über das Gebühren und Treiben der Karlisten folgende Mit-
theilungen:
„ES bestätigt sich immer mehr, daß viele Gefangene der
letzten Gefechte niedergemetzelt wurden und daß später der
zehnte Theil der übrigen zum Vergnügen der fanatischen Be
völkerung von Estella erschossen worden ist. Dieses fanatische
Nest hat eine entsetzliche Blutschuld -auf sich geladen. Man
muß schon die blutigsten Blätter der Geschichte nachschlagen,
um Beispiele ähnlicher Grausamkeiten zu finden, wie sie der
wildeste Fanatismus hier tagtäglich an wehrlosen Gefangenen,
einerlei ob Soldaten oder nicht, verübt.
Vielleicht erinnert sich mancher Leser noch deS Berichts
über einen felsigen Abgrund, an dessen Rand man solche Ge-
fangene zu stelleri pflegte, die man nicht ausdrücklich unter ir-
gend einem Vorwande zum Tode verurtheilen kann, um so
lange mit Stöcken auf sie loSzuhauen, bis sie, vom Schmerz
übermannt, in die Tiefe stürzten. Ein gefangener Karlist er-
zählte dieser Tage, daß in dieser Cima sich bereits an sechs
hundert Leichen befinden. Dieselbe schaurige Zahl wurde mir
vom Kommandanten der ContraguerrillaS der Rioja, Benito
de Arenzana, angegeben, der mit seinen 30 Leuten die großen
Magazine von Aleanadre bewachte und mit den PartidaS am
andern Ufer täglich Gefechte besteht.
Dieser würdige alte Soldat erzählte mir, daß dieser Tage
noch ein junger Mann aus Logrone in jenen Abgrund ge-
stürzt jworden sei. Er war keines andern Verbrechens schul-
dig, als daß er sich mit einem mit Branntwein und Eßwaaren
beladenen Kärrchen zu den Truppen begeben wollte. Unter-
wegS von den Karlisten gefangen, wurde er nach Estella ge-
bracht und dort hieß eS gleich: ä Ja cimaj Der wahrschein
lich durch vulkanische Kräfte entstandene Abgrund ist so tief,
daß man von oben daS Anschlagen eineS hinuntergeworfenen
Steines nicht vernimmt. Das Gedächtniß deS galten Oberst-
lieutenants war ganz angefüllt von Beispielen ähnlicher Grau-
samkeit. Zwei Brüder unter seinen Freiwilligen hatten eine
Schwester, die verheiratet und im 6. Monate gesegnet und
außerdem Mutter von 4 Kindern war. Dieses arme Geschöpf
fiel der Rotte deS Cabecilla Lizarraga, der um Viana spuckte,
in die Hände, und dieser Unmensch erschoß die Unglückliche
bloß wegen ihrer Verwandtschaft mit den beiden Freiwilligen,
nachdem er ihr zuvor Gewalt angethan. Dieselbe Partida
hat verwundeten Freiwilligen häufig die Augen mit dem Ba-
jonnet ausgestochen. Mit dem Leben kommt keiner dieser Leute
davon, der in ihre Hände fällt.
Hier hört man oft, wenn von solchen Dingen die Rede
ist: „Es ist eine Schmach für unser Land!" Ja, und wenn
eS tausend Mal und aus hundert Gründen nicht zu ändern
ist, man kann sich hier am Orte der Schandthaten des bittern
Gefühls nicht erwehren, welches eS als eine Schmach für un
sere ganze. Staatenfamilie und das ganze europäische Konzert
empfindet, daß der Aufschrei der empörten Menschlichkeit keine
Hoffnung hat, etwas Anderem zu begegnen, als tauben Ohren
und diplomatischen Bedenklichkeiten."
Türkei. AuS Kleinasien meldet man von ungeheuren
Regengüssen, wie sie seit 1864 noch nie so anhaltend gewe
sen. Mit nur geringen, etwa 2- bis Ztägigen Unterbrechun-
gen hat es fortgeregnet. Die letzten vom 14. d. M. an ge-
fallenen starken Regengüsse haben eine furchtbare Verwüstung
angerichtet. Die Flußthäler deS HermuS sowohl alS die deS
Mäander sind in einen See verwandelt, und auf mehrere
Meilen weit wurden größere Ortschaften und Dörfer über-
schwemmt. Der Eisenbahnverkehr war eine Weile unterbro-
chen. Der Verlust an Hab und Gut ist groß. Da beson-
derS die ackerbautreibende Bevölkerung von der Heimsuchung
arg betroffen wurde, so erscheinen die rege gewordenen Be-
sorgnisse eines zu erwartenden Mißjahres nur zu begrundent.
