Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

gen, welche man zu unterstützen im Auge hat, nutzlos machen. 
Zugleich ist die kaiserliche Regierung überzeugt, daß die ver 
mittelnden Mächte, indem sie den beiden Fürstentümern die 
Nothwendigkeit zum Bewußtsein bringen werden, in Zukunft die 
vom Waffenstillstand auferlegten Pflichten gewissenhaft zu ach- 
ten, dieselben von jedem Versuche abhalten werden, welcher die 
Wirkung hätte die aufständischen Bewegungen der Gränzpro- 
vinzen unmittelbar oder mittelbar zu ermuthigen und den Auf- 
ständischen Waffen zu liefern. Indem die Pforte in dieser 
Weise ihren Gedanken präzisirt, hofft sie den vermittelnden 
Mächten einen weiteren Beweis ihres Wunsches zu liefern den 
Waffenstillstand, den sie angenommen hat, mit allen Bürg- 
schaften zu umgeben die für die Verwirklichung der freundschaft 
lichen Absichten, welche die Forderung desselben entschieden ha- 
ben, unerläßlich sind. Sie bewahrt die Zuversicht, daß die 
Mächte sich stets von denselben Gesinnungen warmer Rücksicht 
(sollicitude) für alles waS die Ehre, die Würde und Unab- 
Hängigkeit deS Reiches betrifft, beseelen lassen und alleS beiseite 
setzen werden waS dem so aufrichtig gewünschten Werk endgül- 
liger Friedensstiftung Hindernisse bereiten könnte." 
* Aus Barna, 14. Okt. wird der „Pol. Corr." berich- 
tet: Den 'Truppensendungen aus Konstantinopel wurde seit 
einigen Tagen eine geänderte Richtung gegeben. Anstatt nach 
der unteren Donau wird alles donauaufwärtS dirigirt. Bon 
Sulina bis Rustschuk wird ein starker Truppencordon gezogen. 
Ganz besondere Aufmerksamkeit wird den befestigten Punkten 
Tultfcha, Jsaktscha und Silistu'a gewidmet. WaS die letztge- 
nannte Festung betrifft, die schon so oft eine wichtige Rolle 
gespielt, so wird seit einigen Wochen an deren Ausrüstung ge- 
arbeitet. Dieselbe hat in der letzten Zeit neue detaschirte FortS 
und Erdwerke erhalten, die deren Widerstandsfähigkeit bedeu- 
tend erhöhen. Auch auf Schumla konzentrirt sich die Sorge 
der KriegSverwaltung. Daselbst ist ein befestigtes Lager für 
40.000 Mann errichtet worden. Schumla soll zu einem Pivot 
für eventuelle Operationen gemacht werden , und es werden 
daher hier große Waffen- undMunitionSvorräthe aufgehäuft Auch 
ein Artillerie-Park wird dieser Tage auS Konstantinopel er- 
wartet. ES wird behauptet Abdul Kerim Pasta werde daS 
Kommando der Donau-Armee übernehmen nnd sein Haupt 
quartier vorläufig in Schumla aufschlagen. An seiner Stelle 
soll Achmed Eyub Pascha den Oberbefehl über die Armee von 
Nisch übernehmen. Zwar erheben sich sehr viele Stimmen 
welche die Fähigkeiten dieses rangältesten Generals der oSma- 
nischen Armee in Zweifel ziehen; trotzdem könnte er nicht Prä- 
terirt werden. Für die nächsten Wochen ist das Eintreffen ei- 
ner Truppenmacht von nicht weniger als 140.000 Mann an- 
gesagt. Kleinasien allein soll diese Zahl liefern. Man versichert: 
die Regierung werde zum erstenmal seit der Einführung des 
neuen Militär - Statuts dessen Bestimmungen durchführen. 
Nach demselben sollen die Wehrkräfte deS Reiches in außeror« 
deutlichen Zeiten 970.000 Mann betragen, wovon 570 000 
Mann auf die NizamS entfallen sollen. Bis jetzt befindet sich 
nur etwa die Hälfte dieser Zahl unter den Fahnen. Die Pforte 
würde daher, nach den Aussprüchen der türkischen General- 
stabSoffiziere, die sich eben hier aufhalten, mehr als eine Vier- 
telmillion Soldaten im Äothfall an die Donaugrenze werfen 
können. Dieß ist nun allerdings leichter gesagt als gethan, in- 
dem einmal die Organisirung dieser Kräfte schwierig ist, und 
für ein so gewaltiges Truppenaufgebot die erforderliche An- 
zahl von Offizieren nicht leicht aufzubringen ist. Auch mit der 
furchtbaren Leere des Staatsschatzes ist bei der Durchführung 
dieses Planes stark zu rechnen. 
