Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

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litten habe. Der Redner hob hervor, daß daS Volk durch leere 
Versprechungen in den Kampf getrießm wordch und die in 
hintechM ausblieben 
sei. EffM^Hnter Wqem WMlaWWt „M«p,th", Wraüf 
sW ein groM- Gttew in MMsamWng «W>. NU Auch 
vermocht n« mit Mühe die Ruhe herzustellen. Die Versamm 
lung faßtt ven AnlehenSbeschluß, erst nachdem die Regierung 
die Regocirung in Rußland verbürgt hatte. 
Ueber die viel und übel genug berufene« Baschi-Bozuks 
schreibt der bekannte Orientalist Prof. P Blom im norwegi 
schen „Morgevblad": 
. Sobald die Türken Krieg führen, haben sie sogenannte 
„Vaschi-Bozuks", fr i. „Kopflose", in ihrem Heer. Baschi- 
Bvzutö- find irreguläre türkische Truppen, die aus MterMneN' 
Dementen bestehen, nämlich aus tapfern und stolzen Arabern 
aus der Wüste, auS halbwilden, häufig feigen, aber stets 
schlauen Kurden auS Kurdistan, aus Abenteurern aus Syxien 
und den mesopotamifchen Paschaliks, auS arbeitsscheuen Lauern 
und heruntergekommenen Pferdehändlern aus Kleinasien. Sie 
zlnd ihre kleinen Pferde ertragen die größten Strapazen. Als 
leichte Cavallerie übertreffen sie die Kosaken. Ihre Waffen sind 
eine Lanze, ein Säbel, mehrere in der Regel alte Pistolen und 
ein Dolch. Sie führen Lanze und Säbel meisterhaft. Die Lanze 
ist gewöhnlich 8—!0 Fuß lang, von BambuS oder leichtem 
t<Mz. Sie schwingen dieselbe mit zwei Fingern mit großer 
eschwindigkeit um dem Kopf, werfen sie in die Höhe und 
stlngen fie wieder in vollem Galopp. Auch nehmen sie dieselbe, 
yhtie abzusteigen, vom Boden auf. Die Lanze wird meistens 
während einer imitirten Flucht gebraucht. Sie lassen den Feind 
dann so nahe an sich herankommen, daß sie ihn durch einen 
raschen und nachdrücklichen Rückstoß durchbohren können. Es 
gibt indeß auch Baschi-BozukS-Znfanterie. Wenn in früherer 
Zeit Äufruhr in Kurdistan oder andern Provinzen des türki- 
Wen Reiches war, wurden die Baschi-Bozuks von dem Gou- 
VMleur zur Wiederherstellung der Ordnung gebraucht. Pach 
und nach entstanden Häuptlinge unter denselben. Mit diesen 
schließt nun die türkische Regierung in KriegSzeit Contract ab 
gegen eine bestimmte Summe ihre Horden zu ihrer Disposition 
zu stellen. Sobald die Häuptlinge, nachdem eine solche Ueber- 
Einkunft getroffen ist, ihre Fahnen entfalten, sammeln sich um 
hiese alte und neue Mannschaften. Im Krimkriege leisteten vie 
Paschi-BozutS gute Dienste unter dem Ungar-General Kmety, 
welcher die türkische reguläre und irreguläre Cavallerie in 
Kleinasien commandirt. Auch damals machten fie sich verschie 
dener Gräuelthaten schuldig. Daß die Baschi-BozukS jetzt, da 
hie Mohammedaner einen sogenannten „heiligen Krieg" führen 
schreckliche Gräuelthaten begehen, ist erklärlich; aber ich bin 
auch der Meinung, daß die ^Christen denselben in dieser Hin- 
ficht nicht weit nachstehen. Sowohl die Mohamedaner als die 
Christen im türkischen Reich stehen so tief, daß man sich bei 
unS keine richtige Vorstellung darüber machen kann. Menschen- 
leben gilt bei ihnen nicht viel, wenn Haß und eigenes Interesse 
im Spiele sind." 
Rußland. Der gemäßigte Ton, welchen die russischen 
Blätter angeschlagen haben, hat nicht lange angehalten und 
fich wieder, in daS Gegentheil verwandelt. So schreibt die 
^Russische Rundschau": 
„Das russische Volk erkennt jetzt in seiner Gesammtheit 
einmüthig und selbstverläugnend daß die slavischen Interessen 
nicht der Einsicht der europäischen Diplomatie überlassen blelben 
können. Möge Europa dieser Stimme des Volkes, dieser 
Stimme GotteS glauben! — Auch wir glauben fest, daß Eu- 
ropa sich einmal von der Wirklichkeit der Existenz der öffent- 
licben Meinung in Rußland überzeugen wird, einmal wird es 
offen und gerade in die Seele deS^ russischen Volkes herein 
blicken, und abwägen waS im gegenwärtigen Augenblick in 
Rußland vor sich geht; eS wird nicht riSkiren wollen, es wird 
' 
aufhören gegenüber den fest und klar auSgesMHchentz» UWs- 
Zungen der russischen ReGerung zu dingen und zu hatztzew. 
