Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

199 
sammengepackt und steht auf dem Sprung beim ersten Allarm 
den Borangegangenen zu folgen. Man kann es ihnen nicht 
verdenken, denn die älteren Bürger von Mogurelli werden Zeit 
ihres Lebens nicht vergessen wie im Jahre 1854 eine starke 
Bande von Bafchi Bozuks plötzlich über die Stadt herfiel und 
tttit so entsetzlicher Grausamkeit wirthschastete, daß in unserer 
Leit nur die Schauderscenen von Batak einen Begriff davon 
-geben können. Aehnlich wie in Mogurelli, wenn auch weniger 
allgemein, äußerte sich die Panik in den Donaustädten Olte- 
nitza, Giurgewo und Braila, welche gleichfalls während des 
letzten Kriegs seine Schrecken kennen lernten. Veranlassung 
dazu gab die Nachricht, daß die Pforte der Bukarester Regie- 
rung notifizirt habe: daß ste im Kriegsfall genöthigt sein werde 
stevenweise auch daS linke Ufer der Donau zu besetzen, um 
das rechte Ufer zu vertheidigen 
Vergeblich bemühen sich die Organe der Regierung dem 
eingerissenen Schrecken mit guten Gründen entgegenzutreten. 
Man weiß wie eS bei solchen Gelegenheiten zugeht: die erste 
Familie verläßt den Ort weil sie keinen zwingenden Grund 
hat an demselben länger zu verweilen und sich für alle Fälle 
bei Zeiten in Sicherheit bringen will. Die Beforgm'ß wirkt 
ansteckend; bald sucht auch eine zweite Familie ihr Heil in 
einem Abzug, der- noch nicht gerade Flucht genannt werden 
kann; aber die dritte flieht schon weil sie die beiden ersten sür 
geflohen hält; ihr folgt aus demselben Grunde die vierte und 
bald hat die Panik die ganze Bevölkerung ergriffen. Zwar 
heben die Journale mit Recht hervor, daß bis jetzt zwischen 
Rumänien und der Pforte freundschaftliche Beziehungen be- 
stehen und die Türken daS Völkerrecht und die Verträge achten 
müßten; aber die Bevölkerung weiß sehr gut auf wie schwa 
chen Füßen heute die guten Beziehungen, das Völkerrecht und 
die Verträge stehen. Eine über Nacht gekommene Depesche 
kann dieselben umstoßen. „ Romanul" sagt, daß die Regie- 
rung Truppen zur Sicherung der Einwohner an die bedrohten 
Orte an der Donau geschickt habe; aber damit vermehrt er 
nur den Schrecken, denn wenn die Regierung Truppen schickt, 
so muß doch Grund zu Befürchtungen vorhanden sein. Der 
Soldat erfüllt seinen Berus, indem er dem Feinde mit bewaff 
neter Hanv entgegentritt; aber der friedliche Bürger bringt sich 
in Sicherheit, denn die platzende Granate, die sausende Boll- 
kugel machen keinen Unterschied zwischen der Uniform und dem 
Mvilrock und der Tscherkesse wie der Baschi-Bozuk auch nicht. 
Auch die vom „Romanul" abgegebene Erklärung: daß die 
rumänischen Truppen nicht an die Donau geschickt worden 
seien um die Armee der Pforten-Regierung zu bekämpfen, von 
deren freundschaftlicher und friedfertiger Gesinnung man über- 
zeugt sei, sondern um etwmge indisciplinirte Banden abzuhalten, 
die vielleicht auf eigene Hand einen Raubzug nach Rumänien 
unternehmen könnten, sowie daß die Regierung eS jedenfalls 
bekannt geben würde wenn den Einwohnern des Landes Ge- 
fahr drohe, hat seine Wirkung verfehlt. DaS Mißtrauen ist 
einmal zu tief eingerissen; obgleich ich für meinen Theil die 
Richtigkeit der Gründe deS „Romanul" durchaus nicht bestrei 
ten will. Die Pforte mag den besten Willen haben Frieden 
zu halten und die Neutralität Rumäniens zu refpectiren; aber 
die Erfahrung hat gezeigt, daß nicht alle Theile der türkischen 
Armee disciplinirt sind. Tscherkeffen und Baschi-BozukS sind 
für ihren Unterhalt häufig auf sich selbst angewiesen. 
