116
tritt der Geschwornen elf Tage nach dem Ereignisse. Bor ihnen
stand Henri Perreau, jener Mann, der allein Aufschluß geben
konnte; er stand vor ihnen sicher mit derselben Ruhe, mit der-
selben Kaltblütigkeit, mit der er heute vor Ihnen steht. Er
gab den Geschwornen die Ausschlüsse, die Sie kennen, meine
Herren, und er bekräftigte seine Angaben mit einem Eide. Er
erzählte, er habe seiner Schwiegermutter auf ihr Verlangen
den Mechanismus des Revolvers gezeigt und auf die Frage,
»ie er geladen werde, den Hahn geöffnet und eine Ladung
hineingesteckt. Run habe ihm die Frau den Revolver aus der
Hand genommen, den Hahn gespannt und den Drücker vier-
diS fünfmal angezogen. Dann habe sie ihm die Masse mit
ihrer linken Hand, die Mündung gegen sich gerichtet, zurück-
gegeben uud in dem Momente, als er den Griff in die Hand
Jenommen, sei der Revolver losgegangen und die Ladung der
irau in die Schläfe gedrungen. Finden Sie die Angaben
Perreau'S glaublich, daß die bejahrte Frau plötzlich ihre Auf-
«erksamkeit von dem Briefe ablenkte und die Handhabung deS
Revolvers kennen lernen wollte? daß ihr Perreau gezeigt, wie
die Kammern gedreht, vor ihren eigenen Augen eine Ladung
hineingelegt, den Hebel geschloffen und ihr den geladenen Re-
volver in die Hand gegeben hat? Rehmen Sie wirklich an,,
daß die Frau die Waffe in die Hand genommen? Zu wachem
Zwecke? Halten Sie eS in der That für wahr, daß eine
Dame, Die mit Feuerwaffen nicht vertraut ist, ihre OWrliche
Scheu ablegt, vier- bis fünfmal den Hahn fcMnt tmd' dann
die Unvorsichtigkeit begeht, die Waffe mit der Mündung gegen
sich igekehrtj, zurückzustellen? Halten Hie eS, meine Herren
Geschwornen, für möglich, daß, wenn stch die Waffe im selben
Moment entladen haben sollte, daS tödtliche Blei zuWtz die
Schlafe der Unglücklichen treffen tonnte? Und daS ^cki Alles
Kt dem Zeiträume von 4-5 Minuten vorgefallen ~^ ~ ~
Vrigham müßte die Natur der Frauen abgelegt ^
Perreau die Wahrheit gesprochen! Aber auch die Th
die Sektion der Leiche feststellte, eS sei die Kugel von
»ach vom in den Kopf gedrungen, ist ein Beweis M M
Unwahrheit der Angaben Perreau'S. Schon damals ertlqMU
die Aerzte, daß das Geschoß nach der Stellung der Personetr
dveseRichtung nur in dem Falle genommen haben kann, wenn
did Frau im Augenblicke, als der Revolver losging, den Kopf
nach rechts gerichtet habe, während ste doch mit der linken
Hand den Revolver übergab. Ganz unglaublich i Der Ber-
handlungörichter, an die Unschuld Perreau'S glaubend, forderte
Vit große Jury «us, nicht zu viel Gewicht auf die Stellung
der Getödteten zu legen, nachdem kein Grund vorhanden sei,
Perreau des Meineides zu beschuldigen. DaS Berdikt lautete
auf zufälligen Tod, wobei die Geschwornen aussprachen, Per-
reau habe stch bei der Handhabung einer tödtttchen Waffe
große Rachlasstgkeit und Mangel an Borficht zu Schulden
kommen lassen. Ich will den Ausspruch der englischen Jury
nicht kritifiren, rufe Ihnen aber die Worte deS Detektiv-Kom-
»iffärS in Erinnerung, welcher, wäre nicht daS Berdikt ent
gegengestanden, eS für Pflicht gehalten hätte, eine Anklage we-
gen MordeS vorzubringen.
Der Verdacht der Ermordung der Frau vrigham wird
durch den grunlMen Ankauf des Revolvers, durch dessen
Ladung mit scharfe« Pattonen und durch die Richtung nur
verstärkt. Der Gewehrfabrikant Higham, alS Sachverständiger,
sagte, er glaube nicht, daß Frau Vrigham die Pistole abfeuern
konnte, wie Perreau eS beschrieben; der Sachverständige wollte
aber keinen Eid auf die Unmöglichkeit schwören, weßhalb der
Richter auf feine Aussage kün Gewicht legte. Auch die
SerichtSärzte bezweifelten die Möglichkeit eines Unfalls: viele
Freunde der Frau blieben überzeugt, daß ste ermordet wurde.
