Liechtensteinische
Vierter Jahrgang.
Vaduz, Freitag
Nr. 25.
den 23. Juni 1876.
Redaktion in Bad«, »der bei den betreffendin Postämtern. — Einrückungtgebühr für die »gespaltene Zeile s kr. —Briefe und Gelder
werden franco erbeten an die Redaktion in Vaduz. .
Vaterländisches.
(m) Bilder aus der vaterländischen Geschichte.
73. Die Fürsten von Liechtenstein.
Die Franzosen-Kriege.
(Fortsetzung.)
Die Landschaft Schellenberg hatte durch den Einfall der
Franzosen schrecklich gelitten. „In Bendern, Eschen und Mau-
ren, sagt Helbert, sah eS grausam aus, alles was von Werth
war, wurde geraubt oder zerstört, vier Landleute wurden er-
schössen und Viele verwundet." Wie eS die Franzosen getrie
ben, geht aus dem Berichte über das Schicksal der Statthal-
terei Bendern hervor. Dieselbe allein erlitt nach amtlicher
Schätzung ttnen Schaden von 8438 fl. 7 kr. — 50 Scheffel
Frucht 3 Pferde und die gesammte HauSeinrichtung wurde
weggenommen oder zerstört, daS HauS selbst vielfach beschädigt.
Den 3 Ordensgeistlichen wurden sogar ihre Kleider vom Leibe
gerissen, sie mußten Bauernkleider anziehen und fich in einer
Hütte verbergen, nachdem ste mehrmals Todesgefahr auSge-
standen. In der Kirche nahmen die Franzosen daS Ciborium
auö dem Tabernakel, schütteten die Hostien auS und nahmen
die Gefäße mit sich. Ebenso raubten sie die Kelche und den
Abtstab', welcher von St. Luzi nach Bendern geflüchtet und
beim Anrücken des Feindes in den Garten verscharrt wor-
den war.
Nach dem Abzüge der Franzosen besetzten die Oesterreicher
ihre Posten in unserer Landschaft wieder und erhielten immer
frischen Zuzug. Sie standen unter dem General Hotze. Nach
einem frühern vergeblichen Versuche wurde d. 14. Mai 1799
der Angriff auf die Luziensteig erneuert. Vorarlbergische Scharf-
schützen drangen aus dem Montafon über das Gebirg ins
Prätigau, durch die Alpe Lawena brachte man einige Feldstücke
auf Gerscha, auf der Landstraße und durch daS Wilsnerholz
drangen die Kaiserlichen vor, und ohne bedeutenden Verlust
war in kurzer Zeit der Paß in ihrer Gewalt. Dabei wurden
12,000 Franzosen gefangen genommen und die übrigen zogen
fich zurück nach Graubünddn und Ragaz. General Hotze
überschritt den 18. Mai den Rhein und zwei Abtheilungen
seiner Soldaten trieben die Franzosen bis Wallenstadt und ins
Toggenburg zurück.
Von Schaffhausen her war Erzherzog Karl ebenfalls bis
Zürich vorgedrungen. Auch die mit Oesterreich verbündeten
Russen drangen auf zwei Seiten in die Schweiz', Korsakow
löste den Erzherzog Karl bei Zürich ab und Suwarow kam
aus Italien, wo er stegreich gestritten, über den Gotthard.
Nun wandte sich das KriegSglück wieder auf die Seite der
Franzosen. Sie schlugen die Russen bei Zürich, besiegten und
tödteten Hotze bei SchäniS und verwehrten Suwarow sein Bor
rücken in die schweizerischen Thäler. Dieser, nachdem er an
mehreren Orten vergeblich durchzudringen versucht hatte, kam
nach unbeschreiblichen Entbehrungen und Strapatzen mit seinen
Truppen über den Panixerpaß nach Graubünden. Die Kaiser-'
lichen zogen sich ebenfalls überall zurück und räumten" die
Schweiz den Franzosen, die nun wieder an unserer Grenze er-
schienen. Suwarow mit seinen Russen zog den 15. Oktober
durch das Liechtensteinische. „Einen unbeschreiblichen Hunger",
sagt Helbert, „ brachten die Russen aus der Schweiz, sie fielen
über alles her, aßen unreife Trauben, Türken und Obst. Auf
der Landstraße ging eS schrecklich her: Schuh und Kleider
nahmen sie den Leutyl ab dem Leib. Mit Kriegsfuhren unb
Militärleistungen hatten wir es seit dem Mai sehr streng, auch
kam eine Forderung von 7000 fl. zu einem FeftungSbau im
Reich. Die Kaiserlichen hatten wir wieder im Quartier und
man machte wieder Schanzen und Laufgräben.
Bad«;, den 20. Juni. Ueber die schon in der letzten
Nummer unseres Blattes kurz gemeldeten Verwüstungen, welche
in den Kantonen St. Gallen, Thurgau, Parau und Zürich in
Folge von kolossalen Überschwemmungen angerichtet wurden,
bringt der „Oberländer Anzeiger" folgende Einzelheiten:
Die Gewässer verlaufen sich — da und dort fliegt eine
Taube mit dem Oelblatt zu. DaS ist Gott sei Dank, der
Grundton der seit Freitag eingegangenen Post. Freilich kom
men erst jetzt die traurigen Detailberichte in Menge.
Im Thurthal, oberhalb Frauenfeld, dürfte sich nach der
„Thurgauer Ztg." der Schaden im Wesentlichen auf den mehr
oder weniger vollständigen Verlust der landwirthschastlichen
Sommernutzungen und die Beschädigung etlicher Fabrikanla-
gen beschränken — und daS verdankt man wesentlich der Kor-
rektion, indem dieselbe den eigentlichen Strom festhielt, während
das übertretende Wasser ohne reißende Strömung liegen blieb.
Die Ortschaften Horgenbach und Erzen Holz (im Bezirk
Frauenfeld) wurden mit einem ebenso schaurigen als großar-
tigen Schauspiel bedacht, wie man eS dort noch nie gesehen.
So großartig war eS, daß Alt und Jung ihr Leben lang eS
nie vergessen werden. Am Montag wurde die ganze große
Thalebene vom Turbett südlich nicht bloß bis Horgenbach und
Erzenholz, nein bis zu den Anhöhen bei Straß und Wald der
Tummelplatz deö zum wilden Strome angewachsenen Gewässers.
Da wälzte sich mit TageSgrauen von Osten her eine Wasser-
masse, immer mehr in die Breite fich ausdehnend, schnurstracks
Erzenholz zu, schritt sodann in und' bef dieser Ortschaft bis
weit hinauf über die Landstraße, um die ganze Ebene bis zu
den Ansteigungen bei Straß, jedenfalls eine halbe Stunde breit,
in ein einziges Strombett zu verwandeln. In Zeit von einer