Liechtensteinische
Vierter Jahrgang.
Badllz, Freitag
Nr. 1.
den 7. Jänner 1876.
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Zum Jahreswechsel.
DaS alte Jahr ist begraben und daS neue unter feierlichem
Glockenklange mit manchen neuen Plänen und Hoffnungen
eingeläutet.
Mögen die Glück- und Segenswünsche, die allerorts beim
Jahreswechsel zum gegenseitigen Austausche kamen, sich auch
verwirklichen und daS neue Jahr in jeter Beziehung zu einem
gesegneten machen.
Wenn wir einen kurzen Rückblick auf das abgelaufene
Jabr werfen wollen, so können wir mit zufriedener Erinnerung
auf dasselbe zurückblicken. Die Ernte, die als Hauptexistenz-
bedingung bei unserer Bevölkerung eine sehr große Bedeutung
hat, ist im allgemeinen ganz günstig ausgefallen. Die Wein«
ernte, war eine sehr reiche und hat den sehr schwachen Ertrag
der 3 Vorjahre wieder einigermaßen ausgeglichen. Sowohl
quantitativ als auch qualitativ gehört das Jahr 1875 zu den
guten Weinjahren Heu und Feldfrüchle sind im Ganzen
ziemlich gut gerathen, wenn auch einzelne Distrikte und Lagen
weniger abwarfen. Die Viehpreise haben sich im Vergleiche
mit dem Vorjahre wieder eher gebessert, wenn sie auch nicht
mehr die übermäßige und ungesunde Höhe der Zeit nach dem
KriegSjahre erreichten. Zu hohe Preise können sich nie auf
die Dauer erhalten und haben dann immer eine KrisiS zur
Folge, die durch ihren plötzlichen Rückschlag der Landwirt
schaft nur Nachtheile bringt. DaS verflossene Jabr war daher
auch in dieser Beziehung ein guteS, indem die Nachfrage nach
Vieh, sowie die Viehpreise selbst in müßiger Höhe sich be-
wegten.
Der vielbefürchtete Rhein, der unserer Bevölkerung so viel
Arbeit und Sorge bereitet und alle Kräfte gespannt hält, hat
unS sehr glücklich mit seinen Fluthen verschont. Der Vor-
sommer brachte auS Frankreich, Deutschland und Oesterreich
und auS unserer benachbarten Schweiz eine ganze Reihe von
HiobSposten über gewaltige Ueberfluthungrn. Wir können eS
Mfyalb unserem Rheine doppelt zur Ehre anrechnen, daß er
dem Beispiele seiner Brüder und Schwestern nicht nachfolgte,
sondern unö in hochherziger Weise mit Unglück verschonte.
Mögen auch die kommenden Jahre daS gleiche Loblieb unserem
Rheine widmen können. CS ist aber auch gewaltig, was
unser kleines Ländchen feit einigen Jahren dem Rheine zum
Opfer brachte. Vom Jahre 1872—75 wurden nicht weniger
als 388.000 fl., also annähernd 1 Million Franken am
Rheine verbaut. Davon haben die Rheingemeinden allem ca.
180,000 fl. geleistet, die übrige Summe wurde durch Landes-
fubventionen aufgebracht. Es unterliegt keinem Zweifel, aß
sich die Rheingemeinden die letzten Jahre bedeutend uvetan-
strengten, und daß, wenn man auf gleiche Art fortbesteuert
hätte, eine große Anzahl von Familien geradezu ruinirt wor-
den wäre. Der neue Gesetzentwurf bezüglich der Rheinschutz-
bauten pro 1875/76 und 76/77, der durch den jetzigen Land-
tage im Juli fast einstimmig zum Gesetze erhoben wurde, sucht
diesem großen Uebelstande abzuhelfen Es wird durch dieS
Gesetz fortan der willkürlichen Besteuerung von S.eite der Ge-
meinden eine gerechte Schranke gesetzt,' indem die Umlage auf
vie Grund- und Gebäudesteuerwerthsumme 8 Perzent nicht
mehr überschreiten darf. Wenn man hiemit die 20—30 per-
zentige Umlage der letzten Jahre vergleicht, so genügt dies voll
ständig, um die Notwendigkeit und Gerechtigkeit des obigen
Gesetzes darzuthun.
Unser politisches Leben hat vom letzten Jahre nicht son-"
derlich viel Stoff dazu gegeben, um jetzt schon ein Resume nr
dieser Teziehung vorzuführen. Außer der üblichen Prüfung
und Genehmigung der Landesrechnung und der öffentlichen
Fondsrechnungen konnten nur wenige Vorlagen vom Landtage
endgültig behandelt werden. Es sind dieS in erster Linie da<
oben besprochene Rheinbausteuergesetz und das Gesetz über die.
Einführung der neuen Maß- und Gewichtordnung nach dem
metrischen Systeme. DaS letztere Gesetz ist bereits feit 1.
Jänner in Wirksamkeit getreten. Wenn auch die Angewöh-
nung an daS neue System manchen Leuten etwas Schwierig-
keit macht, so wird man sich doch bald damit vertraut machen,
umsomehr als in den LandeSfchulen schon seit Jahren daS ein-
heitliche Maß- und GewichtSsystem gelehrt wurde. Alle Kul-
turstaaten haben diese große und internationale Idee sich zu
eigen gemacht. Von nun an wird man überall mit gleichen
Maßen und Gewichten rechnen, und nicht mehr die ermüdende
Arbeit deS beständigen UmrechnenS zu thun haben.
Unsere wichtigsten Landesangelegenheiten: die Zollvertrags-
frage, die Münzfrage, sowie die Einführung einer neuen
Strafgerichtsordnung sind noch in der Schwebe, und es bleibt
dem Jahre 1876 vorbehalten, daß die endliche Lösung dieser
Fragen eintritt. Wir enthalten unS daher vorderhand jedes weiteren
EommentarS, indem wir auf die Besprechung dieser Fragen
in verschiedenen Artikeln der L. Wochenzeitung vom letzten,
Jahre verweisen.
Die „Liechtenst. Wochenzeitung", die jetzt den 4ten Jahr-
gäng antritt, wird auch fortan ihrem ursprünglichen Pro-
gramme treu bleiben. AlS unabhängiges Organ der öffent-
lichen Meinung wird sie sich auf dem Boden des rein Sach
lichen bewegen und alle wichtigeren LandeSfragen einer ruhigen
und leidenschaftslosen Besprechung unterziehen. Nur das
Wohl deS Landes im Auge behaltend wird sie auch gerne
Gegenansichten Raum gewähren, um so mehr als durch ruhi-
gen Austausch verschiedener Ansichten der Sache selbst und