um 4 Uhr in Eiron (Zndre). Ich bin der Anficht, die zweite
Erhebung hatte wieder eine bedeutende Höhe erreicht.
Gaston Tissandier.
* Bau-Maschine. DaS Wichtigste, was uns die letzte
Zeit aus Amerika gebracht hat, ist eine Backsteinmaschine,
welche die Arbeit deS MaurerS ersetzen soll. Die Backsteine
werden in Kasten hineingegeben, deren Boden Klappen find;
diese werden in einem bestimmten Tempo zurückgeschoben, wo-
rauf je ein Stein an seinen Platz fällt, vorher ist aber schon
durch ein Rad mit ähnlichen Vertiefungen Mörtel zugelassen
und mit einer Kelle auf die betreffende Stelle ausgearbeitet
worden. Mr Erfinder dieser Maschine ist Frank in New-
Bork. Ueber deren Leistungsfähigkeit verlautet noch nichts.
Jedenfalls ist ein Anfang gemacht und wenn die Sache in
richtiger Weise fortgeführt wird, so werden wir, sagt „Ar-
beitgeber," eS noch erleben, daß Häuser statt in einem Vier-
teljahre in einer Woche per Maschine gebaut werden.
* Entsetzliche Selbstmorde kamen in Paris in der letzten
Zeit wieder vor. Eine junge Mutter erhängte sich vor wem-
gen Tagen in Gegenwart ihrer Kinder, denen sie kein Brod
mehr zu verschaffen im Stande war, indem sie die Kleinen
bedeutete: sie wolle ihnen „ein neues Spiel zeigen!" Und
heme wird erzählt daß ein armer Schuster, entschlossen aus
Elend seinem Leben ein Ende zu machen, ein entsetzliches
Mittel ersann um die „Mildthätigkeit auf seine armen Kinver
zu lenken". Er lud ein Pistol, kniete vor seinem sechsjährig
gen Knaben nieder und befahl diesem „zum Scherz" loSzu-
drücken, zwischen die beiden Augen auf seine Stirn zu zielen.
Und daS Kind zerschmetterte den Schädel seines eigenen Va-
terS. Solche Gräuel geschehen inmitten der feinstea Civilisa-
tion, unter der Aegide der vielgepriesenen socialen Ordnung,
unter dem Schutz einer milden, gefügigen, „conservativen"
Republik!
Der Spieler.
AuS den Erinnerungen eines Arztes.
Mitgetheilt von Roderich Benedix.
(Fortsetzung.)
Gegen Abend kehrte ich zurück. ES war wieder lebendig
von Lustwandelnden und die Ermordung deS Engländers, noch
immer der Gegenstand der Unterhaltung, wie ich mit leichter
Mühe erkannte, denn die Vorbeigehenden sprachen laut und
eifrig. Endlich traf ich einige Bekannte und blieb bei ihnen
stehen. Diese theilten mir mit, daß die Behörden eine unge-
meine Thätigkeit entwickelt hätten, um dem Urheber der Unthat
auf die Spur zu kommen, überhaupt Licht in den dunkeln Vor-
fall zu bringen. Bis jetzt hatte man aber noch keine Spur
gefunden. Ein einziger Umstand hatte sich herausgestellt, der
eine Handhabe für Nachforschungen zu bieten schien. Als man
nämlich die abgeschossene Pistole näher ansah, fand eS sich, daß
dieselbe dem Wirth deS Gasthofs gehörte^ in welchem der Eng-
länder gewohnt hatte. Dieser Wirth hatte die Pistole auch alS
die seinige anerkannt und angegeben, er habe immer zwei ge-
ladene Pistolen über dem Bette hängen, von denen die gefun-
dene eine sei. Wie dieselbe aber zu der Leiche deS Ermordeten
gekommen, wollte er nicht wissen. Der Wirth war ein unbe
scholtener, wohlhabender Mann, den niemand eines Verbrechens
fähig hielt — auch diese Spur schien demnach nicht weit zu
* führen.
Während wir noch sprachen, entstand plötzlich ein Lärm,
ein Zusammenlaufen. Wir gingen der Gegend deS Auflaufs zu
und bald eilten einige Leute an uns vorüber mit dem Ausruf:
„ste haben ihn, sie bringen den Mörder!" Wir blieben stehen,
der zusammengelaufene Haufen öffnete sich und wir erblickten
bald zwei Landreiter, die einen Gefangenen in ihrer Mitte führ-
ten. Nie werde ich den Anblick dieses Unglücklichen vergessen.