Bulgarien ist bereits ausgesaugt und entvölkert, und so mag 
die Versuchung nahe liegen über Nacht einen Raubzug in daS 
vergleichsweise reiche und gesegnete Rumänien zu machen. So- 
lange wir daS weiche und warme Wetter behalten welches sich 
feit Anfang Dezember eingestellt hat, ist die bezeichnete Gefahr 
noch nicht so groß, denn die Wogen der Donau umgeben Ru- 
mänien gegen die ganze Türkei mit ihrem breiten schützenden 
Gürtel. Wenn aber daS Wetter, der Jahreszeit gemäß, um- 
schlagen sollte, wenn die Wasser der Donau — wie noch in 
jedem Winter mit seltenen Ausnahmen sich in einen Eis- 
gürtel verwandeln sollten, so ist für ein türkisches Streifkorps 
nichts leichter als einzelne rumänische Städte und Dörfer zu 
überfallen, woran ste selbst von den rumänischen Truppen nicht 
überall gehindert werden könnten, denn die Donau-Grenze ist 
über 90 deutsche Meilen lang. Ist aber erst Blut geflossen, 
ist nur ein einziges Dorf in Asche gelegt, so werden die Räu- 
ber von rumänischen Soldaten vielleicht bis auf türkisches Ge- 
biet verfolgt, dann ist der Ausbruch des Krieges kaum mehr' 
zu hindern, ob nun die türkische Armee zuerst die Eisdecke der 
Donau oder die russische Armee die deS Pruth überschreite« 
möge. DaS Schlimmste dabei aber ist daß die Rolle der Tscher- 
kessen oder Baschi-BozukS auch leicht auf höheren Befehl von 
einer Bande jeneS aus aller Herren Ländern zusammengelau- 
fenen Gesindels gespielt werden könnte welches in Serbien das 
Land unsicher macht und daS Ehriftemhum vertheidigt. — 
Nachschrift. Die Ueberführung deS Staatsarchivs, sowie ande- 
rer wichtigen Dokumente, verschiedener Kostbarkeiten aus dem 
Museum 3C. von hier nach Tirgovescht wird in aller Stille 
bewerkstelligt. Die Fürstin Elisabeth bleibt natürlich hier bis 
wirklich Gefahr im Verzug ist. Ihre Hoheit mit ihren Dame» 
beschäftigt sich emsig mit der Zurichtung von Charpie und 
Verbandzeug. Diesem Beispiel folgen auch viele andere rumä- 
Nische Frauen und selbst die Kinder in den Mädchenschulen. 
Verschiedenes. 
* In Berlin haben sich zu 12 ausgeschriebenen, mit 3 Fr. 
75 Rp. per Tag dotirten Kanzleistellen nicht weniger als 
4000 Bewerber gemeldet, und der Andrang von arbeitsuchen- 
den jungen Leuten aller Stände soll schließlich so groß gewesen 
sein, daß Schutzleute die Ordnung aufrecht erhalten mußten. 
* Eine wenig bekannte Merkwürdigkeit ist die, daß alle 
Tage der Woche Ruhetage sind, je nachdem man daS eine 
oder andere Volk herbeizieht: für die Christen der Sonntag, 
für die Griechen der Montag, für die Perser der DienStag, 
für die Assirer der Mittwoch, für die Egypter der Donnerstag, 
für die Türken der Freitag und für die Juten der SamStag. 
* Eine Demoiselle Donner, zweite Sängerin an der Oper 
in Amsterdam, hat sich unlängst mit dem ersten Liebhaber, Hrn. 
Eduard Wetter auS Wesel, verheirathet; sie nennt sich jetzt 
Madame Donner-Wetter. 
* Vor einiger Zeit ist in Dessau ein Mann an Petroleum- 
Vergiftung gestorben. Derselbe hatte auf eine Schnittwunde 
am Finger aus Versehen Petroleum gegossen; den beißenden 
Schmerz , den ihm diese Uebergießung verursachte, achtete er 
nicht, und erst, älS ihm Arm und Brust roth zu werden und 
zu schwellen anfingen, konsultirte er den Arzt. Dieser konnte 
nicht mehr helfen und der Unglückliche starb nach schweren Lei- 
den an Blutvergiftung. Eine neue Mahnung zu Vorsicht mit 
Petroleum ! 
* Der „Frikthaler" (Aargau) gibt dem Stadtrath von 
Laufenburg folgenden Steuerplan, der auch für andere Ort- 
schaften zu empfehlen wäre: 
Besteuert die Verläumderzungen 
Und schlechte Lügenmauler mit; 
DaS höchste Ziel ist dann errungen, 
Gedeckt wird jedes Defizit. 
Fünf Rappen nur für jede Lüge 
Urtd zehn für jede Klatscherei: 
WaS solche Steuer wohl eintrüge? 
Gewiß wir wären steuerfrei. — 
* Baiern. Ein schauerliches Unglück ist aus Rothenstein 
zu berichten: Schuhmacher Wellmüller machte im Wochenblatt 
bekannt, daß ihm seine Frau schon vor Wochen entlaufen sei 
und daß er dem, der ihm sichere Nachricht über ihren Aufent-
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.