Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1876)

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rionettenschühlein, stehen neben dem mächtigen Reiterstiefel und 
Jagdstiefel; Frauenpantoffeln neben dem wohlgenagelten und 
beschlagenen Alpenschuh; Tanzschuhe neben dem festen Militär- 
schuh. Dazwischen alle möglichen Variationen deS gewöhn- 
lichen bürgerlichen Schuhes. 
Besonders auffallen muß es, wie der Militärschuh reich- 
lich vertreten ist. DaS geschieht absichtlich, denn gerade beim 
Militär hat sich die Wichtigkeit des SchuheS so recht heraus 
gebildet. Während im gewöhnlichen bürgerlichen Leben mehr 
auf Dauerhaftigkeit und Eleganz getrachtet wird, hat stch beim 
Militär der ungeeignet zugeschnittene Schuh als das gefähr- 
Jlichste Hinderniß der Marschfähigkeit der Armee gezeigt. Wunde 
Küße beim noch so soliden Schuh taugen nun einmal nicht 
zum Marsche. Darum haben besonders die europäischen und 
amerikanischen Kriegsverwaltungen stch um unsere Schuhau^ 
stellung iyteressirt und dieselbe reich beschickt. 
ES ist also neben dem geeigneten Materiale für daS Schuh- 
werk vor Allem die geeignete Form, welche diesmal gesucht 
und angestrebt wird. 
Man muß sich wahrhaftig gestehen: eS ist lange gegangen, 
bis diese Seite deS so wichtigen Kleidungsstückes zur Beach- 
tung gekommen ist. 
Wohl ftudiren die Gecken jeder Art, Modenarren, die 
Form der Schuhe und heute werden spitze, morgen breite 
Schuhe, heute niedere, morgen hohe Absätze zu Modestücken er- 
hoben; aber daß der Schuh den Linien deS FußeS folgen und 
diesen sp leicht und fest als möglich kleiden soll, ohne ihn zu 
drücken, das wird weniger gesucht. 
ES ist vielmehr als nochwendig erachtet, daß der neue 
Schuh meist Tage lang den Fuß quälen und zweg drücken 
muß ! Daher verliert stch sobald die ursprüngliche Schönheit 
deS menschlichen FußeS, wie ihn nur noch daS Kind und der 
Wilde, der arme Barfüßer der Gebirge und daS Bild des 
Künstlers zeigt. Wir Andern haben um vieles Geld und mit 
vielen Schmerzen unsere Füße glücklich zu zugespitzten, ver- 
drückten, verschobenen Dingen gemacht, die im Alter nur noch 
daS Bild der Mißhandlung zeigen , desjenigen Gliedes, das- 
am meisten zu leisten und zu tragen hat. 
In einem Zimmer stnd die Abgüsse pon Füßen aus der 
Anatomie, wie solche fich unter unserer Schuh-Tyrannei ge- 
Aaltet haben. 
Heute nbch haben bei uns Kinder und Frauen bloß Einen 
Leisten, als ob ihre Füße nicht wären wie die anderer Leute. 
Heute noch bringen wir eS nicht dazu, daß wo möglich ein 
Jeder seinen Leisten hat. Hier in Bern wird dem Leist vor 
allem Anderen Aufmerksamkeit geschenkt. 
ES war ein Grundgesetz der Ausstellung, daß nur „ratio- 
nelle" Schuhe, d. h. solche, die den Biegungen deS FußeS 
folgen, ausgestellt werden sollen. Daraufhin der Lärm so 
vieler Schuhmacher und die Befürchtung unserer Leute von 
feinem Geschmack, daß die „Sichelschuhe" gar „wüst" aus- 
sehen möchten. Die Schuhmacher haben stch endlich großen« 
theilS darein geschickt und die Besucher finden die rationellen 
Schuhe gar nicht abschreckend, ja wenig von der üblichen 
Form verschieden. 
* Werth eines Vogelnestes. Ueber den Werth 
eines Vogelnestes bringt der Thüringer Thierschutzverein fol- 
gende, überall beherzigenswerthe Ansprache: „Lieber Landmann l 
Dein Junge nimmt aus Langerweile ein Vogelnest Grasmücken-, 