Was hätte Perreau zum Morde der Schwiegermutter veran-
lassen sollen? Perreau gab de« Untersuchungsrichter an,
dieser Tod konnte ihm nur schaden. Die Verwandten geben
aber den Aufschluß, daß die Schwiegermutter eS war, welche
das Vermögen in Händen hielt Die amtlichen Berichte
schildern PerreauS Gattin als schwachsinnig und deren Mutter
bildete daS Hinderniß für Perreau, um in den unbeschränkten
Genuß deS Vermögens zu gelangen. Glauben Sie nicht,
daß das Verdikt der Jury anders gelautet hätte? Durch das
Testament der Frau Elise Vrigham würde die Gattin Perreau
zur reichen Erbin. Dieser zog nach London und nahm den
Ramen Tourville an, wozu er keineswegs berechtigt gewesen.
Wenn Tourville den dringenden Wunsch seiner Frau vorschützt,
hiefür sein Werkzeug Turner als Zeugen aufrufend, so ist
doch gewiß, daß der Stammbaum der BrighamS nichts vom
Ramen Tourville enthält. Bielmehr sollte die Berufung auf
die Verstorbene diese RamenS-Umwandlung rechtfertigen, welche
erfolgte, und den Abenteurer Perreau, den mit dem schweren
Verdachte deS MordeS seiner Schwiegermutter belasteten Perrau,
zu entfernen und den Gentleman Tourville in die Welt ein-
zuführen.
Durch den Tod seiner Gattin gelangte Tourville in den
Besitz einer JahreSrente von 2000 Pfund Sterling, während
sein Kind Universalerbe wurde. Wenige Monate später trat
ein Ereigniß ein, welches erst im Laufe der Verhandlung ein
neues, höchst wichtiges Material zur Beleuchtung deS Charak-
terS deS Angeklagten darbot. Im November 1871 fand der
Briefträger Peckham bei seiner Heimkehr Feuer im Hause, rief
nach Hilfe und wollte in'S Stockwerk eilen, um daß Kind
TourvilleS zu retten, wurde aber von diesem zurückgehalten,
der selbst gehen wollte. Tourville kam nicht zurück; ein
Detektive ging hinauf, fand Tourville auf einem Sessel im
brennenden Zimmer und daS Kind im Bette dem Tode nahe.
Der Wachmann rettete daS Kind. Die Aussage TourvilleS,
daß er daS Kind mit Lebensgefahr zum Fenster hinausgehalten,
wird durch den Zeugen Clarke dementirt, welcher Tourville als
Brandleger bezeichnet und als Motiv der That angibt: „Er
wollte sein Kind verbrennen."
Die Herren Geschwornen werden sich ihr Urtbeil darüber
bilden, waS sie von der Aftaire dieses BrandeS zu halten
DO«. Einige Jahre später heirathet Tourville seine zweite
Madeline Miller, welcher er verschweigt, daß er einen
hat — eine Herzlosigkeit, die einzig dasteht, ^r schickt
in die Fremde und kaum hat er die zweite Frau
so will er auch schon den Inhalt ihreS Testamentes
stch ihr Vertrauen zu erwerben, vermacht er ihr
i, daS bekanntlich sehr problematisch ist.
(Schluß folgt.)
Vera«t»w«Mcher Redakteur «.Herausgeber: Dr. Rudolf Schädler.
wmmmmasBsmmsmmsBBBSBssssssssassBssssssBm
Thermometerstand nach Reaunmr in Vaduz.
Monat
Morgens
7 Uhr
Mittags
12 Uhr
Abends
6 Uhr
Witter ung.
Juli 11.
+ 10
-f- 18
+ 18
hell
* 12.
+13
+ 21
+ tS
halb hell
» 13.
+15
+ 18-/2
+ t6-/,
» (f
. 14.
+ 15
+ 20
4> 15
n h
, 15.
+ 17
+ «k
trüb; Reg.
. 16.
+10
+ 17
+ 12
fast trüb; Reg.
, 17.
+ 9
+ i7
+ <1
halb hell; Ab.Rg.
Telegrafischer Kursbericht vo» Wien»
19. "Juli Silber .109 50
20-Frankenstück . . .... 9.94 %
100 ReichS-Mark 61.35
London 124.85
Druck vo« Heinrich Grass in Eeldkirch.