Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

vinz erlassen ist, legen die Mandarinen unter ihm nicht nur 
Trauer an, sondern übertünchen auch die Verzierungen an 
ihren HauSwänden und verhüllen ihre Sänften mit schwarzem 
Tuch. Die gewöhnlichen Leute müssen ihre Köpfe rasiren und 
quch gewisse direkt für sie vorgeschriebene Zeremonien verrich 
ten. Die Mandarine und der OrtSadel jedoch versammeln sich 
nach einer zweiten Proklamation des Provinzial-GouverneurS 
an bestimmten Tagen in einem besonderen Tempel um ihre 
Klagen zu erheben für den verstorbenen Monarchen, den die 
meisten von diesen Trauernden auch nicht einmal gesehen ha- 
ben. Folgendes ist ihre VerfahrungSweife: Nachdem die Man- 
darinen, der niedere Avel und andere die berechtigt sind an 
dieser Zeremonie teilzunehmen, innerhalb deS Tempels sich 
versammelt haben, nimmt jeder je nach seinem Rang, auf ei- 
ner vorher direkt angefertigten Tribüne die ihm angewiesene 
Stellung leise und langsam ein. Nachdem dies geschehen, erscheint 
der Ceremonienmeister. Wenn alles in Ordnung ist, ruft die- 
fer, inmitten tiefsten Schweigens, in befehlendem Tone aus: 
„Kniet nieder!" Sofort stürzen alle, die Höchsten an Rang 
und Macht in der Provinz, zu gleicher Zeit nieder. Dann 
erfolgt der Befehl: „Schlagt eure Köpfe einmal an den 
Boden!" und die ganze Gesellschaft thut auch dieß. Wieder 
und wieder schlagen sie mit ihren Stirnen an den Boden, und 
wenn sie zum dritten Male niedergekniet sind und ihre Stirnen 
an den Boden geschlagen haben, besiehlt der Zeremonienmeister, 
während alle auf Händen und Knieen liegen: „Beginnt Eure 
Wehklagen", worauf diese erwachsenen, mit Vernunft begabten 
Geschöpfe in halb erstickter Stimme zu heulen und zu weinen 
anfangen. Nach etwa einer Minute wird ihnen befohlen „mit 
weinen aufzuhören," „aufzustehen" und „ihre Platze zu ver- 
lassen", was sie nachgerade nicht ungern zu thun scheinen So 
endet die Ceremonie der >rei Verbeugungen und neun Schläge. 
DaS schönste in der ganzen Geschichte ist daß, bis des Kaisers 
Tod offiziel von Peking gemeldet ist, niemand traurig zu sein 
braucht. Em Dampfer bringt gewöhnlich die Nachricht lange 
vor deS Gouverneurs offizieller Depesche, aber, obwohl jeder- 
mann den Tod deS Kaisers weiß, versteht jeder doch ungemein 
feine Gefühle zu beherrschen und geht fidel umher, als wäre 
nichts vorgefallen. Erst wenn die offizielle Anzeige ankommt, 
wird daS ganze Volk von plötzlicher Trauer befallen. 
Verschiedenes. 
^London, 2 Febr. (Statistik der Staatsschulden.) 
Nach einer von der „Pall Mall" aufgestellten Liste war die 
Welt vor zwei Jahren 4,200 000,000 Pf. St. schuldig, aber 
diese Schuldenlast ist in den letzten zwei Jahren um mehr 
als 500.000000 Pf St. gewachsen. Folgende Tabelle gibt, 
einen Ueberblick über die Schulden der bedeutendsten Debitoren 
in den Jahren 1873 — 1875: 
1873 1874 Veränderungen. 
Pf. St. Pf. St. Pf. St 
Frankreich 748,000,000 900,000,000 + 152,000,000 
Großbritanien 790,000,000 780,000,000 - 10,000,000 
Ver Staaten 433,000,000 440,000,000 + 7,000,000 
Italien 360,000,000 350,000,090 + 30,000,000 
Spanien 261,000,000 375,000,000 + 114,000,000 
Oesterreich 306,000,000 350,000,000 + 44,000,000 
Rußland 355,000,000 340,000,000 — 15,000,000 
Deutschland 
(Kleinstaaten 
mit) 208,000,000 200,000,000 - 8,000,000 
Türkei l 24,000,000 135.000,000 + 11,000,000 
Indien 108,000,000 130,000,000 *f- 22,000,000 
3,693,000,000 4,040,000,000 + 347,000,000 
Die zehn nächst größten Schuldner rangiren wie folgt: 
Brasilien 82,000.000 Pf. St., Holland 80,000,000 Aegyp 
ten 75,000,000, Portugal 68,000,000 Mexiko 63,000,000, 
Austrat. Colonien 46,000,000, Peru 37,000,000, Belgien 
36,000,000, Ungarn 32,000,000 Canada 30,000,000: zu 
sammen aber 550,000,000 Pf. S. Diese zwanzig Länder 
zahlen zusammen 188,550,000 Pf. St. Zinsen, und im gap» 
zen dürfte jährlich wohl 200 000,000 Pf. St. an Zinsen von 
den schuldenbelasteten Staaten bezahlt werden. Der Zinsfuß 
der verschiedenen Länder variirt nominal von 2% Proe. 
