Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

schiebung kam gestern vor dem 2 Kriegsgerichte Von Paris zur 
Verhandlung. Ein Grenadier der Garde Namens Chaplat 
war im Jahre 1861 desertirt, hatte sich jahrelang im Auslande 
herumgetrieben und wurde im Jahre 1869, da er (ich längst 
vergessen glaubte, im Norme-Departement erkannt, ergriffen und 
von den Gendarmen nach Auxerre geführt, von wo er mit der 
Eisenbahn nach HariS spedirt werden sollte. UnterwegS trifft er 
in Avallon im Gefangniß mit einem Landstreicher Namens 
Marbchal zusammen, klagt diesem untern bittern Thränen sein 
Leid, wie er eben im Begriff gewesen sich zu verheirathen, wie 
er nun auch ein braveS Mädchen inö Unglück bringe und der- 
gleichen mehr und überredet den gutmüthigen Vagabunden end- 
lich sich an seine Stelle zu setzen. Dem brod- und obdachlo- 
sen Tagediebe Marechal war nicht viel daran gelegen, zwei 
Jahre — denn mehr soll eS nach d5r Versicherung ChaplatS 
nicht absetzen — in den 4 Mauern einer Strafanstalt zu ver- 
bringen; zu dem eröffnete sich ihm nach der Versicherung seines 
SosiaS die Aussicht nach verbüßter Strafe in eine Diseiplinar- 
kompagnie nach Afrika geschickt zu werden, was auf seine 
Bummler-Phantasie einen besondern Reiz ausgeübt zu haben 
scheint; endlich war Chaplat in der Lage ihm nicht undedeu- 
tende pecuniare Vortheile anzubieten; 10 Francs auf die Hand, 
dann in Vermanton. wo die beiden in einem unbewachten Au- 
genblick ibre AgitimationSpapiere austauschen würden, nochmals 
baa»e 200 Fr., wozu endlich noch 1000 Fr. treten sollen, die 
für Chaplat, welcher seiner Zeit als Stellvertreter gedient hatte, 
als Prämie im KuegSministerium erlagen. So wurde man 
bald handelseinig. 
In Vrrmanton sagte Marechal zu den Gendarmen: er 
habe keine Papiere bei sich und möchte sich, >ehe er seine Hei- 
malh verlasse, gern mit einem Paß versehen. Da müssen Sie 
mit uns bis Auxerre kommen, sagten die arglosen Gendarmen, 
denn hier in ter kleinen Kreisstadt kann Ihnen niemand einen 
Paß ausstellen. DaS war eS gerade. waS die beiden wollten. 
Marechal steckte auf dem weiteren Marsche Chaplat seine Pa- 
Piere zu; die Gendarmen lieferten beide Individuen zusammen 
in Auxerre auS und als dort Chaplat aufgerufen wurde, trat 
Matechal für ihn, dann trat Cbaplat für Marechal vor. Cha« 
plat wurde bald wieder entlasten und Marechal an seiner 
Statt zu fünf Jahren Gefangniß verurtheilt. Das hohe 
Strafmaß mochte ihn nicht gerade angenehm überraschen; aber 
er blieb der einmal angenommenen Rolle treu, saß seine fünf 
Jahre geduldig ab und wurde dann in eine Strafcompagnie, 
jedoch nicht in Afrika, sondern in den Colonien, gesteckt 
DaS war gegen die Abrede und hier regte sich endlich in 
Marvchal daS Gefühl der gekränkten Menschenwürde. Bei 
der ersten Gelegenheit entwich er nach Neuseeland, kam aber 
auS Noth nach seinem Standort, Saint Pierre Miquelon zu- 
rück, wurde auf's neue gefaßt, nach Frankreich gebracht und 
in Brest zur Degradation und zu zehnjähriger Einschließung 
verurtheilt. Noch büßte er eine Weile diese rnue Strafe in 
Fontevrault, als.il m endlich die Geduld riß, und er in einem 
Brief an den KriegSminister die ganze Wahrheit an den Tag 
brachte Nun wurde wieder auf Chaplat gesahntet. Dieser 
hatte sich, nachdem er eine Weile in Belgien und in der 
Schweiz herumgewandert, in seinem heimatlichen Dorfe nieder- 
gelassen, verheirathet und lebte als glücklicher Schuster und 
Vater mehrerer Kinder, als er jetzt noch einmal vor daS 
Kriegsgericht gefortert wurde, um sich für seine Desertion von 
1861 zu verantworten. Er wird zu 3 Jahren Gefangniß 
verurtheilt, während Marschal dem Marineminister zur Ver- 
fügung gestellt wird, damit dieser die Annullirung deS Brester 
Erkenntnisses veranlasse. Der Vagabund von AvaUon hatte 
statt vierundzwanzig Stunden sechs Jahre im^Gefüngniß oder 
im Strafdienst geschmachtet. 
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: vr. Rudolf Schädler. 
Nichtamtliche Anzeigen. 
Steinbrecher» 
welche daS Brechen von Wuhrsteinen für die Gemeinde Vaduz 
auf ein oder mehrere Jahre in Akkord zu übernehmen wün- 
schen, sind eingeladen, die diesbezüglichen Bedingungen einzu- 
sehen unv verschlossene Angebote bis am 15. d. M. abzugeben 
bei 
A. Walch, 
Wuhrkommissär, Vaduz. 
Arbeiter-Gesuch. 
Bei Unterzeichnetem finden zwei tüchtige Maurer bei 
gutem Lohne dauernde Arbeit. 
Johann Rusch, Maurermeister, 
Hohlweg. Wartau. 
Kornpreise vom gruchtmarkt in Bregenz vom 31. März. 
Der halbe Metzen 
j beste 
mittlere 
geringe 

1 fr 
kr. 
fl. 
kr. 
fl. 
kr. 
j Korn ..... 
3 
40 
1 3 
15 
3 
05 
Roggen . . . . j 
2 
80 
1 2 
60 
2 
50 
Gerste 
2 
70 
2 
| 50 
2 
30 
Türken .... 
2 
80 
2 
50 
2 
20 
1 Hafer | 1 
70 
1 
60 
1 
50 
Thermometerstand nach Reanmnr in Vaduz. 
Monat 
Morgens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
AbendS 
6 Uhr 
Witterung. 
März 
29 
+ 8 
+ 12 
+ 8 
faß irüb 
n 
30. 
+ 6 
+li 
+ 9 
fast hell 
19 
31. 
+ 2 
+14 % 
+ 11 
hell; etw Föbnwd. 
April 
1 
4- 6% 
+ 14 
+10< A 
H # H 
u 
2. 
6 
+13 
+H 
halb bell 
w 
3 
+ 7% 
+13 
+10% 
bedeckt 
ff 
4. 
+ 8 
+12'/ 4 
+ii 
ff 
Telegrafischer Kursbericht von Wien. 
5. April Silber 102.40 
20-Frankenstücke 9 35 
Druck von Heinrich Graff in Felkirch.
	        

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