Der „N. Z.-Z." wird über die HungerSnoth in Kleinasien
geschrieben: Im Vilajet Angora, daS durch die Zucht seiner
Schafe und Ziegen einen Weltruf erlangt hat, gibt eS faß
kein Dorf, daS nicht durch die HungerSnoth mindestens die
Hälfte seiner Einwohner und seiner Häuser verloren hätte;
die Menschen sind zum größeren Theile verhungert, zum klei-
nern ausgewandert — die Häuser hat man im vorigen und
im jetzigen Winter niedergerissen, um ihre brennbaren Bestand-
theile zur Feuerung zu verwenden. Von den berühmten Scha-
fen und Ziegen gab es früher in jedem Dorfe bis zu 8000
— heute sind davon häufig nur 10 bis 15, oft aber auch
kein einziges übrig geblieben. Die Einwohner der Dörfer
besitzen absolut gar nichts mehr, was ihr Eigenthum wäre:
GraS, Baumwollensamen, Baumrinden bilden die auSschließ-
liche Nahrung und wenn man irgendwo noch Hunde oder
Katzen auftreiben kann, so liefern dieselben einen FestschmauS
für ganze Familien. In Folge dieser unzulänglichen Nahrung
hat denn auch fast die ganze Bevölkerung die Wassersucht und
eS stirbt an dieser, wer nicht geradezu verhungert. Die Tod-
ten bleiben in der Regel «uf derselben Stelle liegen, wo sie
starben und dienen hungrigen Hunden und Katzen zur Nahr-
ung. Verdammenswerth und darum wohl hervorzuheben ist
das Benehmen von einzelnen griechischen Kaufleuten, die sich
durch die Hungerönoth noch zu bereichern suchen, indem sie mit
Getreide ans Land kamen und dasselbe pfundweise zu maßlo-
sen Preisen an die Halbverhungerten verschacherten. Wahn-
sinnSfälle und Selbstmorde in Folge deS Hungers gehören zur
Regel ober sie gehörten eS wenigstens bis vor Kurzem, denn
nun hat sich ein wahrer Stumpfsinn der Bevölkerung bemäch-
tigt und die Bewohner eines ganzen Dorfes sitzen Tage lang
regungslos an derselben Stelle, starren vor sich hin und er-
warten den Tod. Leider ist eS nur zu ausgemacht, daß auch
das nächste Jahr keine Besserung bringen wird. Man hat
kein Getreide besessen, um die WinterauSsaat besorgen zu
können und so wird man natürlich auch nichts ernten. Wie
man sieht, liegt keine Übertreibung in der Behauptung, daß
die von der HungerSnoth betroffenen Provinzen völlig zu
Grunde gerichtet sind.
Amerika. Nach einer Rede deS Richters Kelly von Phi-
ladelphia im Kongresse sinv zur Zeit mehr als 1 Million Ar-
beiter im Lande brodloS und in Philadelphia selbst baten im
Laufe von 5 Tagen nicht weniger als 41 fleißige und ehrliche
Arbeiter, den Winter im Zuchthause zubringen zu dürfen, um
nicht zu verhungern oder zum Stehlen genöthigt zu sein.
Verschiedenes.
* Ein gräuelvoller Anblick bot sich vorletzten Dienstag
auf einer Straße in Paris. Das Verdeck eines Omnibus
bestieg ein seltsam aussehender Mann, der seinen Platz ein-
nahm und von furchtbaren Schmerzen gepeinigt schien. Auf
die Fragen seiner Mitfahrenden gab er keine Antwort, Plötz-
lich jedoch stürzte er wie rasend auf den Kutscher zu und
brachte diesem eine tiefe Bißwunde bei. Der entsetzlichste Schre-
cken bemächtigte sich der Passagiere; sie versuchten, den Kut-
scher von dem Beißenden zu befreien, indeß vergebens. End-
lich erschienen einige Sicherheit-Wachleute, weiche vor allen
Dingen den Passagieren zuriefen, ihre Plätze zu verlassen. AlS
dieS geschehen war, drangen sie selbst auf den Wüthenden ein,
und nach einem Kampfe von einer Viertelstunde gelang eS
den drei Männern, ihn zu bändigen und zu binden. Er wurde
nach einem Spitale gebracht, wo der Arzt ihn sofort nach
kurzer Untersuchung für tollwüthig erklärte; nach wenigen
Stunden war er unter den wahnsinnigsten Schmerzen gestor-
den. Die Wunde deS Kutschers wurde sofort ausgebrannt.
Ehe er den Kutscher angefallen, hatte der Unglückliche sich
schon selbst ein Stück Fleisch auS dem Arme gebissen, wie er
zu dem Bisse eines tollen HundeS gekommen, hat nicht festge-
stellt werden können.