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Liechtensteinische
Dritter Jahrgang
BabUZ, Freitag
Nr. 18.
den 30. April 1875.
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Vaterländisches.
Baduz, den 28. April. Montag den 26. d. M. fand
hier die JahreSprüfung der LandeSfchule in folgenden Fächern
statt: Religionslehre, deutsche Sprache, Geschichte und Geo
graphie, Geometrie und Stereometrie, Naturlehre, Buchhal»
tung und Gesang
Nach dem Unheils Sachverständiger ist das Resultat dieser
Prüfung alS ein durchaus zufrieden stellendes zu bezeichnen;
in besonderer Weise haben die aufgelegte^ Probeschriften und
Zeichnungen entsprochen.
Baduz, den 27. April. Im Laufe dieser Woche finden
im ganzen Lande die Wahlmännerwahlen durch die Urwähler
der einzelnen Gemeinden statt zum Zwecke der nachherigen
Wabl von 5 Landtagsabgeordneten, indem die Mandate von
5 Abgeordneten mit diesem Jahre erloschen find.
Die Zahl der zu wählenden Wahlmänner beläuft sich in
jeder einzelnen Gemeinde nach Maßstab der Bevölkerungszahl
wie folgt:
BalzerS mit 1073 Einwohnern hat 22 Wahlmänner zu
wählen. Triefen mit 93 t — 18 Vaduz mit 887 — 18
. Triesnerberg mit 1003 — 20 Schaan mit 982 — 20
Planken mit 144 — 2 Eschen mit 897 — 18 Mauren
mit 926 — 18 Ruggell mit 520 — 10 Gamprin mit
344 — 6 Schellenberg 382 — 8
Politische Rundschau.
Deutschland. Bon vielen Seiten wird in Deutschland
an die oberste ReichSbehörde das Ersuchen gestellt. daS Pferde-
Ausfuhrverbot, von dem wir seiner Zeit in unserem Blatte
berichteten außer Kraft zu setzen. In letzterer Beziehung ist
auch daS Konnte des Neu-Brandenburger Zuchtmarktes so
glücklich gewesen vom Reichskanzleramte die Ausfuhr-Erlaub-
niß für die auf jenem Markte gekauften Pferde zu erwirken,
jedoch muß in jedem einzelnen Fall nachgewiesen werden, daß
daS betreffende Pferd auf dem erwähnten Markte gekauft wor-
den, und außerdem ist auch daS Zollamt nahmhaft zu machen,
an welchem die Ausfuhr erfolgen soll. Eine weniger günstige
Aufnahme dürfte dagegen an maßgebender Stelle die Vor-
stellung gefunden Haben, welche die LandeSpferdezucht-Kommis-
fion deS Union-Klubs unterm 13. d. an den Reichskanzler ge-
richtet hat, und iy welcher unter Darlegung der unserer
Pferdezucht durch die Aufrechterhaltung deS Ausfuhrverbots
erwachsenden Nachtheile, die vollständige Beseitigung jenes
Verbots erbeten wird. Das VereinSorgan hegt zwar die Hoff-
nung, daß die LandeSpferdezucht in Folge der von so kompe-
tenter Seite erhobenen Stimme baldthunlichst von dem schwer
au/ ihr lastenden Alp werde befreit werpen. Natürlich würde
man allgemein die generelle Aufhebung deö Pferde-AuSfuhr-
verbotS mit Freuden begrüßen, weil wohl nichts mehr geeignet
wäre das stark geschwächte Vertrauen in eine friedliche Zukunft
wieder zu befestigen als eine solche Maßregel. Deßhalb steht
man denn auch mit Spannung der Entscheidung über die
erwähnte Eingabe entgegen.
Ein anderes Thema, daS die deutsche und ausländische
Presse lebhaft beschäftigt, ist der deutsch-belgische Notenwechsel.
Der deutsche Gesandte Pargrecher in Brüssel übergab dem
belgischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten eine Note,'
worin Belgien daran erinnert wird, deutschfeindliche Aeußerun-
gen der belgischen Presse zu verhindern. ES wird hier insbe
sondere auf die Meinungsäußerungen verschiedener belgischer
Blatter, die gegen die preußische Kircheypolitik auftreten, hin-
gewiesen. Die belgische Antwortnote spricht sich verneinend
auS, indem sie hauptsächlich detont, daß im Interesse der bel
gischen Preßfreiheit und der getrennten Verhältnisse von Kirche
und Staat in Belgien ein Einschreiten nicht genügend begrün-
det sei, umsomehr als Belgien, unabhängig und neutral, seine
internationalen Pflichten nie aus dem Auge verloren habe &
selbe auch in Zukunft stttS in ihrem ganzen Umfange
erfüllen werde. Äe Rachncht: Rußland und Oesterreich hät-
ten die deutsche Note offiziell unterstützt, hat sich nicht bestätigt.
Oesterreich. Rußland hat die Tranfitgebühren für Ge
treide auS Südrußland nach dem Westen von Europa über
Deutschland bedeutend ermäßigt. Die Ungarn übersehen den
ungeheuren Nachtheil hievon auf die Märkte Ungarns und
Siebenbürgens nicht und drängen auf Taxenermäßigung bezüg
lich deS Transits durch ihr Land.
Frankreich. Die Versicherungen der Friedensliebe und
der KnedenSbedürftigkeit Frankreichs stehen fortwährend noch
auf der Tagesordnung der französischen Blätter. DaS „Echo
Universel" erklärt sich in dieser Sache also: „Wir können
hoch und theuer versichern, daß eS in Frankreich in keiner
Partei und in keiner Klasse der Gesellschaft einen Staatsmann
oder auch nur einen einfachen Privatmann gibt, welcher daS
Land in gefahrvolle Abenteuer und in eine antipatriotischh
verbrecherische, wahnsinnige Politik stürzen will."
Wir stehen vor einer seltsamen Erscheinung: die franzöfis
scheu Blätter beschuldigen Deutschland, daß e£ kriegerische Ab
sichten gegen ihr Land hege, und die Berliner Zeitungen klagen
zu derselben Zeit die Franzosen friedenöwidriger Bestrebungen
an. Und daS geschieht jetzt nicht zum ersten Male, sondern
eS ist in den lehren Jahren schon mehrfach dagewesen. Bei
konsequenter Durchführung dieser Methode müßten die Staaten
einander schließlich wirklich in die Haare gerathen, bloß weil
die Organe der öffentlichen Meinung einander mit stetS ge-
steigertem Mißtrauen entgegenkommen. —