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sammengepackt und steht auf dem Sprung beim ersten Allarm
den Borangegangenen zu folgen. Man kann es ihnen nicht
verdenken, denn die älteren Bürger von Mogurelli werden Zeit
ihres Lebens nicht vergessen wie im Jahre 1854 eine starke
Bande von Bafchi Bozuks plötzlich über die Stadt herfiel und
tttit so entsetzlicher Grausamkeit wirthschastete, daß in unserer
Leit nur die Schauderscenen von Batak einen Begriff davon
-geben können. Aehnlich wie in Mogurelli, wenn auch weniger
allgemein, äußerte sich die Panik in den Donaustädten Olte-
nitza, Giurgewo und Braila, welche gleichfalls während des
letzten Kriegs seine Schrecken kennen lernten. Veranlassung
dazu gab die Nachricht, daß die Pforte der Bukarester Regie-
rung notifizirt habe: daß ste im Kriegsfall genöthigt sein werde
stevenweise auch daS linke Ufer der Donau zu besetzen, um
das rechte Ufer zu vertheidigen
Vergeblich bemühen sich die Organe der Regierung dem
eingerissenen Schrecken mit guten Gründen entgegenzutreten.
Man weiß wie eS bei solchen Gelegenheiten zugeht: die erste
Familie verläßt den Ort weil sie keinen zwingenden Grund
hat an demselben länger zu verweilen und sich für alle Fälle
bei Zeiten in Sicherheit bringen will. Die Beforgm'ß wirkt
ansteckend; bald sucht auch eine zweite Familie ihr Heil in
einem Abzug, der- noch nicht gerade Flucht genannt werden
kann; aber die dritte flieht schon weil sie die beiden ersten sür
geflohen hält; ihr folgt aus demselben Grunde die vierte und
bald hat die Panik die ganze Bevölkerung ergriffen. Zwar
heben die Journale mit Recht hervor, daß bis jetzt zwischen
Rumänien und der Pforte freundschaftliche Beziehungen be-
stehen und die Türken daS Völkerrecht und die Verträge achten
müßten; aber die Bevölkerung weiß sehr gut auf wie schwa
chen Füßen heute die guten Beziehungen, das Völkerrecht und
die Verträge stehen. Eine über Nacht gekommene Depesche
kann dieselben umstoßen. „ Romanul" sagt, daß die Regie-
rung Truppen zur Sicherung der Einwohner an die bedrohten
Orte an der Donau geschickt habe; aber damit vermehrt er
nur den Schrecken, denn wenn die Regierung Truppen schickt,
so muß doch Grund zu Befürchtungen vorhanden sein. Der
Soldat erfüllt seinen Berus, indem er dem Feinde mit bewaff
neter Hanv entgegentritt; aber der friedliche Bürger bringt sich
in Sicherheit, denn die platzende Granate, die sausende Boll-
kugel machen keinen Unterschied zwischen der Uniform und dem
Mvilrock und der Tscherkesse wie der Baschi-Bozuk auch nicht.
Auch die vom „Romanul" abgegebene Erklärung: daß die
rumänischen Truppen nicht an die Donau geschickt worden
seien um die Armee der Pforten-Regierung zu bekämpfen, von
deren freundschaftlicher und friedfertiger Gesinnung man über-
zeugt sei, sondern um etwmge indisciplinirte Banden abzuhalten,
die vielleicht auf eigene Hand einen Raubzug nach Rumänien
unternehmen könnten, sowie daß die Regierung eS jedenfalls
bekannt geben würde wenn den Einwohnern des Landes Ge-
fahr drohe, hat seine Wirkung verfehlt. DaS Mißtrauen ist
einmal zu tief eingerissen; obgleich ich für meinen Theil die
Richtigkeit der Gründe deS „Romanul" durchaus nicht bestrei
ten will. Die Pforte mag den besten Willen haben Frieden
zu halten und die Neutralität Rumäniens zu refpectiren; aber
die Erfahrung hat gezeigt, daß nicht alle Theile der türkischen
Armee disciplinirt sind. Tscherkeffen und Baschi-BozukS sind
für ihren Unterhalt häufig auf sich selbst angewiesen.
