Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1877)

schlägige Artikel sich zu Dank verbunden fühlen! Durch daS 
Schulgesetz sind ein LandeSschulrath, Gemeinde-Schulräthe in 
Thätigkeit berufen. Die Schullehrer haben ihre regelmäßigen 
Konferenzen, Besprechungen, Berathungen über Schulgegeu« 
stände und ErziehungSfächer, ebenso die ehrwürdigen Schul- 
schwestern. Jährlich werden öffentliche SchulprüfungeR abge- 
halten; die Stuljugend hat über Leistungen und Fortschritt 
Rechenschaft zu geben, und die Lehrer selber dabei über ihre 
Thätigkeit und Fähigkeit sich auszuweisen. ES dürfte wohl 
zeitgemäß sein, über diese Branchen oder Kultur-Zweige deö 
Schul- und ErziehungSwesenS das Volk aufzuklären, den HauS- 
vätern dadurch mehr Interesse für die Schule und Erziehung 
einzuimpfen — und sie aufmuntern auch zu Haufe mit 
der Schule Hand in Haxd zu gehen, die Kinder zur Rein- 
lichkeit, Fleiß und Liebe an der Schule und Lehrer u. f. w. 
anzuhalten. So eine recht faßliche Parallele oder Vergleichung 
der Volksschule mit der Baumschule wäre gewiß sehr lehr- 
reich! ~ Aber auch Hinweise auf allfällige Uebelstände, Fragen 
und Wünsche in dieser Richtung wären sicher minder staatS« 
gefährlich als politischdumme Streiche. DaS Volksschulwesen 
ist überall ein Gemeingut, kein Monopol wie Schnupf- und 
Rauchtabak und Schießpulver. Durch öffentliche Besprechung, 
Belehrung und Mahnungen dürfte daS Schul- und ErziehungS« 
Wesen beim vernünftigen Bürger nur beliebter gemacht werden" 
ES wäre demnach reichlicher Stoff geboten zu sehr nützlichen 
Arbeiten und Artikeln in diese „Wochenzeitung". Also frisch 
daran! — 
Ausland. 
Oesterreich. Im ungarischen Abgeordnetenhaus hat der 
Ministerpräsident T i s z a die österreichische Politik in der 
Orientfrage in trefflicher Weise beleuchtet. Derselbe bemertke 
im Verlaufe seiner Rede, nach Zurückweisung und Wider- 
legung mehrerer früherer Angriffe auf die äußere Politik Oester- 
reich-UngarnS: „Wir besitzen eine vollkommen ausgerüstete, 
schlagfertige Armee und können gerade deßwegen viel ruhiger 
allen Ereignissen entgegensehen, als wenn wir sie erst jetzt auf 
die entsprechende Stärke bringen müßten " Der Redner betoyte 
ferner: die österr. auswärtige Politik bestehe nur darin den 
Frieden zu wahren, und, wenn dies unmöglich fei, den Ifneg 
zu lokalisiren und daS gute Verhältniß mit den übrigen euro- 
päischen Mächten zu erhalten, auf alle Fälle aber der Monarchie 
die AktionSfreiheit zu bewahren, damit wir unter allen Ver- 
Hältnissen solche Gestaltungen verhindern können, welche mit 
den Lebensinteressen der Monarchie kollidiren. Tisza sprach 
daS Vertrauen der Regierung auf die Erba'tung der freund- 
schaftlichen Beziehungen zu den andern Mächten auS mit denen 
jedoch keinerlei Bündniß oder Verpflichtung bezüglich dessen 
besteht, waS Oesterreich-Ungarn zur Wahrung seiner Interessen 
thun werde, da wir die Freiheit unserer Entschließungen in 
vollem Maße besitzen. Bezüglich künftiger, heute noch unbe- 
rechenbarer Ereignisse eine Erklärung abzugeben, sei aber heut 
unmöglich. Zm Ministerrathe, welchem der Redner in Wien 
beigewohnt habe, sei weder von der Besetzung irgend einer 
Provinz noch von den Details irgendwelcher Mobilisirung die 
Rede gewesen. Der Redner versichert, daß Beschlüsse in dieser 
Angelegenheit bisher überhaupt nicht gefaßt worden seieu; 
außerdem denke an entscheidender Stelle Niemand daran auf 
Vergrößerung der öfterret'chisch-ungarischen Besitz- und Macht- 
Verhältnisse an den Dränzen deS Reiches hinzuarbeiten. Ein 
Versprechen abzulegen, daß die Armee nicht an dem einen oder 
dem andern Punkt die Gränze überschreiten werde, sei aller- 
dingS unmöglich; wenn es die Notwendigkeit erfordern sollte, 
so werden alle Völker der Monarchie in einmüthiger Hin- 
gebung auf den Ruf des Fürsten antworten. 