Rothschwanz-, Spatzennest oder ein anderes, gleichviel von wel- 
chem der genannten Vögelchen, sei eS mit Eiern oder mit Zun- 
gen aus. ES sollen davon fünf im Neste sein. Jedes dieser 
Jungen braucht täglich im Durchschnitt etwa 50 Stück Rau- 
Pen und anderes Geschmeiß zur Aezung, die ihm die Alten aus 
der Nachbarschaft zutragen, macht täglich 250 Stück, die Aez- 
ung dauert durchschnittlich 4—5 Wochen, wir wollen sagen 
30 Tage, macht für das Nest 7500 Stück. 
Jedes Stück Raupe frißt täglich fein eigenes Gewicht an 
Blättern und Blüthen. Gesetzt, ste braucht, bis sie aufgefres- 
sen, 30 Tage und frißt täglich nur eine Blüthe, die eine Frucht 
gegeben hätte, so frißt sie in 30 Tagen 30 Obstfrüchte in der 
Blüthe und die 7500 Raupen zusammen 225,000 Stück sol- 
cher Blüthen; hätte Dein Junge das Vogelnest in Ruhe ge* 
lassen, so hättest Du und Deine Rachbarn 225,000 Aepftl. 
Birnen oder Pflaumen mehr geerntet. Wenn jedoch die Raupe, 
wie sie es aus Liebhaberei manchmal thut, 10, 20, 30 BlütM 
des TageS frißt, oder wenn wegen des abgefressenen LaübeS 
die Blüthen keine Nahrung mehr haben und welk abfallen, fy 
beziffert stch Dein und Deiner Nachbarn Verlust noch diek 
höher. Du kannst dann leicht berechnen, was ein Vogelnest 
für Werth hat." 
Zahlen beweisen den täglichen Bedarf so eines kleinen Bö- 
gelchens an Raupen, Blattläusen, Fliegen und ähnlichem Un- 
geziefer. So viel ist gewiß, der Gärtner, der Land- und Forst- 
mann schützt stch selbst durch den Schutz der nützlichen Vögel. 
* Naturwunder. Rechts über dem Felsenpfade, der 
vom neuen Kurhause Weißenburg nach dem alten Bade führt, 
steht eine mächtige Tanne, welche eine andere, jüngere gleich- 
fam als Säugling auf dem Arme trägt. Die jüngere , durch 
irgend ein Vorkommniß früherer Jahre von ihrem Wurzelstocke 
getrennte Tanne ist nämlich im untern Dritttheil ihres Stam- 
meS mit einem Aste ihrer älteren Schwester total verwachsen 
und erhält durch denselben ihre Nahrung, so daß ste, obschott 
wurzellos und hoch in der Luft schwebend, dennoch fortwächst 
und auch dieses Jahr wieder frische Sprossen treibt. DaS Auf- 
fallendste daran ist wohl, daß auch die unterhalb der Ver- 
wachsungSstelle ständigen Aeste der jungen Tanne ebenso frisch 
grünen, alS die oberen. 
* Gattenliebe. In einer Stadt Amerikas sandte un- 
längst eine Frau nach dem Tode ihres Mannes an eine ent- 
fernte Freundin folgende telegraphische Depesche: „Mein lie- 
der John ist todt. Der Verlust ist durch die Lebensversicherung 
vollkommen gedeckt." 
Verantwortlicher Redakteur u. Herausgeber: Dr. Rudolf Schädler 
Kornpreise vom Fruchtmarkt in Bregenz vom 23. Juni. 
Der halbe Metzen 
Korn 
Roggen 
Gerste 
Türken 
Hafer 
beste 
mittlere 
geringe 
iL 
kr. 
fl. 
1 fr. 1 
1 fl. 
kr. 
3 
40 
3 
1 i5 
3 
05 
2 
80 
2 
60 
2 
50 
2 
70 
2 
50 
2 
30 
2 
80 
2 
50 
2 
20 
1 
70 
1 
60 
1 
50 
Thermometerstand nach Reanmnr in Baduz. 
Monat 
Morgens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung. 
Juni 21. 

+21 
+16 
hell 
„ 22. 
+13 
+22 
+19 
ir 
„ 23. 
+14V 4 
+14 
+ 13 
trüb; Reg. 
„ 24. 
-(-15 
+18 
+13 
u 
„ 25. 
+12 
+17 
+16 
fast trüb 
26. 
+13 
+13 
+12 
trüb; Reg. 
„ 27. 
+10*4 
+ 16 
+14 % 
halb hell 
Telegrafischer Kursbericht von Wie«. 
28. Juni Silber 101.60 
20-Frankenstücke ...... 9.81 
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.
	        

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