Seine feine, elegante Kleidung war in höchster Unordnung u.
stellenweis zerrissen, sein Haupt war unbedeckt, die Haare hin-
gen ihm wüst um die Schläfe. Den Blick auf seine gefesselten
Hände gesenkt, ging er zwischen seinen Wächtern und nur zu-
weilen hob er einen Augenblick den Kopf, daß man sein tobten-
bleiches Geficht sehen konnte. Mir kam dieses Gesicht bekannt
vor, ich konnte mich aber im Augenblicke nicht entsinnen, wo
ich eS gesehen hatte. Die Menschen verliefen sich nach und
nach, auch ich ging nach Hause, um meine Sachen für meine
Abreise deS andern TagS zu packen.
AlS ich in den Saal des Gasthofs zum Abendessen her-
unter kam, war begreiflicherweise von nichtS als von Er-
eigniß deS TageS die Rede. Man beschäftigte sich jetzt vorzüg-
lich mit der Person deS jungen Mannes, der als muthmaßl i-
cher Mörder verhaftet worden war So viel stellte sich im Ge- *
spräche nach und nach heraus, daß .dieser junge Mann seit
einigen Tagen in dem Badeorte anwesend gewesen war. Weh-
rere hatten ihn oft und unglücklich spielen sehen. Ich entsann
mich jetzt auch, daß mir sein Gesicht am Spieltische aufgefallen
war. Andere wollten wissen, daß er am Abend vorher unge-
wöhnlich stark gespielt u. sehr viel verloren habe. Auch wußte
man, daß er mit dem Engländer in einem Gasthofe gewohnt
hatte. Die Vermuthung, daß Verzweiflung über den Spielver-
lust den jungen Mann zu einem Raubmorde getrieben, ergab
fich fast von selbst. Die Landreiter hatten ihn auf einsamen
Waldwegen getroffen, er hatte versucht, sich vor ihnen zu ver-
bergeu, auf. ihr Anrufen war er geflohen und hatte dadurch
den Verdacht gegen sich erst recht hervorgerufen. AlS ihn die
Landreiter eingeholt, hatte er unzusammenhängende, verwirrte
Antworten gegeben, immer von Erschießen gesprochen und sich
anfangs seiner Festnehmung wie rasend widersetzt, ^so daß eS
den Landreitern nur mit Anwendung von Gewalt gelungen
war, ihn festzunehmen und ins Gefängniß zu bringen.
DaS war eS , was ich von der unglückseligen Geschichte
erfuhr. In der Frühe des andern Morgens reiste ich ab und
noch Tagelang lag mir daS Ereigniß im Gedächmiß, bis ich
es nqch und nach vergaß.
Einige Monate nach diesen Vorfällen führte mich der Zu-
fall wieder durch *** Der Badegäste waren weniger gewor-
den'^ denn der Herbst begann schon sich nach und nach anzu-
kündigen. AlS ich die Stadt von fern erblickte^ trat mir die
Geschichte des Mordes, die ich fast vergessen hatte, wieder recht
lebendig vor die Seele, doch bald sollte ich noch mehr an sie
erinnert werden. Kaum im Gasthofe abgestiegen, erfuhr ich,
daß TagS darauf die Verhandlungen wegen jenes Verbrechens
vor den Geschworenen beginnen sollten. Ich beschloß sogleich,
meine Weiterreise um einen Tag zu verschieben und der Ge-
richtSsitzung beizuwohnen.
Mit Mühe nur erhielt ich am andern Morgen einen gu-
ten Platz im Gerichtssaale, der zum Ervrücken voll war von
Neugierigen, welche der merkwürdiges RechtSfall herbeigelockt
hakte. Die Verhandlungen begannen wie gewöhnlich mit der
Bildung deS GeschwornengerichtS und ver Vereidigung dessel-
ben. Dann wurden die Angeklagten hereingeführt. Ich war
erstaunt, zwei Angeklagte zu sehen, da ich nur von einem
wußte, auf dem dringender Verdacht lastete. Der Anklageakt
ward verlesen. Er begann mit der Erzählung deS Thatbestan-
des, er berichtete, wie der Engländer erst vermißt, dann er-
schlagen aufgefunden, wie der erste Angeklagte (er mag Theo-
bald heißen) unter verdächtigen Umständen verhaftet, wie man
später bei dem zweiten Angeklagten (dieser mag Friedhelm hei-
ßen) Uhr und Tuchnavel deS Ermordeten gefunden habe und
er dadurch der Theilnahme an dem Verbrechen verdächtig fei.
Die Slnklage gegsen beide Angeschuldigte lautete dann auf ge-
meinschaftlichen Mord mit Vorbedacht.
DaS Benehmender beiden Angeklagten war während die-
fer Vorlesung sehr verschieden. Tbeobald saß mit innerer Auf-