(Holland) bis 10 Proe. (Aegypten), nach dem gegenwärtigen 
CourS aber von 3% Proc. (England) bis 18 Proc. (Mezi- 
co). Nominal zahlen nach Aegypten die höchsten Zinsen die 
Türkei und Peru (7 Proc ), dann Mexiko, Australien (6 Proc.) 
und Belgien, Ungarn und Canada (5 Proc.) Sonst zahlen 
Frankreich 3% Ptoc., England 3% Proc, die Vereinigten 
Staaten 4% Proc., Italien 4 Proc., Oesterreich 4*/ 3 Proc. 
Spanien und Portugal jedes 3 Proc., Rußland und Brasi- 
lien 4 Proc. Deutschland 4% und Indien &% Proc Nach 
den letzten CurSnotimngen aber zahlen England 3% Proe. 
Holland 4i/ 4 Proc. und Ungarn 7% Proc, Äegipten 8 Proc. 
die Türkei und Peru 10 Proc., Spanien 15 Proc. und Me 
xiko 18 Proc. 
* Hinrichtung des Raubmörders Freuth. Wie man 
auS Olmütz meldet, wurde Freuth, welcher den Industriellen 
Katscher im Eisenbahn-Coupe ermordete und beraubte, nicht 
begnadigt. Diese kaiserliche Entschließung wurde demselben 
am 28. Jänner kundgemacht. Die Todesstrafe wurde am 29. 
um 8 Uhr Früh im Olmützer Gefangenhause vollstreckt. 
* London, 1. Febr. Die Londoner Spitzbuben, 
oder wenigstens der ehrgeizigere Theil derselben, scheinen sich 
in letzter Zeil verschworen zu haben nichts als Diamanten u. 
sonstiges Evelgestein zu stehlen und den „oberen Zehntausend" 
zu diesem Zweck besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Mch- 
dem tn den letzten Wochen der Graf v Dudley, der russische 
Botschafter Graf Schuwaloff, die Gräfin v. Morella, erst am 
vorigen Freitag die Wlttwe des belgischen Gesandten van de 
Weyer bestohlen worden sind, ist in letzter Nacht auch auf dem 
Landsitze deS Grafen v. Ellenborough ein Einbruch verübt u. 
eine große Quantität Juwelen gestohlen worden. Die „oberen 
Zehntausend" sind in Folge dessen in etwas unbehaglicher 
Stimmung, zumal noch in keinem der erwähnten Fälle auch 
nur die leiseste Spur von Thäter oder Diamanten entdeckt wor- 
den ist. In den meisten Fällen werden Werthgegenstände in 
sicheres Gewahrsam jetzt gebracht, und in noch andern Fällen 
trifft man Maßregeln den Diamanten-Verehrern daS Einbre 
chen envaS schwerer zu machen, resp. ihnen einen warmen 
Empfang zu bereiten. 
Alpwirthschaftliche Betrachtungen, v. 
Wie und wo soll die abzurahmende Milch 
aufbewahrt werden? 
Im Allgemeinen diene zur Beantwortung dieser Diyge 
folgender Grundsatz: 
Ausgesuchte Reinlichkeit und Sorgfalt von dem Zeitpunkt 
an, wo die Milch im Stalle gemolken wird bis zu dem Au- 
genblicke, wo der Rahm derselben ins Butterfaß gelangt. 
Im Einzelnen sind reichliches Einstreuen im Stalle, flei- 
ßigeS Reinigen deS EuterS und der Hände deS Melkers, fchmu- 
keS reinlich gefegtes Milchgefchirr, eine gute Einrichtung zum 
Milchseichen angelegentlich zu empfehlen. Ein häufiger Fehler, 
der an dieser Stelle nicht unberücksichtigt bleiben darf, wird 
dadurch begangen, daß die frisch gemolkene Milch zu lange im 
Stalle oder sonst an einem warmen Orte stehen gelassen wirb, 
wobei dieselbe den sie umgebenden Stall- und Viehgeruch auf- 
nehmen kann. Eine Geruchseigenschaft, die weder bei der 
Milch noch bei der Butter gesucht ist. WaS den Ort anbe-
	        

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