Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

Vierter Jahrgang 
Freitag 
Nr. 00. 
den 15. Dezember 1876 
Redaktion in Vaduz oder bei den betreffenden Postämtern. — Einrückungsgebühr für die Zgespaltene Zeile 5 kr. —Briefe und Gelder 
werden franco erbeten an die Redaktion in Vaduz. 
Vaterländisches. 
13. Dez. Herr LandeSverweser von Hausen ist 
letzter Tage von Wien wieder zurückgekehrt. Die Eröffnung 
deS Landtages ist nunmehr auf Freitag den 15. Dez. festge 
setzt worden. 
Vaduz, 13. Dez. (Landwirth schaftliches.) Die 
Frage, wann die beste Zeit zur Pflanzung von Obstbäumen 
sei, wurde von Landwirthen und Gärtnern wohl schon un 
zählige Male besprochen. ES ;ft nun durch vielfache Versuche 
nachgewiesen worden, daß man sowohl im Herbst als auch 
im Frühjahr Obstbäume mit Erfolg pflanzen könne. Daß aber 
dennoch der Frühling dem Herbst vorzuziehen sei, zeigt ein sehr 
lesenSwercher Aufsatz in den „Pomologischen Monatsheften", 
welchen wir hier in kurzzedrängtem AuSzuge wiedergeben wo!- 
len: In Gegenden, wo daS Frühjahr sehr schnell eintritt und 
dann meist trocken ist, in warmen, trockenen und leichten Bo 
denarten, so wie bei südlich genügten Bergabhangen empfiehlt 
sich die frühe Herbstpflanzung, welche jedoch nicht eher vorge- 
genommen werden darf, bis die sämmtlichen Triebspitzen die 
End- oder TerminaltnoSpen deutlich zeigen. Ist dies der Fall^ 
so schneidet man die Blattscheiden ab, läßt die Blattstiele aber 
stehen, die von selbst nach einigen Wochen abgliedern, und gräbt 
den Baum möglichst sorgfältig auS. Die Pflunzmelhode ist 
die bekannte, nur sind die Zweige zu schonen, wahrend man 
die Wurzeln genau nachsieht und den notwendigen Schnitt 
ausführt. Bessere Erfolge liefert unzweifelhaft die Frühjahrs- 
Pflanzung, wenn sie zur richtigen Zeit (gewöhnlich vor dem 
Eintritt der Vegetation) ausgeführt wird. Sie hat den un- 
schätzbaren Vortheil, daß die frisch beschnittenen Wurzeln in 
der sanft erwärmten Erde gleich Saugwürzelchen bilden, wo- 
gegen bei den im Herbst gepflanzten Bäumen an den Schnitt- 
stellen der Wurzeln leicht Kernfäule entsteht. Es kann sich 
kein VernarbungSring mehr bilden und der Baum muß zu 
Grunde gehen. Nach den langjährigen El fahrungen deS Dr. 
LueaS ist folgende Pflanzweise Die praktischste: Man grabt die 
zum Verpflanzen bestimmten Bäume schon im Herbst auS und 
schlägt sie ein, oder läßt sich Bäume im Herbst auS ten Baum- 
schulen kommen und" schlägt sie über Winter in einem geschütz- 
ten, aber nicht zu sonnigen Platz ein, nimmt sie im Frühjahr 
auS, schneidet die Wurzeln frisch an und pflanzt fofoit in daS 
gehörig vorbereitete, von der Sonne erwärmte Erdreich. Die- 
seS weniger gebräuchliche Verfahren dürfte sehr zu empfehlen 
sein. (Feltk. Ztg.) 
Baduz, 14. Dez. (Ueber das Eisenbahnunglück) 
auf der Einsiedlerbalm wird dem ,^Landb." noch Folgendes be- 
richtet: Nach angestellten Berechnungen muß bei der letzten Ka 
tastrophe die Lokomotive mit einer schließlichen Glschwtndigkeit 
von 160 Kilometern per Stunde den Berg herabgebrauSt und 
im Bahnhof WädenSweil angekommen sein. Leute, welche der 
grausigen Thalfahrt zusahen, erzählen, daß fast im gleichen 
Moment, wo sie die Lokomotive von oben herunter kommend 
erblickten, sie schon an ihnen vorbei, weit unter ihnen ange- 
langt war, und daß der durch sie hervorgebrachte Luftdruck einen 
Staub von Erde und kleinen Steinen auswarf. Weichenwär 
ter Diener, weichet herbeigeeilt war, dem brausenden Ungethüm 
den Weg zu öffnen, wurde vom Luftdruck weggeblasen und, 
überworfen. Der gleiche Luftdruck verbunden mit der durch 
Entgleisung entstandenen Erschütterung, hat auch die auf dem 
Schienenwagen befindlichen Personen von ihren Plätzen herun- 
ter die einen glücklich die andern unglücklich auf die Seite ge- 
blasen. Wäre das direkte Geleise im Bahnhofe WädenSweil 
offen gewesen, so würde eS Maschinenmeister Haueter wahr- 
scheinlich gelungen sein, weiter zu fahren und allmählig die 
Maschine zu stellen, ohne daß ferneres Unglück pafsirt wäre; 
denn eS befand sich kein Zug unterwegs. Allein bei der fchlan- 
genförmigen Ausweichung mußte die Lokomotive entgleisen und, 
da sie in voller Schnelligkeit war, überwerfen. Daß dieS drei- 
mal geschah, daß die Lokomotive vollständig zertrümmert und 
eine Kolbenstange wie eine Schraube gekrümmt wurde, zeigt, 
mit welcher Gewalt der Anprall vor sich ging. Del Schie- 
nenwagen war schon vorher entgleist, weil die Schienen sich 
nach vorn bewegten, die vordere Wand eindrückten und schließ- 
lich durch ihr Gewicht zu Boden fielen, in denselben sich ein- 
gruben und in den sogenannten Dreiecken sich festrannten. DaS 
geschah oberhalb WädenSweil, und, wie man unS erzählt, di- 
rekt über einem Bietkeller, in welchem dadurch ein solches Ge- 
tose entstand, daß die darin beschäftigen Arbeiter auS Furcht, 
er stürze zusammen, sich eiligst davon machten. 
Ausland. 
Deutschland. In der Sitzung deS deutschen Reichstages 
vom 5. Dezember beantwortete Fürst Bismarck die Inter 
pellation Richter in Betreff der künftigen Erhebung der ruf- 
sischen EingangSzölle in Gold. Da der Vorredner das politische 
Gebiet berührt habe, übernehme er die Beantwortung der In- 
teipellation. Er hätte fast Luft den Interpellanten zu fragen, 
was hier auf wirtschaftlichem Gebiete zu thun wäre, zweifelt 
aber, daß der Vorredner im Stande wäre einen Po»schlag zu 
machen. Er sei mit dem Interpellanten der Ansicht daß Ruß- 
land mit seiner Zollpolitik auf einem Irrwege sei, aber er sei außer 
Stande darauf einzuwirken daß andere Wege eingeschlagen werden. 
Die Motivirung der Interpellation sei nicht geeignet die han- 
delspolitische Aktion der Regierung zu erleichtern. „Mir ist 
die Interpellation im höchsten Grade unbequem. Sie schädigt 
meine bisherigen Bemühungen zur Erhaltung des Friedens. 
Man irrt wenn man glaubt: Rußland verlange von uns
	        

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