Liechtensteinische
Vierter Jahrgang.
Vaduz, Freitag
Nr. 42.
den 20. Oktober 1876.
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Vaterländisches.
Vaduz, 17. Okt. Der heurige Oktober spendet UNS Tage,
wie ste schöner und nutzbringender nicht gedacht werden können.
Rein und klar wölbt (ich der Himmel über unsere Berge, schö-
ner als je im ganzen Jahr, während eine förmliche Sommer-
wärme in dem Rebstocke einen gefährlichen Jahrgang kocht.
Wie man hört, soll die Weinlese Ende dieser Woche und
Anfangs der nächsten im ganzen Lande vor sich gehen. Hin-
sichtlich der Quantität erwartet man eine ziemlich« schwache
Mittelernte, während von der zu erwartenden Qualität ange-
nommen wird, daß fie jener des 1874»: Jahrgangs nicht
nachstehen werde.
Gestern wurde hier in Vaduz der erste-dieSjährige-Vieh-
markt abgehalten. Derselbe wurde schwach und durchschnittlich
mit schlechter Waare befahren. Verkauft wurde wenig und
zu Mittelpreisen. UebrigenS kann man daS gleiche ungünstige
Urtheil auch in allen ausländischen Marktberichten lesen. Die
allgemeine GeschäftSkristS übt eben auch in diesem Berkehr
ihre lähmende Wirkung auS.
Feldkirch, 16. Okt. (Leichenfunv.) Im Laufe des
gestrigen Nachmittags fanden einige Knaben, welche vom BeitS«
kapf beim sogenannten Kehr in die Jllschlucht hinabgestiegen
waren, auf der Sandbank am rechten Jllufer den Leichnam
eines neugebornen KiydeS fast nackt liegen. Es wurde die
Anzeige bei der GenSdarmerie gemacht und auS den an Ort
und Stelle durch eine GerichtSkommisston geflogenen Erhebun-
gen nimmt man an, daß daS Kind wahrscheinlich in der vor-
hergegangenen Nacht vom Wege hinunter auf die Sandbank
geworfen worden sei, da Theile der Umhüllung deS KindeS
beim Abstürzen in den Hecken hängen blieben. Mehrere spitze
Steine waren in die Fleischtheile deS Leichnams eingedrungen.
Das Kind wurde dann in die Leichenkammer des Spitals über-
tragen, wo heute die Obduktion vorgenommen wurde, welche
ergab, daß eS, wenn auch nur kurze Zeit, gelebt habe. Die
sorgfältigste gerichtliche Untersuchung ist sofort eingeleitet worden.
(Feldk. Ztg.)
Ausland.
Ueber die russisch - slavischen Bestrebungen in der oriemali-
schen Angelegenheit ist dieser Tage in der „A. A. Ztg." ein
Artikel erschienen, welcher in richtiger und deutlicher Weife die-
selben kennzeichnet. Derselbe stammt auS der Fever Professor
Springers und lautet:
„Heimlich ins Ohr raunen stch sogar Regierungsmitglieder
und Diplomaten ihre Ueberzeugung, daß die Pforte von allen
Mächten behandelt werde als hätte ste sich in frevelhafter Weise
gegen ihren legitimen Schutzherrn in Belgrad empört, daß Ruß
land ein doppeltes Spiel treibt, vielleicht nicht heute schon den
Krieg, gewiß aber nicht den Frieden will, und daß endlich die
armen BoSniaken erbarmungslos beiseite geschoben wurden,
sohald ste, obgleich ste kein Mohr, sondern Christenbrüder stnd,
ihre ^Schuldigkeit gethan hatten. Nur erwarte niemand, daß
irgend eine große oder kleine Macht Europa'S dieser Ueberzeu-
gung Ausdruck gebe. Denn ihr Wille und ihre Thätigkeit
wird nur durch eine Empfindung regiert: Rußland hat stch
erholt, Europa fürchtet stch. Die periodische Wiederkehr poli-
tischer Epidemien müssen wir unS gefallen lassen. Wunderbar
bleibt aber dennoch die rasche Verschleppung deS Aberglaubens
von der russischen Allmacht, die man seit deS bösen Nikolaus
Tode begraben glaubte, bis nach England hinüber, wobei nur
der Unterschied waltet, daß früher vorzugsweise die Fürsten
und ihre Minister vor dem Zaren daS Knie beugten, heut aber
auch, ja sogar vorzugsweise, die Liberalen der unüberwindlichen
russischen Volksmacht huldigen. . . . Lügen wir unS. doch
nicht über die Lebensfähigkeit deS Aufstands in Bosnien noch
lang' etwas vor. Ein paar kurze Wochen standen allerdings
wirklich alle Bewohner der Provinz, durch den Steuerdruck zur
Empörung getrieben, unter den Waffen. Gar bald aber tra-
ten fremde Führer und fremde Banden an ihre Stelle, spielte
fremdes Geld die größte Rolle. Und wäre auch der bosni
sche Aufstand vielfach gefälscht gewesen, die Serben hätten ven-
noch unftre Theilnahme wachgerufen, wenn ste opferwillig und
todeSmnthig den Kampf aufgenommen und, daß ste stch mit
den Stammesbrüdern eins fühlen, durch Thaten bewiesen hät-
ten. Kann man stch aber ein erbärmlicheres und schimpfliche-
reS Schauspiel,denken alS den sogenannten serbischen Krieg in
den letzten drei Monaten! Die „dummen Bulgaren" werden
von den pfiffigen Serbenführern auSersehen stch auf die nn-
vorbereiteten türkischen Truppen zu werfen und daS schwerste
Stück der Blutarbeit zu thun. Zum Bücken, um die Früchte
der Arbeit aufzulesen, hätten stch zuletzt die Serben herbeige-
lassen. Die Bulgaren aber waren leider nicht dumm und nicht
klug genug; fie besaßen, wie die slavischen Zeitungen klagen,
nur eine Tugend: stch mit HammelSgeduld auf die Schlacht
bank führen zu lassen. Wer will aber auch aus Hammeln
Löwen schaffen? Keine einzige der guten Voraussetzungen die
man von den Serben hegen mochte ging in Erfüllung. Sie
zeigten stch nicht allein leichtsinnig und gewissenlos in Plänen
und Mitteln, sondern auch beispiellos ungeschickt in der AuS-
führung Rußland gebührt daS Verdienst ein neues
Kriegssystem eingeführt zu haben: den Krieg incognito. AlS
Staat lebt eS mit der Pforte in süßem Frieden; das hindert
aber nicht daß russtsche Soldaten die CadreS der serbischen
Armee ausfüllen, russtsche Generale und Offiziere kommandireu,
ruffifcheS Kriegsmaterial unaufhörlich über die Donau geschmug-