Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

* Eine mystisizirte Douane. Ein englischer Lord 
begab sich, um seine zerrüttete Gesundheit ^wieder herzustellen, 
nach Boulogne Da er hier aber von Tag zu Tag kränker 
wurde, ließ er einen berühmten Arzt von London kommen. Al- 
lein alle Kunst u. Sorgfalt, die dieser Heilkünstler anwendete, 
waren fruchtlos, der Kranke starb. Die Verwandten deS Ver- 
storbenen wünschten, daß sein Leichnam nach England überführt 
werde und schrieben deßhalb an Doktor H . er möge alle 
hiezu erforderlichen Vorkehrungen treffen. Dieser ließ nun den 
Körper deS Verstorbenen in einen Sarg von Blei legen, wel- 
cher mit Weingeist angefüllt warv; hierauf schiffte sich der Arzt 
mit demselben ein. — Angekommen bei der englischen Mauth- 
behörde, machte der Doktor die betreffende Deklaration, übergab 
den Sarg und versprach, am andern Morgen wieder zu kom- 
men. Während die Mauthdiener den Sarg in ein anderes Lo 
kal schafften, vernahmen sie in demselben ein sonderbares Ge- 
rausch, ähnlich dem Schwanken einer Flüssigkeit in einem Fasse 
Einer derselben, ein alter FuchS, vermeinte hierin etwaö ver- 
dächtiges zu finden, er drehte den Sarg hin und her, roch 
mehrmals an demselben und rief dann: „DaS ist Franzbrannt 
wein!" Dieses Wort brachte einen magischen Effekt hervor. 
Ein Mauthbeamter eilt herbei, ergreift feine Sonde und 
bohrt sie in die Bahre; er fängt mit einem großen Glase 
die Flüssigkeit auf, trinkt sie aus und spricht: „Welch herrli- 
cheS Getränk!" Er füllt das GlaS mehrmals und läßt eS 
zirkuliren. Die Mauthner fanden den Gedanken ganz origi- 
nell, einen Leichnam statt Branntwein zu deklartren und be 
eilten sich, einen Verbalprozeß einzuleiten. 
Andern Morgens kommt der Doktor, um sein Depositum 
zu rcklamiren. Man erklärte ihm, daß dasselbe mit Beschlag 
belegt sei, weil man von dem Inhalte desselben Kenntniß ge- 
nommen habe, den man von vorzüglicher Qualität gefunden 
habe. Dem Arzte standen vor Entsetzen die Haare zu Berg. 
„Sie haben davon gekostet?" fragte er. — „Freilich", ant 
wortete man ihm von allen Seiten, „und er ist noch von sehr 
respektablem Alter; Sie aber werden diese Kontrebande theuer 
zu bezahlen haben." Bei diesen letzten Worten befürchtete 
der Arzt, man möchte vermuthm, er habe den Kadaver in 
Frankreich für sein anatomisches Kabinet gekaust, und daß 
dieß wahrscheinlich ein verbotener Artikel sei. „Ich versichere 
Sie", ergriff nun der Doktor das Wort, „daß dieser Sarg 
nichts enthält, als die irdischen Ueberreste eineS englischen 
Kavaliers, der in Boulogne unlängst gestorben ist." Man 
lachte ihm in'S Gesicht; der Arzt aber ließ nun den Sarg 
öffnen. Beim Anblicke der im Weingeist schwimmenden Leiche 
prallten die Douaniers voll Furcht unv Entsetzen zurück und 
schwuren, freilich ein wenig zu spät, auf ähnliche Weise sich 
nicht mehr mystifiziren zu lassen. 
* Salomonisches Urtheil. Vor einem Friedens- 
richter in Paris erschien ein Ehepaar, um nach zehnjähriger 
Ehe sich scheiden zu lassen. „Habel? Sie Kinder?" fragte der 
Richter. — „O ja, mein Herr!" — „Wie viel?" — „Drei, 
2 Zungen und ein Mädchen, und daS ist der Grund weßhalb 
wir zu ihnen kommen. Madame will zwei Kinder behalten, 
ich aber auch!" — „Wollen Sie," fragte der Richter, „sich 
beide mit deiner Entscheidung zufrieden geben?" — „Om, 
Monsieur!" riefen Beide. — „Wohlan; Sie warten Beide, 
bis noch ein viertes Kind da fein wird; dann hat Jedes von 
Ihnen zwei, und ich werde bestimmen, wie die Kinder dann 
zu vertheilen sind." — Das Ehepaar fügte sich, und der 
Richter hörte nichts wieder von ihnen. Endlich, nach mehr 
als zwei Jahren, begegnete er dem Gatten. ,.Eh bien, Mon 
sieur, wie steht'S?" — „Ach, Herr Richter, von der Tren- 
nung kann jetzt noch nicht die Rede sein. — „Noch nicht?" 
„Nein; nun haben wir wieder fünf Kinder!" — „Also war 
ten Sie noch!" meinte der Richter. 
