than sich derselben zu bemächtigen. Von Wösten her empfing
die russischen Regimenter nun ein ungeheures Feuer aus allen
kleinen Büschen und Hecken heraus, sowie von der Chaussee her.
Der schon verwundete Oberst Rosenbaum des 17. Regiments
rief seinen Leuten zu: „noch einmal drauf mit Hurrah!" aber
in Flanke und Front wurden die Truppen mit Kugeln über-
schüttet, der Oberst Roscnbanm erhielt einen zweiten tödtlichen
Schuß durch den Kopf, noch weitere 12 Offiziere büßten ihre
Tapferkeit mit dem Tode, 20 Offiziere, wobei fast sämmtliche
Kapitäne, wurden verwundet, 1300 Mann Verluste zählte das
Regiment am andern Tag. Auch das herbeigeeilte 18. Regiment
hatte einen Verlust von 20 Offizieren und 900 Mann, wo-
runter der gefallene Oberst. Das 19. Regiment wurde von
3 Schwadronen türkischer Kavallerie angegriffen und erlitt eben-
falls große Verluste. Eine Sowie Kosaken war von den Pferden
abgesprungen und focht mit dem Berdan-Gewehr zu Fuß, um
nach erfolgreichem Schießen, mit dem Säbel in der Faust, die
Infanterie zu artakiren; 36 Mann von 86 waren tobt und
verwundet. Der herbeigeeilte Divisionsgeneral Schilder-Schulduer
hatte den Rückzug antreten müssen, da gar keine Unterstützung
zu erwarten war. Er zog deßhalb die Regimenter nach der
nächsten ihm günstigen Position zurück. Bei dem Ersteigen der
Höhen gab es die größten Verluste. Nur wenige gefangene Türken
blieben in den Händen der Russen, jedoch mußten die' Russen
manchen Schwerverwundeten in den Händen der Türken lassen;
auch 'mag bei dem Zurückgehen mancher Verwundete in die
Hände der Ungläubigen gerathen sein. Es ist noch nicht möglich
den Gang des Gefechtes näher anzugeben als ich es eben gethan.
Das große Gefecht war ohne obere Leitung, die Regimenter
handelten selbständig und zu schnell, an den Sieg ihrer Waffen
durch die vorhergegangenen Begebenheiten gewöhnt, glaubend die
Bravour des Soldateu allem sei maßgebend.
Wichtiger noch als eine gewonnene Schlacht ist für die Türkei
die in mehreren Telegrammen gemeldete Rückbe rufung Mi-
dhat-Paschas. Ueber die Bedeutung dieses letzten Helfers in
der türkischen Roth macht ein Berliner Eorrespondent d. A. A.
Zeitung sehr inte ress ante Mi t t he i lung en. Er schreibt:
„Samiel hilf!" muß Sultan Abdul Hamid gerufen haben als
er die Ordre zur Zurückberufung- des gestrengen Zuchtmeisters
unterfertigte. Denn so viel geht aus allem hervor was man in
und zwischen den^Zeilen, vor und hinter den Eoulisseu gehört
hat: was den Sultan an Midhat Pascha genirte, war nicht
die. Verfassung, nicht die in ihr eingeschaltem Znmuthung künf
tig blos den Punkt über das I zu setzen, sondern, die Ordnung
welche der Großwessier in die Staats- und die Palast-Finanzen
einführen wollte. Beide Finanzen waren bis dahin in erwünsch-
tem Gleichgewicht gewesen; hatte der Staat noch Geld, so ver-
breitete sich bieg in die Canäle des Palastes; ja es soll sogar
vorgekommen sein daß man beide Reservoirs in eine schiefe Ebene
brachte, die Staatskasse oben, die Palastkasse unten, so daß der
Staat oft nur spärlich tröpfelte, wenn der Palast schwamm.