. Die MkmnatLe AeiM & ihren GMchnheite« feftr Wem 
^ SchuSmee der nur: deßtzG mW zaAt wtil Wchtz tMsend 
i gemchO. wird. Wrop» O m m SchM gegen M Wtzven, 
^Wö wird von den besiMMannern der europäischen Gesell- 
schaft, von der Mehrzahl der denkenden Bevölkerung deS We 
sten? fchon anerkannt. Dieses Bewußtsein diktirt die Briefe 
deö greisen Lord Rüssel, es tritt in den Parlamentsdebatten 
und Interpellationen zu Tage, eS leuchtet in den Artikeln der 
ehrenhafteren und gerechteren europäischen Journalistik durch-. 
Dieses Bewußtsein wird eS nicht dazu kommen lÄssen. daA Ach 
' ein europäischer Krieg entzündet wenn die Forderungen Ruß- 
tanv5 nur gerecht sind. Aber diese Forderung^.« sind gerecht; 
Rußland will für »ich selbst absolut nichts, «s strebt mx nach 
Befriedigung der dringendsten und elementarsten Interessen und 
Rechte der Balkan-Slöven. Wenn diese von' Egoismus freien 
Forderungen Rußlands nicht befriedigt werden, wenn unsere 
Regierung in ihren energischen, dringenden Forderungen auf 
Widerstand stößt, möge die Verantwortung für die Folgen 
dann auf daS Haupt des westlichen Europas fallen. Dasselbe 
wird wegen der Ströme umsonst vergossenen BluteS, wegen 
verwüsteter Wohnungen und Felder, wegen der unvernünftiger" 
weise auf die Bahn des menschlichen Fortschritts, auf die Bahn 
! zu jenen gerechten und humanen Zielen welche die Slavenwelt 
früher oder spater erreichen muß, geschleuderten Steine und 
Barrikaden, vor das Gericht der Geschichte gezogen werden. 
Für uns ist es besser jetzt als später anzufangen. Wir können 
nicht warten bis die slavischen Völker eines nach dem andern 
vom Angesicht der Erde vertilgt sind, bis sie von den Henkern 
und Inquisitoren deS derzeitigen Egoismus und den verschwen 
derischen Verirrungen des westlichen Europas aufs Schaffst 
geführt werden." 
Und noch viel leidenschaftlicher und aufregender ist die 
Sprache, welche der „Graschdanin" führt. 
„Rußland hat der Einigung Deutschlands beigestanden. 
Unmöglich wird eS jetzt, um der Kräftigung dieses Deutsch- 
landS nochmals zu helfen, Beistand leisten bei der Rettung 
der Türkei, bei dem Verderben der Slaven! Leute, die eS 
empfunden und 1854 begriffen haben, daß Oesterreich eS war 
daS Rußland besiegte und seinen Kaiser durch Kummer tödkte> 
leben ja noch; eS ist ja noch der welcher das gethan am 
Leben. . . . Sollte man wirklich Millionen Russen zwingen 
können, das zu vergessen, dieses Gefühl in sich auszugleichen, 
und eS durch Vertrauen zu dem Staat zu ersetzen der seinen 
Haß gegen Rußland bereits durch so ränkevolle Thaten be- 
wiesen hat? Fragt jeden Russen, Mann für Mann, ob tt 
Oesterreich traue; jeder Russe wird antworten : Rein. Wenw 
»wer kein Russe Oesterreich traut, wer soll glauben daß Oester- 
reich in seiner Allianz mit Rußland aufrichtig sein kann?. 
Daß der Krieg für Rußland ein Unglück ist, und ein schreck- 
licheS Unglück, bezweifelt Niemand. Aber ein weit größeres 
Unglück ist eS den Krieg zum Schaden seiner Würde, seiner 
Ehre, zum Verrath an seiner historischen Aufgabe, zur Krän- 
kung seiner eigenen Nationalität zu vermeiden. Ein Volk, 
welches einmal vor dem Angesicht von ganz Europa einen 
solchen Moment deS allgemein nationalen Schimpfes durchlebt 
hat, ist mehr als auf dem Schlachtfelde mit Flinten und Ka- 
nonen besiegt, eS hat schon die erste Minute moralischen Selbst- 
mordS durchgemacht; zwei, drei solcher schrecklichen Mo- 
mente — und dieses Volk wird nicht mehr im Stande sein die 
Waffen zum Schutze seiner Ehre, ja nicht einmal seines hei- 
matlichen Herdes zu ergreifen. Rußland, daS sich heut aus 
Furcht vor dem Elend des Volkes nicht entscheidet, alles, selbst 
einen Krieg, zu wagen, kann sich morgen als nicht stärker er- 
weisen wie daS unglückliche Bulgarien. 
Frankreich. Der Pariser Korrespondent des „Daily
	        

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