Liechtensteinische
Dritter Jahrgang.
Vaduz, Freitag
Nr. 20.
den 14. Mai 1875.
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Vaterländisches.
Baduz, 11. Mai. Die am letzten SamStage vor sich
gegangenen LandtagSwahlen haben folgendes Resultat ergeben:
Im 1. Skrutinium wurden mit absolutem Mehr gewählt: Herr
Landrichter Keßler, Altvorsteher Ferdinand Walser von Schaan,
Vorsteher Heeb von Ruggel und Joh. Alois Schlegel von Triefen-
herg. Da Herr Ferdinand Walser von Schaan die Neuwahl
resp. Wiederwahl ablehnte, so mußten noch zwei gewählt wer-
den. Und zwar gingen im 2 Skrutinium mit absolutem
Mehr hervor: Herr Altvorsteher Fritsche von BalzerS und
Vorsteher Kaiser von Ruggell.
Als Ersatzmänner wurden folgende 5 gewählt: Herr Alt-
Vorsteher Amman von Vaduz, Vorsteher Bargätzi von Triefen,
Franz Josef Biedermann von Schellenberg, Josef Tschetter von
Schaan und Vorsteber Joh. Georg Näscher von Gamprin.
Die Eröffnung des Landtages ist von Sr. Durchlaucht
dem Fürsten auf den 24. Mai festgesetzt
Baduz, 1 l. Mai. Der Wonnemonat Mai hat im Sturme
den langezögernden Blüthenfrühling hervorgezaubert und bis jetzt
durch schöne und sehr fruchtbare Tage seinen Wonnetitel gerechter-
tigt. i)ie 3 Eismänner: Servatius, Pankratius undZBonifaziuS,
die in den 3 nächstfolgenden Tagen gefeiert werden, werden uns
hoffentlich mit jeder kühlen oder gar frostigen Ueberraschung ver-
schont halten. Die Schneeschmelze geht schnell vor sich und wird
sehr durch die eingetretenen warmen Regen die über „Spitz u.
Berg" gingen, unterstützt. Der Rhein hat daher auch schon
ziemlich gewachsen und rauscht mir seinen trüben Wogen maje-
stätisch durch das ihm zugewiesene Flußbeet.
Nach eingegangenen Berichten ist gegenwärtig auf Flüla
und Albula große Lawinengefahr und der Transit der in un-
geheuerer Masse an verschiedenen Stellen angeäusneten Waa-
ren gänzlich unmöglich. Nur allein ayf dem Hospitz des Flüla
liegen gegen sechzig Kisten mit Flaschen ganz ungeordnet nebst
vielen anderen Waaren im Freien. Auf gleichem Bergpaß
auf der Ostseite bei Lateritscha, fand gestern während der
Durchfahrt der Engadinerpost eine höchst gefährliche Katastrophe
statt. Auf der Berghohe des Lateritscha bildete sich eine Warm-
Lawine', wie auf dieser Stelle wohl noch niemals gesehen
wurde. Vom Regen und sonst warmer Witterung ist der
Schnee faul. Die Lawine konnte erst beobachtet werden, als
die Postschlitten schon in großer Gefahr stunden. Mit furcht-
barer Macht wälzte sich dieselbe kaum einige Dutzend Meter
ab der wohl noch mit 10—12 Schuh Schnee bedeckten Straße,
FelS und Eisblöcke wie kleine Häuschen mit sich fortreißend.
Der vorsichtige Kondukteur, am besten die schwere Gefahr ein-
sehend, rieth daS Aussteigen an und die Passagiere flüchteten
sich nur kaum um 2—3 Minuten an sichere Stelle und ent-
gingen so dem schauderhasten Grabe. Die Lawine wurde von
.den Straßenarbeitern mindestens 150—160 Meter breit und
stellenweise 10—15 Meter tief berechnet. Glücklicherweise wa-
ren nur zwei Schlitten mit vier Passagieren; sonst wäre ein
schweres Unglück unvermeidlich gewesen.
Ueber den Saatenstand in Ungarn melden die Berichte in
erfreulicher Uebereinstimmung daß derselbe unter der bisher so
wechselvollen FrühjahrSwitterung nicht nur nicht gelitten,^ son-
dern ganz befriedigende Fortschritte gemacht habe. Der Boden
hat nahezu überall Ueberfluß an Winterfeuchtigkeit. Die Herbst-
saaten haben im Allgemeinen gut überwintert und auch die so
empfindliche RepSpslanze, deren Ertrag in Ungarn ein gut
Theil Erntekapitals bildet, berechtigt zumeist zu guter Hoffnung.
Auch den Weingärten und Obstbäumen ^hat der Frost nicht ge«
schadet. Nur in manchen Gegenden hat daS rasche Schmelzen
des Schnees ein Austreten der Gewässer bewirkt und den Bo-
den mit übergroßer Feuchtigkeit überzogen, welche das Früh-
jahrSpflügen behindert. Die letzten warmen und trockenen
Tage haben aber auch hier Vieles wieder in normalen Zu-
stand gebracht und gibt man sich daher aller OrtS der Hoff-
nung einer guten Ernte hin.
Politische Rundschau.
Deutschland. Fürst Bismarck kann, wie die „Berliner
Bürger-Zeitung" hört, im Parke deS ReichSkanzler-AmteS nicht
mehr spazieren gehen, ohne durch zudringliche Neugier in un-
leidlichster Weise behelligt zu werden. AuS den obern Etagen
der benachbarten, resp. gegenüber liegenden Gebäude, die einen
Einblick, in den Park gewähren, hat man nämlich die Stunden
abgelauert, in welchen der Fürst dort Erholung zu suchen pflegt.
Diese Stunden werden nun an den zu diesem Zwecke zu er-
heblichen Preisen gemietheten Fenstern jener Etagen von schau-
lustigen Fremden, namentlich Engländern, abgewartet, welche
den Reichskanzler durch riesige Doppelperspektive und sonstige
Augenwaffen während der Promnabe auf das Genaueste „be-
sichtigen."
Oesterreich. In Graz, der Hauptstadt SteiermarkS, hat
der Aufenthalt Don Alfonso'S (Bruder von Don CarloS) mit
seiner Gemalin Donna Blanea zu sehr tumultuarischen Un-
ruhen Anlaß gegeben.
Don Alfonfo und seine Gemalin Blanca hatten die Ge-
wohnheit täglich vor dem Seitenthore der Domkirche, in deren
Nachbarschaft sich die Universität befindet, zur Frühmesse vor-
zufahren.' Als dies am 27. April sich wieder ereignete, fam-
melte sich vor der Kirchenthüre eine große Anzahl von StU"
denten und empfingen die aus der Kirche Heraustretenden mit
Zischen und Pereat-Rufen und mit Schimpfworten wie: „Mord-
brenner, Räuber, Henker" u. s. w. Sicherheitswachen bahn-
ten endlich den Weg zu dem Wagen und zerstreuten die Mas-