* Gespräch aus der Gegenwart. Frau: Jetzt loS 
Ma, so wottiS nümme ha. Du bist nie daheime, all Obed e 
Verein, nie z'rächter Zit hei; jede Sunntig en andere USflug 
und albedS ohne Frau und Chind. Jetzt fohst mer emol ä 
regelmäßig^ Lebe-na. 
Mann: Lueg Frau, du bist im Unrecht; regelmäßiger als 
r cha Niemer lebe. Vormittag gohn-i regelmäßig zum Adsynth, 
Nomittag regelmäßig zum Kaffe, am Mändig und Dunstig 
gohn-i regelmäßig in Johrgängerverein, dort redemer regelmä- 
ßig vo Politik und trinke regelmäßig 6 Schoppe Bier bis am 
Zwölf!; am Zistig, Fritig und Samstig gohn-i regelmäßig zum 
Pandur in d'Halle, panvure bis am Zwei, chume regelmäßig 
am halbidrü am Morge hei, am Mittwoche gohn-i regelmäßig 
i Chegelklubb und verspiel regelmäßig 6 Fläfche, am Sunntig 
mach-i regelmäßig en Usflug mit mine Fründe; e regelmäßi- 
gere Ma chast du gar niene finde. 
Volkswirthschastliches. - 
Die Futternoth. 
(Nach einer Abhandlung von Fr. Römer.) 
(Fortsetzung.) 
C. Für.sorge für daS nächste Jahr. 
Die Übeln Folgen des Futtermangels machen sich nicht bloS 
im Jahr des Mangels geltend, sondern erstrecken sich auch auf 
daS nächstfolgende, ja mehrere nachfolgende Jahre. 
In dieser «Richtung möchte Nachstehendes vorzukehren sein: 
1. Den zum Umbruch im Herbst bestimmt gewe- 
senen Klee, sofern sein Stand schön ist, lasse man noch auf 
das nächste Jahr stehen, wo er jedenfalls noch einen guten 
Schnitt liefert. Der zweite Schnitt wird gewöhnlich gering/ 
und man thut daher wohl, den Klee, sofern man auf Futter- 
gewinnung ein Hauptgewicht legen muß, nach dem 1. Schnitt 
ganz umzubrechen und mit Runkeln, Wickfutter, Welschkorn, 
Zuckermoorhirse zu bepsttUizen. Will man nach dem t. Schnitt 
kein weiteres Futtergewächs auf demselben Acker erzielen, so 
folgen gut: RepS, Tabak ic Dreifelderwirtschaft mit dem 
damit gewöhnlich verbundenen Flurzwang hindert an diesem 
Verfahren nur dann, wenn daS betreffende Feldstück keine Zu- 
fahrt hat. 
2. Ansaat von Jncarnatklee ohne Ueberfrucht wird 
gleich nach der Erndte des GetreivefeldeS vollzogen, dem man 
nur eine Pflugfurche dazu gibt. Dieser Klee liefert sehr früh 
im nächsten Jahr einen Schnitt, der aber nicht, zu alt werden 
darf, weil ihn dann daS Vieh in grünem Zustande nicht gerne 
annimmt. Jndeß ist dieser Klee gegen rauhe Winter empfind- 
lich. Nach dem Abmähen können auf dem Acker recht gut fol- 
gen: Kartoffeln, Runkeln, Wickfutter, Mais, Tabak, RepS, 
Hanf, Kraut (KappiS). 
3. Futtergemenge von Wicken, Erbsen, Hafer, Acker- 
bohnen (z. B. 2 Sester Wicken, 1 Sester Erbsen, 2 Sester 
Hafer, i Sester Ackerbohnen per Juchart) ist eine sehr empfeh- 
lenSwertHe FrühjahrSsaat, nach deren Aberntung das Feld noch 
zu Weißrüben, verpflanzten Runkeln, RepS :e. sehr tauglich 
ist, wenn eS nicht sofort zur Aufnahme von Wintergetreide 
hergerichtet werden will. 
4. Futterroggen, besonders in Mischungen mit Win- 
tererbsen (grauen, französischen Erbsen), ist ein sehr frühes 
Futter, daS namhaften Ertrag gibt, wenn die Erbsen nicht er- 
frieren, waS in rauhern Lagen oft der Fall ist. Säet man 
bloS Roggen, fo wird die Einsaat um l / 4 stärker gegeben als 
zum Reifwerden. Nach dem Futterroggen lassen sich noch Wik- 
kengemenge, Runkeln, RepS, Weißrüben, Tabak, Buchweizen 
bauen. 
5. Spergel hat den Vorzug schneller Mähbarkeit, liefert 
aber wenig, obwohl vortreffliches Futter und verdient nur auf 
sandigem, kraftlosem Boden empfohlen zu werden, wo andere 
Futtergewächse keinen entsprechenden Ertrag geben. Doch kann
	        

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