Bulgarien ist bereits ausgesaugt und entvölkert, und so mag
die Versuchung nahe liegen über Nacht einen Raubzug in daS
vergleichsweise reiche und gesegnete Rumänien zu machen. So-
lange wir daS weiche und warme Wetter behalten welches sich
feit Anfang Dezember eingestellt hat, ist die bezeichnete Gefahr
noch nicht so groß, denn die Wogen der Donau umgeben Ru-
mänien gegen die ganze Türkei mit ihrem breiten schützenden
Gürtel. Wenn aber daS Wetter, der Jahreszeit gemäß, um-
schlagen sollte, wenn die Wasser der Donau — wie noch in
jedem Winter mit seltenen Ausnahmen sich in einen Eis-
gürtel verwandeln sollten, so ist für ein türkisches Streifkorps
nichts leichter als einzelne rumänische Städte und Dörfer zu
überfallen, woran ste selbst von den rumänischen Truppen nicht
überall gehindert werden könnten, denn die Donau-Grenze ist
über 90 deutsche Meilen lang. Ist aber erst Blut geflossen,
ist nur ein einziges Dorf in Asche gelegt, so werden die Räu-
ber von rumänischen Soldaten vielleicht bis auf türkisches Ge-
biet verfolgt, dann ist der Ausbruch des Krieges kaum mehr'
zu hindern, ob nun die türkische Armee zuerst die Eisdecke der
Donau oder die russische Armee die deS Pruth überschreite«
möge. DaS Schlimmste dabei aber ist daß die Rolle der Tscher-
kessen oder Baschi-BozukS auch leicht auf höheren Befehl von
einer Bande jeneS aus aller Herren Ländern zusammengelau-
fenen Gesindels gespielt werden könnte welches in Serbien das
Land unsicher macht und daS Ehriftemhum vertheidigt. —
Nachschrift. Die Ueberführung deS Staatsarchivs, sowie ande-
rer wichtigen Dokumente, verschiedener Kostbarkeiten aus dem
Museum 3C. von hier nach Tirgovescht wird in aller Stille
bewerkstelligt. Die Fürstin Elisabeth bleibt natürlich hier bis
wirklich Gefahr im Verzug ist. Ihre Hoheit mit ihren Dame»
beschäftigt sich emsig mit der Zurichtung von Charpie und
Verbandzeug. Diesem Beispiel folgen auch viele andere rumä-
Nische Frauen und selbst die Kinder in den Mädchenschulen.
Verschiedenes.
* In Berlin haben sich zu 12 ausgeschriebenen, mit 3 Fr.
75 Rp. per Tag dotirten Kanzleistellen nicht weniger als
4000 Bewerber gemeldet, und der Andrang von arbeitsuchen-
den jungen Leuten aller Stände soll schließlich so groß gewesen
sein, daß Schutzleute die Ordnung aufrecht erhalten mußten.
* Eine wenig bekannte Merkwürdigkeit ist die, daß alle
Tage der Woche Ruhetage sind, je nachdem man daS eine
oder andere Volk herbeizieht: für die Christen der Sonntag,
für die Griechen der Montag, für die Perser der DienStag,
für die Assirer der Mittwoch, für die Egypter der Donnerstag,
für die Türken der Freitag und für die Juten der SamStag.
* Eine Demoiselle Donner, zweite Sängerin an der Oper
in Amsterdam, hat sich unlängst mit dem ersten Liebhaber, Hrn.
Eduard Wetter auS Wesel, verheirathet; sie nennt sich jetzt
Madame Donner-Wetter.
* Vor einiger Zeit ist in Dessau ein Mann an Petroleum-
Vergiftung gestorben. Derselbe hatte auf eine Schnittwunde
am Finger aus Versehen Petroleum gegossen; den beißenden
Schmerz , den ihm diese Uebergießung verursachte, achtete er
nicht, und erst, älS ihm Arm und Brust roth zu werden und
zu schwellen anfingen, konsultirte er den Arzt. Dieser konnte
nicht mehr helfen und der Unglückliche starb nach schweren Lei-
den an Blutvergiftung. Eine neue Mahnung zu Vorsicht mit
Petroleum !
* Der „Frikthaler" (Aargau) gibt dem Stadtrath von
Laufenburg folgenden Steuerplan, der auch für andere Ort-
schaften zu empfehlen wäre:
Besteuert die Verläumderzungen
Und schlechte Lügenmauler mit;
DaS höchste Ziel ist dann errungen,
Gedeckt wird jedes Defizit.
Fünf Rappen nur für jede Lüge
Urtd zehn für jede Klatscherei:
WaS solche Steuer wohl eintrüge?
Gewiß wir wären steuerfrei. —
* Baiern. Ein schauerliches Unglück ist aus Rothenstein
zu berichten: Schuhmacher Wellmüller machte im Wochenblatt
bekannt, daß ihm seine Frau schon vor Wochen entlaufen sei
und daß er dem, der ihm sichere Nachricht über ihren Aufent-