Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

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Vaduz, Freitag 
Nr. 53. 
den 31. ^Dezember 1875. 
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Vaterländisches. 
(m) Bilder ims der vaterländischen Geschichte. 
62. Die Fürsten von Liechtenstein. 
(Fortsetzung.) 
Der Enkel Karls, Fürst Johann Adam Andreas v. Lich- 
tensiein, war ein großer Freund der Naturwissenschaften und 
schönen Künste, legte eine Sammlung von kostbaren Gemäl- 
den und andern Seltenheiten an, führte zahlreiche und kostbare 
Gebäude auf, erbaute die Vorstadt Lichtenthal bei Wien und 
vermehrte trotz diesen Ausgaben feine Güter durch Ankauf 
neuer Herrschaften. Kaiser Ferdinand II. erhob ihn und seine 
Nachkommen in den ReichSfürstenstand Dagegen protestirten 
aber die bisherigen Reich^fÜPsten, weil die v Liechtenstein keine 
reichsunmittelbare Herrschaften besaßen , sondern österreichische 
Unterthanen waren. Diesem allerdingß begründeten Vorwurfe 
suchte Fürst Adam Andreas auszuweichen. Er erwarb daher, 
wie bereits erzählt, 1699 durch K«uf die Reichsherrschaft 
Schernberg. Durch den.Kaufschilling von 115,000 fl. wur 
den die Gläubiger der Grafen von HohenemS und die Land 
schaft befriedigt. Die Leute der Herrschaft Schellenberg wur- 
den ihres Eides und ihrer Verpflichtungen gegen die vorigen 
Herrn entbunden und traten nun unter die Regierung der 
Fürsten v. Liechtenstein. Zum Verwalter setzte der Fürst Dr. 
Johann Franz Bauer ein und kaufte für ibn als Regierungs- 
gebäude daS ehemalige kaiserliche HubhauS in Feldkirch, liech- 
tensteimsches HauS genannt. Fürst I A. Andreas bewarb 
sich nunmehr um Sitz und Stimme auf den Reichs- und 
'Kreistagen und weil Schellenberg zur Aufrechterhaltung des 
fürstenmäßigen Standes zu klein war, suchte er daS mangelnde 
durch Hinterlegung eines unverzinslichen Kapitals von 250.000 
fl. bei den schwäbischen Kreisen zu ersetzen. Darauf faßte der 
schwabische Kreistag 1707 den Beschluß, dem Fürsten von 
Liechtenstein Sitz und Stimnu zu geben, auch dahin zu wir- 
ken, daß lhm daS gleiche Recht auf den Reichstagen einge 
räumt werde. 
Die Herrschaft Vaduz blieb noch unter kaiserlicher Ver- 
waltung, den 22. Febr. 1712 aber wurde auch ste an 
den Fürsten I. A. Andreas um die Summe von 290,000 fl 
«bgetreten. Kaiser Karl VI. bestätigte den Kauf, entbob den 
Fürstabt von Kempten der bisher geführten Verwaltung 
und trug ihm auf, die Grafschaft Vaduz dem neuen Herrn 
zu übergeben. Hiezu beauftragte der Abt seinen Kanzler v. 
Bloemegen. Am 9. Juni fand sich Vieler in Vaduz ein, Land- 
ammann, Gericht und fämmtliche HerrschaftSleute versammelten 
sich auf dem Schützenplatze. Bloemegen verlas die kaiserl. und 
fürstlichen Schreiben und sprach sodann: 
„Es wolle sich in allweg geziemen, den Befehl und Wil- 
len des Kaisers zu vollziehen, daher er im Namen Sr. Maje- 
stat des Kaisers und Sr. hochfürstl Gnaden von Kempten, 
Landamman, Gericht und fämmtliche Unterthanen der Graf- 
schalt Vaduz von denjenigen Pflichten und demjenigen Eide, 
womit sie der kaiserl. Administration und dem Grafen Jakob 
Hannibal verbunden gewesen, entlasse und freispreche und sie 
an Se. hochfürstliche Durchlaucht v. Liechtenstein anweise, wie 
denn der gegenwärtige Herr Jos Franz Bauer liechtenst. Rath 
und^Landvogt sie zu übernehmen Gewalt habe, der ihnen daS 
WeM^ylittheilen werde." « 
iuf las Bauer die von dem.Fürsten unterm 16. 
erhaltene Vollmacht ab, die GräfsM^i Vaduz in Eid 
uK Pflicht zu nehmen. Allein bevor die ^^schaft die Hul 
digung leistete, erbob sich Altlandamman Upjlj^opp, im Na 
me« und Austrag derselben, drückte zuerst gegen 
die kaiserl Kommission, bat sie die Landschaft höchsten OrtS, 
vorab beim Fürsten v. Liechtenstein zu empfehlen und sprach 
die Erwartung aus, die neue Herrschast werde die Unterthanen 
bei ihren althergebrachten Landsatzungen und Gerechtigkeiten 
ungestört und ruhig belassen und keineswegs beschweren Nach- 
dem dann die kaiserl. Kommission versichert, die neue Herrschaft 
werde, wie die Landschaft sogleich vernehmen könne, sie bei 
ibren alten Rechten und Gerechtigkeiten n. verbleiben lassen, 
verlas Bauer daS fürsts. Reskript, welches diese Bestätigung 
enthielt. Darauf wurde die Huldigung geleistet. 
(Fortsetzung folgt.) 
Politische Rundschau. 
Deutschland. Ueber die letzte parlamentarische Soiröe bei 
dem Kürsten Bismarck äußert sich die „Tribüne": 
„Am Sonnabend war für das Jahr 1875 die letzte Soir6e 
bei dem Fürsten-ReichSkanzler, auch diesmal ohne Damen. Von 
den Abgeordneten waren schon viele mit den Abendzügen ab- 
gereist Die übrigen waren erschienen. Mit Ausnahme der 
Socialisten waren alle Parteien vertreten, auch das Centrum; 
insbesondere sah man den Abgeordneten Schröder (Lippstadt), 
der überhaupt nicht leicht eine solche Soiröe versäumt. Auch 
Mitglieder der Generalsynode, meist kenntlich an langem, in 
l>er Mitte gesleiteltem Haar, waren in großer Anzahl erschie 
nen. Zum Schlüsse fand an dem bekannten Tisch in der Nische 
wieder eine Unterhaltung statt, welche theilweise eine Art von 
öffentlichem Charakter trug Denn außer den Abgeordneten 
welche am Tische saßen, und unter .denen man die HH. v! 
Kardorff, Bethusy Huc, Dr. Kapp, Dr. Braun, v. Puttkawer- 
Sorau, Struckmann, Stadtrath Weber, Schmidt (Stettin), 
Rickert. Aibrecht u. s w. nennt, hatte sich eine ganze Corona, 
um den Tisch gesummslt und folgte mit Aufmerksamkeit dem 
Gespräch, dessen Hauptkosten natürlich der Reichskanzler trug. 
Diesmal war auch von der Strafgesetznovelle die Rede, jedoch
	        

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