Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

Ausland. 
Deutschland. Aus Berlin vernimmt man, daß dort fast 
23,000 Arbeiter auS ihren bisherigen Stellungen entlassen sind, 
in der Borsig'schen Fabrik sind jetzt nur 700 — 800 Arbeiter 
beschäftigt, währenv die Zahl früher fast 2000 betrug Eben so 
ist dies bei den Fabriken der Hrn. Schwartzkopf und Wöhlert 
der Fall Es haben sich daher eine Anzahl namhafter Indu 
strieller an den Minister des Handels gewendet, ihm die Lage 
vorgestellt und den Wunsch ausgedrückt, es möchte die Regie- 
rung bei Vergebung von Eisenbahnbauten die heimische und 
besonders die Berliner Industrie berücksichtigen, sonst müßten 
noch weitere Entlassungen erfolgen. Der Minister erklärte, die 
Sache in Erwägung ziehen zu .wollen. 
Oesterreich. Die österreichischen Erzbischöfe, Bischöfe und 
Kapitel-Vikare, 34 an der Zahl, veröffentlichten unter dem 6. 
Februar eine umfangreiche Erklärung gegen daS neue Kloster- 
gesetz 
Ueber die Lage im Orient äußert sich ein Wiener Korre> 
spondent der A. A. Ztg. in sehr beruhigender Weise wie folgt: 
Angesichts der neuesten Telegramme aus Konstantinopel 
werden auch die letzten Zweifel, die man in der jüngsten Zeit 
an den Erfolg der Andrassy'schen Aktion in der Orientfrage 
knüpfte, rasch geschwunden sein. Die Iradö, mit welcher die 
in dem Entwürfe deö Grafen Andrassy enthaltenen Reformen 
vorbehaltlos gewahrt werden, wurde gestern vom Sultan un 
terzeichnet und wird demnach schon in den nächsten Tagen zur 
offiziellen Publikation gelangen. Damit ist die Reformation 
durch die Pforte selbst in erfreulicher Weise eingeleitet und man 
darf sich von ihr die beste praktische Wirkung versprechen, in- 
dem die Mächte damit die von ihnen gewünschte feierliche Form 
des Versprechens der Reformen besitzen und die insurgirten 
Provinzen dadurch eine doppelte Garantie für den Ernst der 
ganzen Aktion erhalten. Der Schwerpunkt der Frage ruht nun 
in den Entschließungen der Insurgenten, d. h jener Schaaren 
die sich tatsächlich gegen die Pforte im Felde befinden, und 
zwischen denen, wie der eingebornen Bevölkerung eine scharfe 
Scheidelinie gezogen werden muß. Die Mehrheit der Bevölke- 
rung wird die ihnen unter der moralischen Garantie Europa'S zu- 
gesagten und auch rasch in Angriff genommenen Reformen ge- 
wiß freudigst begrüßen Daran ist kaum zu zweifeln und ist 
erst das Mißtrauen, das man den Versprechungen der Pforte 
bisher entgegenzubringen genöthigt war, geschwunden, so wer- 
den sich die anderen Schwierigkeiten leichter beseitigen lassen. 
Die Lage der Insurgenten wird allgemein als trostlos geschil 
dert. Sind ihr erst durch den Eindruck der Reformen die 
Hülssquellen in den türkischen Provinzen entzogen, dann sind 
ihre Tage gezählt, da sie auf Hülfe aus dem Hinterlande nicht 
rechnen darf ES bedarf keiner allzu optimistischen Auffassung 
um' vorherzusehen, daß sich die Jnsurgentenschaaren, wenn sie 
nicht eine friedliche Heimkehr zu ihrem heimatlichen Herde 
vorziehen, unter dem Drucke der Verhältnisse allmählig verflüch 
tigen werden, und im schlimmsten Falle wird man vielleicht von 
Verzweiflungskämpfen einzelner Schaaren, von einer Jnsurgeti' 
teN'Armer aber kaum mehr etwas zu hören bekommen, sobald 
die Pforte mit der Einführung der Reformen einmal Ernst ge- 
macht hat. Die Allarmnachrichten von der unteren Donau und 
der Dumbovitza fallen politisch nicht so schwer ins Gewicht, 
als man dies publizistisch annehmen zu müssen glaubt. Schon 
mehr als einmal wollte man glauben machen, daß Serbien, 
Montenegro oder Rumänien auf dem Punkte stehen aktiv in 
die Ereignisse einzugreifen unv mehr als einmal haben die Er- 
eignisse die Vorhersagungen Lügen gestraft. ES wäre lächer- 
lich die in Serbien, wie in Rumänien herrschende Bewegung 
läugnen oder ignoriren zu wollen, und die Note des Grafen 
Andrassy hat deren Bestand in unzweideutiger Weise anerkannt, 
allein diese Strömungen rechnen mit Faktoren, die in demsel 