Rußland. lieber die militärischen Dispositionen für den 
türkischen Feldzug und über die ungünstige Finanzlage wird 
der Berliner „Post" aus St. Petersburg, 20. Okt., geschrie- 
ben: Nach den neuesten Dispositionen sollen drei Heere ge- 
bildet werden. DaS eine, 120,000 Mann, unter dem Kom 
mando deS Großfürsten Nikolai, soll in Bulgarien einrücken 
und die türkischen Donau-Festungen cerniren. DaS zweite, 
340,000 Mann, unter dem Großfürsten-Thronfolger, wird 
von der türkischen Gränze bis nach Süd-Polen aufgestellt wer- 
den, und das dritte, 240,000 Mann, unter General LoriS- 
Melichoff, soll in die asiatischen Provinzen der Türkei ein- 
dringen. Die Kosaken bilden ihre Reserveregimenter. Große 
Vorräthe an Halbpelzen, warmen Stiefeln zc. für einen Win- 
terfeldzug sind bereit. Der Geist der Truppen ist vortreffllich. 
Kein Mann, kein Offizier will bei den ReserveBataillonen zu- 
rückbleiben. Aber leider, je größer der Enthusiasmus, desto 
größer auch der Mangel an Geld. Der Finanzminister Hr. 
v. Reutern reist heute von Livadia ab und wird am Sonn- 
tag hier erwartet. Jetzt begreift man recht wie seine Verwal- 
tung üble Früchte getragen hat, denn der Staatsschatz enthält 
nur 170 Millionen in Golt und Silber, welche den bedeuten- 
den Betrag deS Papiergeldes decken sollen. Heut ist der EourS 
auf der Börse in bedenklicher Weise gesunken. Werden diese 
Zustände zu einem Wechsel im Ministerium führen? 
Bom Kriegsschauplatz. 
In den letzten Tagen ist im Morawa-, bezw. Dschunischa- 
Thal, wieder lebhaft gekämpft worden; die Offensive ging von 
der Türkei auS. Die „Deutsche Ztg " berichtet darüber: „Nicht 
Tschernajeff ist eS der die Offensive nach dem Abzüge der Di- 
Vision Fazly Pascha'S wieder ergriffen hat, sondern Ejub Pa- 
scha that dieß am 19. d., und nicht die Serben scheinen jetzt 
die numerisch Stärkeren zu sein, sondern die Türken, die neuer- 
dingS bedeutende Verstärkungen erhalten haben, wenngleich 
nicht gesagt wird woher; denn sie treten den Gerben überall 
mit Uebermacht entgegen, und scheinen auch ihre Erfolge auS- 
nützen zu wollen. Am 19. d. griffen, Wie wir bereits berichtet 
haben, Ejub und Ali Saib Pascha Horwatowitsch in seinen 
den Rücken der Türken bedrohenden Stellungen an und war- 
fen seine drei Brigaden nach Kavnik zurück. Die vier serbi 
schen Brigaden, welche erst um 4 Uhr Nachmittags als Ver- 
stärkung auf dem Kampfplatz anlangten, kamen zu spät um 
dem Tag eine für die Serben günstige Wendung zu geben. 
Der Hauptangriff erfolgte, wie wir eS vermuthet hatten, mit 
dem Hauptgewicht gegen Dschunisch, wahrend in der Front 
nur e'n Geschützkampf stattfand. Am 20. d. wiederholten die 
Türken, wie uns heut unser Spezialkorrespondent auS Parat- 
schin meldet, mit noch größerer Erbitterung den Angriff gegen 
die serbischen Stellungen (wahrscheinlich eine Zwischenstellung) bei 
Krevet, zwischen Schiljegowatsch und Kavnik, in der Absicht 
Horwatowitsch vom GroS zu trennen und ihn westwärts ab- 
zudrängen. ES soll ihnen dieß nicht gelungen sein, sondern 
die Serben sollen ihre Stellung bei Krevet (Abends 7 Uhr) 
behalten haben. Die Verluste an diesem Tag werden beider- 
seitS als sehr große bezeichnet. 
Am 21. d. M. aber griffen die Türken neuerdings die 
Stellung von Krevet an, während von Pritlowitsch auö Ale- 
xinatz bombardirt wurde. Ueber den Ausgang dieses Gefechts- 
tageS wird uns leider noch nichts gemeldet. Während uns un- 
ser sehr gut informirter Spezialkorrespondent das Gefecht vom 
19 d. als das erste von Bedeutung nach den am 23. und 
30. September vorgefallenen bezeichnet, erhalten wir heute aus 
Pescanitza, dem türkischen Hauptquartier, ein vom 18. Oktober 
datirteS Telegramm, welches von einem an diesen^ Tage vor- 
gefallenen Gefechte zwischen Trubarevo und Dschunisch spricht, 
in Folge dessen die Serben mit einem Verlust von 5000 Tod- 
ten und Verwundeten in die westlichen Wälder geworfen und 
gleichzeitig die rechtsseitigen von den Serben besetzten Lehnen 
deS Morawa-ThaleS von diesen gesäubert worden seien. Die 
Fassung deS Telegramms vom !9. d. auS Paratschin läßt 
allerdings einiges an Deutlichkeit zu wünschen übrig. ES heißt 
da: Horwatowitsch habe sich, da er keine Hülfe bekommen,
	        

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