. Unmittelbar darauf stieß Suleiman 
Pascha seine Eolonnen bis in den Rosalita-Paß vor." — Wie 
der „Times" aus Schumla über dieses Treffen berichtet wird, 
verloren die Russen bei Kalofer 500 Mann. 
Der A. A. Ztg. wird aus Rußland geschrieben: Die 
Stimmung sowohl der militärischen als der politischen Kreise 
verdüstert sich immer mehr. Seit den Schlachten von Plewna 
ist alles Selbstvertrauen, sowie das Vertrauen in die militäri- 
schen und politischen Führer geschwunden. Man sucht die Stel- 
lung des Fürsten Gortschakpff zu erschüttern, worauf die Gerüchte 
von seinem Rücktritte zurückzuführen sind. Es ist indessen, wie 
sehr auch der Zar bearbeitet werden mag sich ganz in die Arme 
der Militärpartei zu werfen, fraglich ob dies gelingen werde.
	        

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