Diese bequenn Finanzlage des Sultans gedachte Midhat Pascha
etwas unbequemer zu machen; er befahl dem Finanzminister nicht
ohne Gegenzeichnung zu zahlen, und die Gegenzeichnung bedeutet
eine regelmäßige Civilliste. Eine solche Regelmäßigkeit ist aber
für einen Sultan, der obendrein Chalife ist, das deukbar Ent-
setzlichste; alle andern Privilegien mag er leichter verschmerzen
als dieses goldene. Da trat nun Mamnd Damat Pascha, der
so etwas kennt, an den großherrlichen Schwager heran und sagte
ihm: die auswärtige Politik mag so weiter gehen, Savfet Pa-
scha im Amte bleiben; der Krieg von Abdul Kerim und Achmet
Mnkthar geführt werden; die Verfassung und die Nationalver
sammlung in Allahs Namen fortfungieren, das wird uns nicht
beißen. Aber du mußt Geld haben, so lang noch eine Lira vor-
Händen ist. Du brauchst keinen Rathgeber der dir vorschreibt was
du ausgeben darfst; du bist nicht nur von Gottes, sondern auch
von des Propheten Gnade. Schick' den Midhat fort, ich be
sorge dir die Sache. — Und so geschahs. Die Russen lachten
sich ins Fäustchen. Die Finanzen gingen — zum Henker, aber
die übrigen Dinge gingen gar nicht. Die Verfassung kreischte
in den Angeln; Savfet Pascha schrieb gute Noten, aber Edhem
schützte sich nicht mit dem Gewicht einer großen Autorität. Mu-
khtar Pascha besann sich in Armenien eines Bessern, aber Ab-
dul Kerim that nichts als sich besinnen. Die türkische Jugend,
namentlich in Konstantinopel, murrte unaufhörlich; die Revolu-
tion wogte dumpf um den Sultan - Palast herum. Die Russen
gingen über den Balkan, bedrohten Philippopel — das Ende
der Dinge kündigte sich an. Da seufzte Sultan Abdul Hamid:
„Samiel hilf!"
Aus Bukarest, 28. Juli, gehen dem „Pester Lloyd" fol-
gende (mittelst Estafette nach Kronstadt beförderte) telegraphische
Nachrichten zu: Die gesammte türkische Bevölkerung von Kirto*
zabene und Krißmiö, zumeist Greise, Frauen und Kinder, welche
bei Ankunft der Russen in die Wälder geflüchtet, wurde durch
russische reguläre Truppen sammt und sonders niedergemetzelt.
Die bulgarische Armee laborirt an enormen Verpflegsmängeln in
Folge der ungenügenden Transportmittel. — Die russische Do-
brudscha-Armee geht in Eilmärschen en masse gegen Westen,
die Vereinigung mit dem bei Sistowa stehenden Centrum an-
strebend. Gleichzeitig ist man bemüht Silistria zu umfassen.
Die Türken vollziehen Diversionen von Rasgrad aus, Sulei-
mans Armee marschirt nach dem Schipka-Passe.
Aus England gelangen bedeutungsvolle Nachrichten von -
fortwährenden Truppensendnngeu nach Malta-Gilbraltar. Die
englische Regierung sagt zwar, daß diese Truppen blos zur Ver-
stärkung und Befestigung von Malta-Gibraltar bestimmt seien;
doch scheint es außer Zweifel zu liegen, daß man dieselben im
gegebenen Falle gegen Rußland nahe zur Hand haben möchte.
Wenn nicht alle Anzeichen trügen, so wird England warten bis
.Oesterreich ans seiner Zuschauerrolle heraustritt! die Gemein-
samkeit des Handelns beider Staaten gegen Rußland ergibt
sich' durch die gegenwärtige Lage der Dinge von selbst. Ein rück-
sichtsloses Vorgehen Rußlands werde ebensowohl die Lebensin-
teressen Englands als auch Oesterreichs in gleichem Maaße ver-
letzen. Zuverläßige Wiener Nachrichten melden übrigens als
zweifellos, daß nächstens die ersten Schritte Oesterreichs zu er-
warten seien.
Neueste Nachrichten.
Wie», 31. Juli. Der Ministerrath stimmte den Anträge»
Andrassy's in Betreff der eventuellen Trnppenaufstelluug an den
Gränzen zu und überließ seinem Ermessen die Wahl des Zeit-
Punktes für die Ausführung.
Salzburg, 31. Juli. Es ist eine Erklärung Oesterreichs
an den russischen Reichskanzler, Fürsten Gortschakoff, abgegangen,
des Inhalts, daß durch die Theiluahme Rumäniens an den
Operationen und durch die Einführung der russischen Admini-
stration in Bulgarien, als ob dieses, eine russische Provinz
bleiben sollte, die Reichstadter Abmachungen verletzt und Oester-
reichs Interesse bedroht seien Die Erklärung fordert bindende
Bürgschaften im Sinne jener Abmachungen; im Weigerungs-
fall würde sich Oesterreich seiner Verpflichtungen für entbunden
erachten.
Verschiedenes.
* Graubünden. Ein hübsches Vorkommniß, vom „Bund-
ner Tagblatt" mitgetheilt, wird auch unsere Leser interesstreu.
Jüngst fuhr im schönen Engadin ein Bauer mit seinem Wagen
Holz und er hatte das Unglück, an dem einen Rade unbemerkt
den Vorstecknagel zu verlieren, wodurch das Rad nach einiger
Zeit von der Achse sich loslöste und der Wagen umkippte. Der
Bauer befand sich in fataler Verlegenheit, er war mit seinem
Wagen alleinu ud konnte sich .unmöglich selbst helfen. In dieser
schlimmen Lage nahte endlich Hülfe durch zwei des Weges daher