Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

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worden war. Bei der Ceremonie, wie am Hofe zur Grätula, 
tion, erschienen die Vertreter der Mächte nicht. Bei dem heut 
abgehaltenen Volksfeste ließ sich der Fürst zu seiner Umgebung 
nicht ungeflissentlich laut in folgender Weise vernehmen: 
^Wenn die Türken unS angreifen, find wir stark genug sie 
zurückzuweisen."" Ueber die sonstige Situation ist nicht viel 
neues zu sagen. Der Fürst unterhandelt wieder mit Ristitsch, 
welcher mit Gruitsch die Bildung deS neuen KabinetS über- 
nehmen soll. Die Rüstungen sind keine Minute unterbrochen 
worden. In Toptschider werden die Kanonenparks zusammen- 
gestellt. Die Kavallerie wie die Artillerie sind bereits mit den 
nathigen Pferden versehen. Waffen langen in kleineren Par- 
tieft täglich an. 100,000 Tornister sind im Auslände bestellt 
worden. Die gesammte Miliz hält sich zum AuSmarsch 
reit ES wird behauptet, daß der AuSmarsch am 18. April 
beginnen solle und zwar unter der MaSke von an der Grenze 
abzuhaltenden Uebungen. Fürst Milan, welcher persönlich die 
längste Zeit allen kriegerischen Belleitäten abhold war, sängt 
nun selbst an martialische Gelüste zur Schau zu tragen." 
Türkei. Man scheint in Konstantinspel nicht müßig zu 
sein stch Serbien gegenüber vorzusehen. In Rustschuk wird 
der große Generalstab erwartet, der sich von da nach Nisch 
(Nissa) an die serbische Grenze begeben soll. Ueber die Zahl 
der bei Nisch ausmarschirten Truppen vernimmt die „Polit. 
Korresp." daß dieselbe bei 32.000 Mann betragen soll, die 
aber außerordentlich reich mit Artillerie versehen sind. Neue 
Transporte über Barna seien angesagt. Bon Topchane brachte 
man nach Schumla, Widdin :c. schweres Geschütz. Die Gar- 
nisonen find indessen überall sehr gering, da alle disponiblen 
Kräfte nach der serbischen Grenze geschickt werden. Diese 
Borkehrungen dürften doch wohl ihre Wirkung auf die blind- 
wüthigen Hitzköpfe in Belgrad.nicht ganz verfehlen. Ueber an- 
gebliche Differenzen zwischen, dem österreichifch-ungarifchey Ge- 
neral-Konsul in Belgrad, Fürst Wrede, und der dortigen Re- 
gierung sind nur vage Gerüchte im Umlauf. Ein Belgrader 
Berichterstatter deS „Hamburger Korrespondent" erzählt darüber 
folgendes: ES hatte danach sehr stürmische Auftritte in den 
MinisterrathSsitzungen gegeben. Zwei der Regierungsmitglieder 
verlangten, daß man, entfvrechend den immerhin beruhigenden 
Erklärungen deS Fürsten Milan, die KriegSrüstungen einstelle, 
und drohten im Nothfall selbst mit ihrem Rücktritt, indessen 
ohne Erfolg. Der Ministerpräsident Kaljewitsch drang inSbe- 
sondere darauf, daß man auf dem einmal betretenen Wege 
sortwandle, weil man ja doch nicht wisse, welche Wendung die 
Dinge auf der Balkan-Halbinsel noch nehmen könnten. So 
rüstet man denn wieder munter fort. Fürst Wrede hatte Er, 
klärungen über dieses sonderbare Betragen verlangt, aber man 
hatte sie ihm von Seite deS Ministerpräsidenten verweigert. 
Fürst Wrede hatte dann eine Audienz bei Milan erhalten und 
ziemlich unverblümt angedeutet, daß daS gegenwärtige Mini- 
sterium Serbien in den Augen deS Auslandes kompromitire, 
und daß die endliche Beruhigung nur dann eintreten könne, 
wenn der Fürst sich mit anderen und besonneneren Rathgebern 
umgebe. .Man versichert sogar, daß Fürst Wrede dem Für- 
sten rund heraus erklärt habe: eS mangle Herrn Kaljewitsch 
an allen und jeden Fähigkeiten; sogar daran soll er erinnert 
haben, daß Kaljewitsch vor 10 Jahren ein einfacher Kanzlist 
im Finanzministerium war und daß er wegen absoluter Un- 
Verwendbarkeit entlassen werden mußte. Fürst Milan ist die 
Antwort schuldig geblieben, oder er hat doch nur ausweichende 
Worte der Erwiderung gefunden. Ein Ministerwechsel in die- 
fem Augenblick — soll beiläufig der Sinn seiner Erklärung 
gewesen sein — würde daS Land in neue Verlegenheiten stur- 
zen und eine Verantwortung dieser Art könne der Fürst nicht 
auf stch nehmen." Soweit jener Brief dessen Inhalt wohl noch 
weitere Aufklärungen enthalten dürfte. — Wie die „Militär? 
