Potsdam. Der Briefträger wird der Ueberraschung wegen
gebeten, nicht zu sagen, wo der Brief herkommt. Louise
Schmidt." — „An den Schreinergesellen Eduard KommeS in
Köln am Rhein. Aber nicht der mit rothem Haare, daS ist
fein Bruder und heißt Gottlieb und ist Sattler." —
Madame Reckwaller in Leipzig. Ob sie nicht verheirathet ist,
weiß ich nicht; eS kann also auch sein, daß sie jetzt anders
heißt." — „An den Schuster Gustav Niering aus Gimmers
dorf, wohnt bei der Schwester Jette in Berlin Frei. Schafs-
kopp, mach deine Briefe doch auch frei." — „An Herrn
Fähnvrich Michel Kom zu Frankfurt am Mein. Wenn er auch
den Brief nicht annehmen will, er muß ihn annehmen, sagen
Sie nur, er kommt von mir. Marie."
*Alte Leute. Zn Hohensülzen in Rheinhessen starb diese
Woche der JSraelite Simon Levy im Alter von 106 Jahren;
er hinterläßt eine Nachkommenschaft von 65 Personen, darun-
ter 3 Kinder, die auch bereits Siebmziger find. — Zn Baden
bei Wien starb am 7. Februar Louis Antoine Hoel St. Gil-
bert im Alter von 104 Jahren. St. Gilbert gehörte einem alt-
adeligen Geschlechte der Vendee an, war in semer Jugend
Edelknabe am königlichen Hofe zu Paris, rettete sich während
der Revolution 1^789 nach Oesterreich und trat hier in Mili-
tärdienst, um die Kriege gegen Napoleon mitzumachen. Im
Jahr 1832 ging er wieder nach Paris, daS er aber im Jahr
1352 neuerdings verließ und sich in Wien ansiedelte, wo er
seitdem lebte. Mit St Gilbert erlischt ein altes Vendee'scheS
Adelsgeschlecht. — Daß Leute in diesem Alter sterben, ist nun
zwar bemerkenswert!), aber etwaS ganz Außerordentliches ist
«S nicht. Einzig in seiner Art ist es aber vielleicht, wenn Je-
mand in diesem Alter noch heirathet. DaS ist dieser Tage in
einer Gemeinde bei Zinnwald an der sächsisch-böhmischen Grenze
geschehen. Die in dem Alter von 103 Jahren stehende Wittwe
Anna K heirathete nämlich zum vierten Male. Zu ihrem Gat-
ten hatte sie einen 60jährigen Wittwer erkoren. Die Braut ist
trotz ihres hohen Alters noch vollkommen gesund und besorgt
noch immer alle häuslichen Arbeiten. In ihrem ganzen Leben
war Anna K. bloS einmal u. zwar als Schulkind durch sechs
Wochen krank. Das Hochzeitsfest verlief in der fröhlichsten
Stimmung; eS hatten stch fast alle Kinder der greisen Braut
eingefunden, darunter der älteste Sohn, ein Pens. Beamter aus
Prag, der auch bereits das 80. Lebensjahr überschritten hat.
Das Wellengefangniß.
Em Abenteuer.
Ich sah nie einen Menschen, sagte mein Freund, der nicht
in irgend einer Periode seines Lebens ein oder mehrere Male
dem nahen Tode entronnen wäre. Ein Schritt weiter dahin,
oder ein Schritt weiter dorthin und der Tod wäre ihm gewiß
gewesen. Wunder von Erhaltung sind in Aller Erfahrung
aufgezeichnet, und wenn wir bedenken, wie oft die geringste
Ursache zu einem schlimmen Resultate führt, so ist eS kein
Wunder, daß man so gerne an ein wunderbares Eingreifen
der Vorsehung glaubt. Ich bin mehrere Male mit genauer
Roth dem Tode entkommen, doch die geringste Hoffnung auf
Erhaltung meines Lebens hatte ich vergangenen Sommer ES
war das einzige Mal, daß ich alle Hoffnung aufgab und
mich zum Tode vorbereitet habe.
Karl Poole und ich brachten einige Wochen in Conway,
New-Hampshire, bei den ersten aller Gutsbesitzer, bei Jonathan
Dow von ConwayhauS, zu und amüsirten uns auf die kost-
lichste Weise. Unser Hauptvergnügen bestand übrigens im
Forellenfang in dem Swiftstuß. Dieß ist, wie schon der Name
bezeichnet, ein wilder rauschender Strom, der seinen Ursprung
in den Bergen hat und nicht weit von unserer Wohnung in
den Saco mündet. Eines Morgens machten Karl' und ich
uns auf den Weg: wir wollten den ganzen Tag diesem länd
lichen Vergnügen widmen. Wir fuhren ungefähr 6 Meilen
und überließen unser Gespann der Sorge eines Pächters, der
nahe am Fluße wohnte, und giettgen zu Fuß 4 Meilen wei
ter in der Absicht, an diesem Punkte zu fischen.
