Liechtensteinische
Vierter Jahrgang
Vaduz, Freitag
Nr. 19.
dm 12. Mai 1876-
Redaktion in Vaduz oder bei den betreffenden Postämtern. — EinrückungSgebühr für die sgefpaltene Zeile s kr. —Briefe und Gelder
«erden franco /rbeten an die Redaktion in Vaduz.
v
Vaterländisches.
(m) Bilder aus der vaterlandischen Geschichte.
69. Die Fürsten von Liechtenstein.
Die Franzosen-Kriege.
Konnten wir im letzten Artikel auf eine Reihe ruhiger und
friedlicher Jahre hinweisen, so müssen wir nun wieder schildern
wie die Fackel deö Krieges aufs Neue entbrannte und so heftig
wüthete, wie selten in früheren Zeiten. In Folge langer und
Unerhörter Mißregierung und durch die Lehren einer die ge«
offenbarte Religion bekämpfenden Philosophie wurden in Frank»
reich und anderwärts die Grundlagen des Staates untergra-
den. Diejenigen, welche berufen waren, bessere Zustände herbei
ztrführen, hatten dies vernachlässiget und so wurde eine ge
waltsame Umwälzung herbeigeführt, welche alle bisherige Ord-
nung in Frankreich unter den blutigsten Szenen umkehrte und
für ganz Europa nachtheilige Folgen halte. Schon beim Be-
ginn der französ. Revolution im Jahr 1789 hatte man in
Deutschland geahnt, daß die Entwicklung der Dinge zu einem
Kriege zwischen Deutschland und Frankreich führen müsse. ES
versammelten sich daher bereits im genannten Jahre die Stände
des schwäbischen Kreises um die Lage der Zeit zu erwägen
und im folgenden Jahre kam an Liechtenstein die Aufforderung
zur Stellung eines Kontingents. Liechtenstein stellte 15 Mann
zu Fuß und 2 zu Pferd. Sie kosteten mit Armirung und
Montur 2250 fl. Im Juli marschirten sie nach MeerSburg
und im November kamen fie nach Rastatt. — In Frankreich
entwickelten sich die Dinge schnell. Die Nationalversammlung
schaffte daS Feudalwesen, den Adel und die Klöster ab und
zog alle Kirchengüter ein. Von nun an folgten Veränderungen
Schlag auf Schlag. Die Ordnung löste sich auf, die Großen
entflohen, das Volk waffnete sich, die Linientruppen fielen ab
und vergeblich versuchte der König die Flucht. An die Stelle
der Nationalversammlung trat die gesetzgebende Versammlung
und bald darauf der Nationalkonvent. Daö Königthum wurde
abgeschafft und der gutmüthige aber schwache Ludwig XVI.
mußte den 22. Jan. 1793 das Blutgerüst besteigen. Nun
kam eS zum Kriege zwischen Frankreich und fast sämmtlichen
Mächten Europas. Allein diese waren theilS nicht hinreichend
gerüstet theilS geschwächt durch revolutionäre Elemente im ei-
genen Lande. Darum wechselte daS KriegSglück. Preußen
gab die Sache Deutschlands auf, sorgte für sich und schloß
1795 Frieden mit Frankreich. Kaiser Franz II. aber wollte
für daS Reich daö Aeußerste wagen und empfahl allgemeine
Volksbewaffnung. Deßhalb betrieb der schwäbische Kreiö die
Aufstellung von 40,000 Mann. In Liechtenstein wurden im
I. 1793 öffentliche Gebete für die Wohlfahrt deS hl. römischen
Reiches angeordnet. Gegen die Schweiz wurde im I. 1794
gesperrt und Wachen an die Landesgrenze aufgestellt. Für das
Kreiskontingent mußten weitere 8 Mann gestellt werden. Zu*
gleich sollte man nach Aufforderung deS schwäbischen KreiseS
die Landmiliz organisiren. Alle waffenfähige Mannschaft von
13—50 Jahren sollte aufgerufen, mit Waffen versehen und
eingeübt werden. Sobald die Sturmglocke das Zeichen gebe,
soll sich die Mannschaft auf ihren Sammelplätzen zum Auf-
bruch gerüstet einfinden. AlS diese Aufforderung nach Siechten-
stein kam, erregte sie große Bedenklichkeiten. Die Landammän-
ner wagten eS nicht die Sache dem Volke vorzutragen. Da-
gegen erließ das Oberamt ein Mandat an die Gemeinden, der
Aufforderung deS schwäbischen KreiseS nachzukommen. „Run"
erzählt Jakob Helbert, „wurde Rath gehalten in allen Ge
meinden über das schreckbare Edikt deS schwäbischen KreiseS
und sie waren verschiedener Meinung, einige
Gewalt widersetzen, andere aber gehorsam sein. M
(Fortsetzung folgt.) '
Ausland.
Aus Deutschland kommt die bedeutungsvolle Nachricht
einer demnächst bevorstehenden Zusammenkunft der ReichSkanz-
ler von Deutschland, Oesterreich und Rußland in Berlin. Der
Zweck derselben wird ohne Zweifel ein gegenseitiger MeinungS-
auStausch hinsichtlich der Dinge in den aufständischen türkischen
Provinzen sein.
Oesterreich. Nach langem und hartnäckigem Kampfe ist
der österreichisch-ungarische Ausgleich zwischen den beiderseitigen
Ministerien endlich zu Stande gekommen. Die wesentlichsten
Punkte der von den beiderseitigen Regierungen getroffenen
AuSgleichsvereinbarungen sind nach der „Polit. Corr." folgende:
1. DaS Zoll- und HandelSbündniß wird auf 10 Jahre (we
sentlich in der gegenwärtigen Fassung) erneuert; eine Kündi-
gung desselben vor dem neunten Jahr ist ausgeschlossen. 2.
In Ansehung deS allgemeinen Zolltarifs einigte man sich da-
hin: a) für einige Industrie-Artikel, insbesondere zum Schutze
der Textilindustrie, die Zollsätze in einem den wirklichen Be-
dürfnissen der Industrie entsprechenden Verhältniß zu erhöhen;
b) bei einigen Artikeln der landwirthschastlichen Produktion
theilS die bestehenden Zollsätze beizubehalten, theilS dieselben zu
erhöhende) den Ausfuhrzoll auf Hadern beizubehalten; 6)
auf eine Reihe von ConfumtionSartikeln, ins-
besondere Kaffee, Südfrüchte, Petroleum, Wein
und dergleichen, im Interesse der Vermehrung
der gemeinsamen Zolleinnähmen höhere Zoll-
s ä tz e z^u l e g e n. 3. In Betrest der VerzehrungSsteuer einigte
man sich dahin, daß die Verhandlungen über die nothwendige
Reform der bestehenden Gesetze über die Zucker» unv Brannt-
weinsteuer ehestens zum Abschluß gebracht, und daß hiebei den