ben Augenblick, in welchem die Pforte ihre Hand zum Werke 
der friedlichen Pacifikation reicht, ihre Kraft verloren haben; 
schon heute fehlt e6 von hier auS nicht an eindringlichen War- 
nungen an jene oben erwähnten Elemente, und ein heut in der 
„Montagsrevue" vorliegender, an die Adresse Rumäniens ge- 
richteter Artikel, führt eine ernste eindringliche Sprache, die man 
in Bukarest sehr wohl verstehen wird. Auch an anderen Orten 
und von anderer Seite wird es an dieser gleichen ernsten 
Sprache nicht fehlen, welche „den festen Entschluß der Mächte, 
die Bewegung, die den ganzen Orient mit sich fortzureißen 
droht, zum Stillstand zu bringen," deutlich erkennen lassen 
wirk», 
Spanien. König Alsonso hat am 15. Febr. die EorteS 
mit einer Thronrede eröffnet Dieselbe besagt: Der übel be- 
»athene Prinz Don CarloS ist nunmehr zur Ohnmacht zurück- 
geführt und vermag nichts zu erreichen. Ich werde schleunigst 
die Reise nach dem Norden antreten, um zur Wiederherstellung 
des Friedens beizutragen Unsere Beziehungen zu den aus- 
wältigen Mächten sind freundschaftlicher Natur, auch die Ver- 
Handlungen mit vem Washingtoner Kabinet. Ebenso hoffe ich 
auf eine baldige befriedigende Lösung der Verhandlungen mit 
dem Vatikan. Die Regierung wird Ihnen eine Darlegung 
über die erheblich erschwerte Finanzlage geben. Der nahe be- 
vorstehende Friede allein kann Hülfsmittel schaffen. Ihr Pa 
triotismus wird daS Gleichgewicht im Budget herstellen und 
alle Gläubiger nach Möglichkeit befriedigen, ohne die Entwick 
ung der Hilfsquellen deS Landes zu versäumen. 
Nach dem Bürgerkrieg und der Finanzlage gelangte die 
Thronrede auf Euba. König Alsonso fuhr fort: Ehre und 
Recht sind bedroht, sogar gefährdet. ES wurde» 32,000 Mann 
nach Euba geschickt. Der verheerende Krieg hat indessen nicht 
die Befreiung von 76,000 Sklaven verhindert. Wir halten 
die Integrität Cuba's aufrecht, wie wir dem ganzen Reiche Eivili- 
sanon und Gerechtigkeit sichern. Ich erblicke hier Vertreter aller 
Völkerschaften. Bizcaya, Alava und fast gan, Navarra sind 
unterworfen. Der Earlismus ist in den steilen Bergen der 
Pyrenäen eingeschlossen, und der Ausstand auf Euba wird tag- 
lich unmächtiger. Meine kurze schwierige Regierung ist nicht 
ohne Nutzen für das öffentliche Wohl gewesen. Die Anstren- 
gungen Spaniens, seinen Platz in der Welt zu behaupten, be- 
weisen was eö thun wirb, wenn es seine Kräfte nicht mehr 
in unfruchtbaren Agitationen verschwenden muß. Der König 
schloß mit dem Ausdruck der Hoffnung, baß der Himmel Spa- 
nien bald den Lohn für feine schmerzlichen Opfer zutheil lassen 
werde. 
Vom spanischen Kriegsschauplätze melden die neuesten Te- 
legramme die Einnahme von Estella durch die Regierungstruppen, 
sowie mehrere bedeutende Niederlagen der Karlisten. 
Frankreich. Die Wahlen für die Nationalversammlung 
haben am 20. Februar stattgefunden. Die bis jetzt eingekauft- 
nen Wahlnachrichten melden übereinstimmend einen glänzenden 
Sieg der republikanischen Parteien. 
Belgien. Ein neues Verbrechen ä la Thomas. Ueber 
einen in Antwerpen gemachten verbrecherischen Versuch, ein 
Schiff in die Lust zu sprengen, berichtet die „Opinione d'Anverö", 
daß einer der Feuerleute bereits im Begriffe stand, auf einer 
Kohlenschaufel eines der Pulverpakete inS Feuer zu werfen, 
als er zufälligerweise den Gegenstand bemerkte, welcher auf der 
Schaufel lag. Er rief seine Kameraden, welche unter den 
Kohlen nachsuchten und noch sechs andere Pakete fanden, wo- 
von eines mit einer Lunte versehen war. Äas Schiff, auf 
welchem sich' dies ereignete, war zur Ueberfahrt nach Amerika 
bestimmt und hatte mit Einschluß der Bemannung 150 Per- 
sonen an Bord. . 
Serbien. Ueber die Wirkung, welche die neuesten diplo- 
matischen Ereignisse in Konstantinopel auf Serbien ausgeübt 
haben, geht der „Polit. Corresp." aus Belgrad ein Schreiben
	        

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