Als wir den Ort erreichten, wo wir mit dem Fischfang
beginnen wollten, durchwatete ich die Wellen, um an die an-
dere Seite des Stromes zu kommen, während mein Freund
diesseits blieb. Wir hatten etwa eine Stunde gefischt, als wir
entdeckten, daß ungeheure Wolken über den Bergen aufstiegen,
welche uns Regen in Aussicht stellten, aber ich war zu sehr
beschäftigt, um lange daran zu denken. Die Forellen bissen
an und ich brachte sie immer so rasch wie möglich ans Ufer.
Endlich begann der Regen und kam gleich so in Strömen,
daß ich genöthigt war ein Obdach zu suchen. Karl ging jen-
s>itS dem Walde zu und ich fand einen trockenen Platz ganz
nahe Nicht dreißig Fuß von der Stelle, wo ich stand, als
ver Regen begann, war ein Felsen am Ufer, unter dem ich
Schutz wie in einem Hause fand. DaS User deS Flusses
war hoch und steil und zeigte eine beinahe senkrechte Fläche
aus hartem gemeinem Mergel und Kiesel. Der Felsen, der
mir als Dach diente, schien mir der Borsprung eineS Felsen-
riffS zu sein, denn die Grundlage, auf der ich saß, war eben-
sallS Felsen, der sich nach oben und nach unten ausdehnte.
Als ich um mich blickte, schien mir der Platz eigens zum Schutz
dache gemacht zu sein. Der überhangende Felsen war so
groß, daß kein Regen mich berühren konnte, und dazu war
noch eine Art felsiger Schutzmauer rings um mich, welche daS
schlammige Wasser, das vom Ufer zu kommen begann, ver-
hinderte, auf meinen Sitz zu stießen. Diese Schutzmauer ent-
stand theilweise durch daS Aushöhlen der innern Oberfläche
durch heftiges Anschlagen der Wellen zu Zeiten einer Ueber-
schwemmung, theilweise durch andere Felsen, welche bei den
FrühltngSstürmen hieher geschleudert wurden. Der Regen
strömte mit wachsender Heftigkeit herab und nach Verfluß von
einer halben Stunde dachte ich daran mein Obdach zu ver-
lassen, um eine Stelle zu suchen, wo ich über den Fluß kom-
men könnte, denn ich wußte, baß mir bei längerem Zögern die
Möglichkeit zuletzt ganz genommen würde, da der Strom im-
mer mehr anschwoll, wenn eS in den Bergen regnete. Ich
überlegte mir die Sache, ob ich herauskriechen sollte, und war
eben dazu entschlossen, als ich einen dumpfrollenden Ton über
meinem Kopfe hörte. Ich sah auf und erblickte den Felsen
über mir in Bewegung. Ich durfte nicht wagen herauszu-
springen, weil Die fallende Masse mir Gefahr drohte: so eilte
ich schnell zurück in mein Versteck, und während ich das that,
stürzte das gewichtige Dach mit einem dumpfen schweren Krach
herab. ES ruhte nur auf dem Mittelpunkt des FelsenS, der
die Rückwand des Winkels bildete, aber der vorstehende Theil
war bei weitem der dickste und schwerste. Der Theil deS
UferS, der ihn in seiner früheren Stelle gehalten hatte, wurde
durch den Strom der über ihn herschoß, gelockert, und so löste
sich der Felsen ab und stürzte zusammen. Sobald ich bemerkte,
daß daS Stürzen des FelsenS innehielt, dachte ich wieder da-
ran herauszugehen, und als ich meine Sinne, die durch die
Katastrophe ganz zerstreut waren, wieder gesammelt, kroch ich
vorwärts, doch da gewahrte ich, daß ich jetzt noch schlimmer
daran war denn zuvor. Ich war eingeschlossen! Nichteine
Stelle, um nur meinen Kopf durchzustecken, konnte ich finden!
Der Damm, der den schmutzigen Schlamm deS UferS vom
Eindringen abgehalten hatte, war nun zur Mauer geworden,
und das schwere Dach lastete so fest darauf, daß jedes Loch
zum Entkommen verstopft war. Ich versuchte die Felsen,
welche abgerissen waren, zu bewegen, aber umsonst, ich hätte
eben so leicht meine Kraft an einem Berg versuchen können.
Ich überzeugte mich balv, daß nicht eigene Macht mich auS
diesem Gefängniß befreien konnte, und fing deshalb an um
Hülfe zu rufen. ,
Ich hoffte, mein Freund werde mich hören, aber ich hoffte