Liechtensteinische
Vierter Jahrgang
Vaduz, Freitag
Nr. <4
den 3. November 1876<
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Ausland.
Deutfchland. Der deutsche Reichstag ist am 30. Okt.
wieder eröffnet worden. Von hohem Interesse ist die mit einer
großen Spannung erwartete Thronrede. Dieselbe lautet in
dem auf die auswärtigen Angelegenheiten Bezug nehmenden
Theil wörtlich wie folgt:
Die auswärtigen Beziehungen Deutschlands entsprechen,
ungeachtet der augenblicklichen Schwierigkeiten der Lage, dem
friedfertigen Charakter der Politik Sr. Mai. des Kaisers. Das
angelegentliche Bestreben Sr. Majestät ist unabänderlich dar-
auf gerichtet gute Beziehungen mit allen Mächten und inSbe-
sondere mit den Deutschland nachbarlich und geschichtlich näher
stehenden zu pflegen, und auch unter ihnen den Frieden, sofern
er bedroht werden sollte, durch freundschaftliche Vermittlung
zu erhalten. Was aber die Zukunft auch bringen möge: Deutsch-
land darf sicher sein daß das Blut seiner Söhne nur zum
Schutze seiner eigenen Interessen eingesetzt werden wird.
Der Druck welcher auf Handel und Verkehr nicht bloß in
Deutschlaad, sondern auch in den meisten andern Ländern schon
seit geraumer Zeit lastet, ist Gegenstand der unausgesetzten
Aufmerksamkeit der verbündeten Regierungen. Eine unmittel-
bare und durchgreifende Abhilfe liegt, bei der Allgemeinheit der
obwaltenden Uebelstände und nach der Ratur derselben, nicht
in der Macht eines einzelnen Landes, wie lebhaft immer der
gute Wille und die Bethätigung desselben bei denen sein mag
die an seiner Spitze stehen. Wohl aber wird es als die Auf
gabe der deutschen Handelspolitik zu betrachten fdtt von der
heimischen Industrie Benachtheiligungen abzuwenden welche ihr
durch die Zoll- und Steuer-Einrichtungen anderer Staaten be*
reitet werden. Auf dieses Ziel wird die kaiserliche Regierung
namentlich bei den bevorstehenden Unterhandlungen über die
Erneuerung der Handelsverträge hinzuwirken bemüht sein.
Das Resultat der neuen Wahlen ins preußische Abgeord
netenhaus ist jetzt mit ziemlicher Genauigkeit festgestellt. Es
find gewählt: 177 Nationalliberale gegen 172 in der früheren
Session, 87 Ultramontane, inkl. der Hospitanten, gegen 87,
70 FortschrittSmänner gegen 72, 36 Konservative (Alt- und
Reukonservative) gegen 3t, 38 Freikonservative gegen 40, 15
Polen gegen 17, dazu noch etwa zehn „Wilde" und einige
noch nicht klassistzirbare Abgeordnete.
Oesterreich. Saft von gleich hohem Interesse, wie die
deutsche Thronrede ist die im österreichischen Abgeordnetenhause
letzthin zur Beantwortung gekommene Interpellation über die
orientalische Frage. Dieselbe wurdd vom Ministerpräfidenten
Fürst AuerSperg vorgetragen und heißt wörtlich:
„In der Sitzung deS hohen Abgeordnetenhauses vom 21.
d. haben die HH. Abgg. Eichhoff, Dr. Herbst, Dr. Hoffer
und Genossen eine Interpellation mit folgenden Fragepunkten
an die Regierung gerichtet: „1) Hat die kaiserliche Regierung
pflichtgemäß Einfluß auf die Führung der auswärtigen Ange-
legenheiten in der OrierWrage genommen? In welcher Rich
tung ist dies geschehen, und ist die Regierung bereit die Ver-
antwortung für die Politik zu übernehmen/welche seitens der
österreichisch-ungarischen Monarchie in dieser Frage befolgt
wird? 2) Hat die kais. Regierung diesen Einfluß dahin auS-
geübt, daß bei einem aus Anlaß der orientalischen Wirren
etwa ausbrechenden Kriege der Friede für Oesterreich-Ungarn
gewahrt und insbesondere jedes Streben nach Erwerbung
fremder Gebiete hintangehalten werde? 3) Gedenkt die kaiser-
liche Regierung fernerhin in diesem Sinn ihren Einfluß gel^
tend zu machen?" In Bezug hierauf habe ich. die Ehre, und
zwar zunächst in Ansehung deS ersten Fragepunktes, zu er-
wieder«»: Obwohl unsere BerfassungSgefetze keine formelle Be*
Kimmung über die Einflußnahme der k. k Regierung auf die
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten enthalten, fo ist doch
eine solche Einflußnahme in der Ratur der Sache gelegen und
durch die Rückwirkung der äußern Politik auf die innern Zu-
stände begründet Die kais. kgl. Regierung ist denn auch ihrer
Verpflichtung in dieser Beziehung stets nachgekommen und hat
von dem Hrn. Minister des Auswärtigen in jeder Phase der
politischen Aktion die bereitwilligst gegebenen Aufschlüsse erhal-
ten. Zu einer pofltiven Beeinflussung hat die k. k. Re-
gierung keinen Anlaß gesunden, weil daS Programm deS Mi-
nisterS deS Auswärtigen, welches vom Beginn ihre Zustimmung
besessen und von den Delegationen wiederholt gutgeheißen wor-
den war, eonfequent eingehalten wurde. Die Regierung der
im ReichSrathe vertretenen Königreiche und Länder hat denn
auch im gegenwärtigen Stadium der Orient-Frage zu konstati-
ren, daß die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten durch
ihre beharrlich friedliche Richtung stch um den Frieden der
Monarchie, sowie um den europäischen Frieden überhaupt, we-
sentliche Verdienste erworben hat. Die Verantwortung für die
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten kommt dem Gesetz
und der Ratur der Sache nach in erster Linie dem Ministerium
deS Aeußern zu. Dasselbe erkennt eS nicht nur für feine
Pflicht, sondern erhebt auch den Anspruch darauf die Berant-
wortung für die auswärtige Politik sowohl dem Kaiser als
den gesetzlich berufenen Faktoren gegenüber in vollem Umfange
zu tragen. Nicht minder ist die k. k. Regierung bereit nach
jeder Richtung hin daS ihr zufallende Ausmaß der Äerant-
wortung zu tragen. WaS den zweiten und dritten Fragepunkt
anbelangt, bin ich in der Lage folgendes zu antworten: Die
Politik der Monarchie ist vor allem auf die Erhaltung des
Friedens gerichtet, wodurch ein Streben nach Länder-Erwerb
von selbst ausgeschlossen ist. Niemand kann die Segnungen