Dritter Jahrgang
Vaduz, Freitag
Nr. SS.
den 28. Mai 187fr
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Landtagsverhandlungen.
Zusammentritt deS Landtages Montag, den 24. Mai. Beginn
der Sitzung Vormittags 10 Uhr.
Anwesend sind: LandeSverweser v. Hausen und die voll-
zählig erschienenen Abgeordneten: Anton Amann von Vaduz.
Pfarrer Erne von Vaduz, Futsche von BalzerS, Vorsteher Heed
von Rugqel, Vorsteher Kaiser von Mauren, Joh. G. Matt
von Mauren, I M. Oehri von Eschen, Hauptmann Rhein-
berger von Vaduz, Dr. R. Schadler von Vaduz. Dr. Schle-
gel von Vaduz, Alois Schlegel von Nendeln, Johann Schle»
gel von Triesenberg, Josef Walser von Triefen, LandeStbier-
arzt Wanger von Schaan.
LandeSverweser v. Hausen heißt zunächst die Versammlung
im Auftrage Sr. Durchlaucht deS Landesfürsten willkommen
und erklärt sodann, daß er auch für die Dauer deS heurigen
Landtags ' im höchsten Auftrage als fürstlicher LandtagSkom-
missär fungiren werde und in dieser Eigenschaft die diesjährige
LandtaqSsaison heute eröffne. Ferner dringt derselbe zur Kennt-
niß, daß Seine Durchlaucht die bisherigen fürstlichen Abgeord
neten Josef Walser und Joh. Georg Matt für eine weitere
6jährige AmtSperiode bestätiget habe und ersucht schließlich den
Abgeordneten Erne als Aeltesten der Versammlung das Prä-
sidium und den jüngsten Abgeordneten Dr R. Schadler die.
Protokollführung bis zur giltigen Konstituirung deS Landtages
zu übernehmen.
AlS erster Gegenstand der heutigen Verhandlungen erschien
die Prüfung der Wahlakten der neu eintretenden Abgeordneten.
Gemäß 8 5 der Geschäftsordnung hatte der zurückbleiben-
de Theil der Versammlung d. h. die nicht ausgetretenen Mit-
glieder als Kommission zur Prüfung der Wahlen zu fungieren.
Nachdem dieser Theil der Versammlung in 4 Abtheilungen
von je 2 Abgeordneten gruppirt die Wahlakten geprüft und
einhellig für richtig befunden, wurden fämmtliche Neuwahlen
für giltig erklärt.
Ein weiterer Gegenstand bildete die Wahl deS Landtags-
bureau und der Kommissionen für die Regierungsvorlagen.
Bei der Wahl deS Präsidenten waren 4 Wahlgänge noth-
wendig, da im 1., 2.und 3. Skrutinium ein absolutes Mehr
nicht erzielt wurde und nach der Verfassung erst im 4 Skru
tinium das relative Mehr entscheidet. Die Stimmen vertheilten
sich wie folgt:
Im ersten Wahlgange: Erne 7, Dr. Schlegel 6.
„ zweiten „ : Erne 6. Dr. Schlegel 7.
dritten „ : Erne 7. Dr. Schlegel 6.
u
vlerten
Erne 4.
Dr. Schlegel 8.
Somit wurde nach dem Ergebnisse deS vierten Wahlgan
ges gewählt: Dr. Schlegel.
Derselbe nimmt die Wahl an.
Die Wahl des Viee-Präsidenten ergab in einem Skruti-
nium ein absolutes Mehr für Erne, welcher die Wahl eben-
falls annimmt.
Bei der Wahl der Sekretäre gingen in einem Wahlgange
mit absolutem Mehr hervor: Hauptmann Rheinberger und
Dr. R. tzchädler.
Die Wahl der Kommission ergab folgendes Resultat: Ge
setzgebungskommission.' Erne, Rheinberger, Dr. R. Schadler/
Dr. Schlegel, Wanger.
Finanzkommission: Dieselben.
Den Schluß der heutigen Sitzung bildete die EideSgelo-
bung der neu eingetretenen Abgeordneten: Amann, Fritsche,
Heeb, Kaiser, Matt, Johann Schlegel, Walser.
Dieselben legten in die Hände deS Alterspräsidenten fol
genden Eid ab:
„Ich gelobe die Staatsverfassung und die bestehenden Ge-
„setze zu halten und in dem Landtage daS Wohl des Vater-
„landeS ohne Rebenrückstchten nach meiner eigenen Uebn-
„zeugung zu beobachten. So wahr mir Gott helfe."
Vaduz, 25. Mai. Sonntag den 23. ds. MtS. fand in
unserer benachbarten Schweiz eine Volksabstimmung über oblk
gatorische Einführung der Zivilehe und Beurkundung des Zi
vilstandes, sowie über die Stimmberechtigung der Schweizer-,
bürger statt Soviel bis jetzt bekannt geworden, ist das er*
stere Gesetz bezüglich der Ziviltrauung und deS ZivilstandeS
mit einer geringen Mehrheit angenommen, das letztere jedoch
bezüglich der Stimmberechtigung verworfen worden.
Politische Rundschau.
. Deutschland! Die „Times" äußert sich über den Besuch
deS KaijerS von Rußland in Berlin unter Anderem folgender-
maßen:
ES kann kein Zweifel darüber obwalten daß die Ansichten '.
deS Kaisers und die Borstellungen seines begabten Ministers, -
deS Fürsten Gortschakoff, einen entscheidenden Einfluß auf die
Geschichte Europa'S ausgeübt haben. E$ wäre vielleicht zu
viel zu behaupten daß der Besuch deS Kaisers die Stimmung
in Deutschland geändert habe, denn jedenfalls waren die An-
stchten des St. Petersburger HofeS lange bekannt ehe der Zar
in Berlin eintraf. Allein dieser Besuch und die besonderen
Umstände welche demselben vorhergingen gaben dem Kaiser
die Veranlassung feine Ansichten ausführlicher darzulegen und'
mit größerer Autorität zu vertreten. Wenn man annimmt daß
mit der schließlichen Erörterung und Entscheidung gewartet
worden sei biS der Kaiser von Rußland zu seinem Besuche