Zeitung" berichtet, hat die Pforte neuerdings wieder 24 Ba 
taillone RchifS ausgehoben, zum größeren Theile auSdenkhin- 
astatischen Provinzen und den Inselgruppen deS Archipels. 
Diese Truppen konzentriren sich in Erzerum, Trapezunt, Bey- 
rut und Smyrna und werden dann nach den europäischen 
Provinzen übergeführt, wie die „Turquie" hinzufetzt, um die 
Division in Albanien zu verstärken und die Wiederherstellung 
der Ruhe in der Herzegowina zu fördern. Der „Bassiret" 
rechnet aus, daß die Zahl der seit dem Ausbruch deS Aufstau- 
deS mobiliiirten Truppen nicht weniger als 270,000 Mann 
betrage. Die in der Herzegowina beschäftigten KorpS sollen 
bereits 16 größere Kämpfe bestanden haben. 
Spanien. . König Alfonfo hat am 8. April die Austtel- 
lung der schönen Künste in Madrid eröffnet und bei diesem 
Anlaß folgende Rede gehalten: 
„Meine Herren! Ich empfinde eine lebhafte Befriedigung 
darüber zum erstenmal seit meiner Thronbesteigung der feier- 
lichen Eröffnung der Ausstellung der schönen Künste vorzustehen. 
Ich sehe zu meiner Freude, daß, trotz der traurigen und fchwie- 
rigen Verhältnisse, welche Spanien durchzumachen hatte, der 
Stand der Künste nicht gesunken ist. Ich finde mit Bergnü- 
gen selbst eine Art künstlerischer Wiedergeburt, welche mich für 
unsere jungen Künstler die günstigsten Ergebnisse und für un- 
ser Baterland eine glänzende Zukunft hoffen läßt, Dank diesen 
Wettkämpsen deS Geistes, welche unter uns die Bande der 
Eintracht enger knüpfen sollen. Ich gebe mich gern der 
Hoffnung hin, daß unsere Zeit nicht minder ruhmvoll sein 
werde als die Murillo'S, Michel Angelo'S, VelaSquez', Beru- 
quete'S und so viel anderen, welche sich in der so schwierigen 
Kunst, die wir heute feiern, so hoch erhoben haben. Ich mei 
nerseits bin entschlossen die Fortschritte der Kunst, mit allen 
Mitteln, die in meiner Macht stehen, zu ermuthigen, tief über- 
zeugt, daß dieselben in großem Maße zur Wohlfahrt und zum 
Ruhme Spaniens beitragen werden." 
Verschiedenes. 
* Ursprung der Trichinen. Der AmtS-Chirurg Erbe in 
Gotha will die wichtige Entdeckung gemacht haben, daß die 
Trichinen in Pfützen, sowie überhaupt in stehendem, in Fäul- 
niß übergegangenen Wasser ihre Entstehung finden und daß 
nur solche Thiere, die solches Wasser trinken, trichinös werden. 
Pferde und Rindvieh z B. trinken nie faulendes Wasser, 
daher zeigt ihr Fleisch auch diese gefährlichen Schmarotzer nicht. 
Erbe'S Untersuchungen haben wiederholt in Pfützenwasser Tri« 
chinen, nicht etwa nur Infusorien, entdeckt. 
* Verbesserung deS Kaffee'S durch Waschen. Hat man 
den Kaffee sorgfältig gereinigt, so- übergieße man ihn mit lau- 
warmem Wasser, wasche ihn darin und breite ihn zum Trock- 
nen auf einem leinenen Tuche auS. Wenn man auf diese 
Weise behandelten Kaffee nach dem Trocknen nicht zu stark 
brennt, so wird man finden, daß t Loth desselben kräftiger ist, 
alS {% ®o1h von nickt gewaschenen Bohnen. 
* Ein reicher Mann. Der Tod Alexander Stewarts, 
des reichsten ManneS in den Vereinigten Staaten, ist wenige 
Monate nach dem Ableben Hrn. AstorS, der neben ihm alS 
CrösuS der Union galt, zu New-Aork erfolgt. Welcher von 
den beiden auch der reichere gewesen ist ~ Stewarts Vermö 
gen wird auf 80 Millionen Dollars geschätzt — so viel bleibt 
sicher, daß Stewart als das größere Genie im Gelderwerb be- 
trachtet werden muj. Denn während Astor den Reichthum 
dreier Generationen repräsentirte, war Stewart ganz das, waS 
die Amerikaner einen „selkmsös man" nennen; er hatte mit 
wenigem, beinahe nichts, angefangen. Geboren wurde der 
ZOfache Millionär 1803 im Norden Irlands, war aber kein 
echter Ire, sondern ein Abkömmling dxr schottischen Colonie in 
Ulster, der Pflanzstätte der Orangisten. Er erhielt seine AuS- 
bildung an der Hochschule Irlands, dem Trnu'ty College zu 
Dublin, und als er im 21. Jahre nach New-Aork auSwan-
	        

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