Rußland. Ein seit einigen Tagen in den russischem 
Kreisen in Paris zirkulirendeS Schreiben des Fürsten Gortscha» 
koff besagt, daß Rußland die erste Hälfte der orientalischen 
Frage gelöSt habe, da eS England mittheilte, eS hege keines- 
wegS die Absicht, Ostindien über Turkeftan oder Egypten zu 
bedrohen. DaS Schreiben schließt folgendermaßen: „Wir 
(Rußland) haben Alles gechan, um Oesterreich und England 
zu beruhigen. Aber wir werden keinen Schritt mehr zurück- 
weichen, denn unter dem Druck der öffentlichen Meinung in 
Rußland sowohl alS in den übrigen slavischen Ländern müssen 
wir offen und entschlossen die slavische Frage aufstellen. DieS 
werden wir in einer Proklamation tbun, welche wir nach 
vollendetem Uebergang über die Donau an die Bulgare! 
richten werden." 
Ein Schreiben aus Plojeschti meldet, daß der russische 
KriegSrath der Südarmee beschlossen habe: 1) Nach der Ein 
nahme von Rustschuk und der Überschreitung der Donau sich 
ger ganzen Bulgare! zu bemächtigen und in Tirnowa unter 
dem Fürsten Tscherkassy eine provisorische Regierung zu er- 
richten. 2) Alle Verbindungen zwischen Widdin und Varna 
einerseits und der türkischen Armee deS Balkans andererseits 
abzuschneiden und Alles aufzubieten, um sich SchumlaS und 
VarnaS zu bemächtigen, um so Herr der Dobrudscha und der 
Bulgarei zu werden und ohne Gefahr nach Adrianopel mar- 
schiren zu können. Man glaubt dort, daß die Russen bereits 
Siftowa besetzt haben. 
General Tschernajeff hat nach Paris geschrieben, daß er 
nie daS Kommando über die serbische Armee mit General 
Leschjanin annehmen werde, auf den er kein Vertrauen setzt. 
Außerdem will man in den Pariser russischen Kreisen wissen, 
daß man den Versuch aufgegeben habe, ein russisch,serbisches 
KorpS zu bilden. Man glaubt, daß vie Serben zu schlechte 
Soldaten sind. Die Generäle MassalSky und Sevituky, sowie 
der Generalstabschef der Süoarmee sprachen sich mit besonderer 
Entschlossenheit gegen dieses Projekt auS. Gegen eine selbst- 
ständige Parteiergreifung der Serben für Rußland bat man 
in Plojesti natürlich nichts einzuwenden. 
Türkei. Der Minister des Auswärtigen sandte am 24 
Juni den Vertretern der Pforte im Ausland ein Telegramm 
zu, worin derselbe auf Grund von Nachrichten die von der 
KaukasuS-Armee eingingen, von russischen Grausamkeiten gegen 
die Civilbevölkerung Kenntniß gibt, dieselben schildert un? am 
Schlüsse sagt: „Wir unterbreiten dem Unwillen und der Ver 
urteilung deS gesammten Europa die Verbrechen, welche mit 
kaltem Blut, und mit Ueberlegung von den Agenten einer 
Regierung befohlen wurden, die sich für die Verteidigerin der 
' Prinzipien der Civilisation gibt, und noch bei den in Bulgarien 
gegen den kaiserlichen Willen von der verzweifelten Bevölke- 
rung verübten Repressalien die öffentliche Meinung gegen unS 
zu erregen und unS im Lichte von Barbaren erf^einen zu 
lassen suchte. Niemals werden die kaiserliche Regierung und 
ihre loyalen Armeen sich solcher Verbrechen schuldig machen. 
Die Bevölkerungen werden die Prinzipien der Humanität und 
die Gesetze deS Krieges, die in solcher Weise vom Feinde deS 
Landes verletzt werden, streng respektiren." 
Vom Kriegsschauplätze. 
Der Donau -Uebergang der Russen ist eine 
Thatsache. Und zwar wurde derselbe eröffnet vermittelst 
der Seitendiversion von Galatz nach Matschin in die Dobrud- 
scha. Da die Brücke von Braila der Überschwemmung wegen 
noch nicht auf trockenes Ufer reicht, so setzten die Russen in 
Flößen und Barken nach Matschin über, zuerst nur 3000 Mann 
mit 8 Geschützen. Drüben standen 12—1600 Türken, welche
	        

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