Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

Liechtensteinische 
Vierter Jahrgang. 
Vaduz, Freitag 
Nr. 26. 
ton 14. Juli 1876; 
Die liechtensteinische Wochenzeitung erscheint jeden Freitag. Sie tostet für das Znland ganzjährig z fl., halbjährig t ff. sa«»t 
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werden franco erbeten an die Redaktion in Vaduz. 
Amtlicher Theil. 
Kundmachung. 
Im heurigen Frühjahre baben sich nachbenannte Waldauf- 
feher durch eiftige und erfolgreiche Verwendung in den Ge- 
meindeforften hervorgethan und wurden dieserhalb aus der Lan- 
deSkaffe prämiirt: 
Josef Bürzle zu BalzerS, 
Albert Regele am TrieSnerberg, 
Fidel OSpelt in Baduz, 
Jakob HaSlerzu Gamprm 
Fürstl. fiechenft. Regierung 
Baduz, am 7. Juli 1876. 
Vaterländisches. 
BfttW}, den 10. Juli. Der schweiz. Ratkonalrath behan 
delte letzthin daS Fabrikgesetz. Einer der wichtigsten und fol 
genreichsten Artikel dieses Gesetzes ist der Artikel 11, welcher 
von der Arbeitszeit handelt. Die Kommission beantragt fol- 
gende Fassung: 
Art. 11. Die Dauer dex regelmäßigen Arbeit eineS TageS 
darf nicht mehr als 11 Stunden, an den Vorabenden von 
Sonn- und Festtagen nicht mehr als 10 Stunden betragen 
und muß in die Zeit zwischen 6 Uhr Morgens und 8 Uhr 
AbendS verlegt werden. 
Bei gesundheitsschädlichen und auch bei anderen Gewerben, 
bei denen durch bestehende Einrichtungen oder vorkommendes 
Verfahren Gesundheit und Leben der Arbeiter durch eine täg- 
liche tlstündige Arbeitszeit gefährdet sind, wird der Bundes- 
rath dieselbe nach Bedürfniß reduziren, immerhin nur bis die 
Beseitigung der vorhandenen GesundheitSgefährde nachgewiesen 
ist. 
Zu einer ausnahmsweise« Verlängerung der Arbeitszeit, 
welche von einzelnen Fabriken wegen baulicher oder anderer 
Vorrichtungen verlangt wird, ist;, sofern daS Verlangen die 
Zeitdauer einer Woche nicht übersteigt, von den zuständigen 
Bezirksbehörden, sonst aber von der KantonSregierung die Be- 
willigung einzuholen. 
Für daS Mittagessen ist um. die Mitte der Arbeitszeit we- 
nigstenS 1 Stunde frei zu geben. Arbeitet», welche ihr Mit- 
tagSmahl mitbringen, oder dasselbe sich bringen lassen, sollen 
außerhalb den gewohnten Arbeitsräumen angemessene, im Win- 
ter geheizte Lokalitäten unentgeltlich zur Verfügung gestellt 
werden. 
Die Arbeitsstunden sind nach der öffentlichen Uhr zu rich- 
ten und der OrtSbehörde anzuzeigen. 
Räch Verlesung deS Artikels beginnt die Diskussion über 
den RormalarbeitStag. 
Rationalrath Künzli, als Referent der Kommission, schil- 
dert die Nachtheile einer allzu langen Arbeitszeit in den Fa 
briken hinsichtlich deS körperlichen, geistigen und sittlichen Woh- 
leS eines großen TheileS der Bevölkerung. Die immer gleiche 
Fabrikarbelt zerrüttet daS Nervensystem, wenn diese Wirkung 
nicht gemildert wird durch eine gewisse Abwechslung m M 
Tätigkeit. Ein gesundes Familienleben fft nicht D 
fern Familienväter und Kinder die ganze TageSM W der Ffc 
brit zubringen müssen. Die AuSbevtvng det WOeiier^üt dm 
Fabriken führt erfahrungsgemäß zu schweren sozialen KW-, 
strophen. Der RormalarbeitStag ist nicht bloß eine WohltW 
für die Arbeiter, sondern eine Notwendigkeit für die bürger 
liche Gesellschaft. Allerdings enthält die Einschränkung der 
Arbeitszeit bis zu einem gewissen Grad einen Eingriff in die 
individuelle Freiheit; aber diese Freiheitsbeschränkung ist v<m 
den besten Folgen für die betreffenden Individuen begleitet. 
UebrigenS verhält eS sich mit der Äerufüng auf die mdivi- 
duelle Freiheit gegenüber dem RormalarbeitStag wie mit der 
Opposition der Millionäre gegen daS neue Militärsteuergesetz 
auS dem Grunde, weil die unterste Klasse mit der Taxe von 
8 Fr. zu hoch besteuert werde; dieselbe ist ein Borwand, hin- 
ter welchem sich ganz andere Interessen als diejenigen der 
Freiheit verbergen. 
England besitzt einen RormalarbeitStag für Frapen und 
Kinder seit 1847, Frankreich einen solchen auch für erwachsene 
Arbeiter seit 1848; in per Schweiz hat Basel einen Normal- 
arbeitStag von 12, GlaruS einen solchen von 11 Stunden. 
Ueberall hat man anfänglich große Befürchtungen bezüglich der 
Reduktion der Arbeitszeit gehegt; man sah eine erhebliche Ab- 
nähme der Produktion, eine bedeutende Erschwerung der Kon- 
kurrenz, einen schlechten Gebrauch der freien Zeit durch die 
Arbeiter voraus. Weder in der Schweiz, noch im Auslände, 
haben sich diese Befürchtungen in Wirklichkeit als begründet! 
herausgestellt. Die Produktionskraft Englands z. B. hat ficlj 
seit der Einführung der Fabriksgesetze in hohem Grade ge- 
steigert und die englische Industrie wird in vielen Branchen 
trotz deS NormalarbeitStageS von keiner Konturrenz erreicht. 
Auch in Basel und GlaruS haben sich die Fabrikbesitzer mit 
der verkürzten Arbeitszeit verhältmßmäßig leicht abgefunden. 
Für die Arbeiter selbst, namentlich für Frauen und Kinder, 
stellt sich Die gewonnene freie Zeit als eine wahre Wohlthat 
heraus. Wenn aber daS phyfische und geistige Wohl der Ar- 
beiter gefördert wird, so liegt dieS auch im Interesse der Ar- 
Zeitgeber, denn gesunde Kräfte leisten weit mehr und BeAereS
	        

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