fand im Herzen Europas fei eine sichere FriedenSbürgschait,
aber man müsse dasselbe auch in den Stand setzen diese Mis-
fion zu erfüllen. (Lebhafte Zustimmung.) Die von verfchie-
denen Seiten angenommenen furchtbaren wirtschaftlichen Zu
stände könne er nicht erblicken: den schwindelhaften Unterneh
mungen der Borjahre sei ein viel zu zroßeS Mißtrauen deS
Publikums gefolgt, wie lange dies dauern werde wisse er nicht;
daß eS aufhören werde wisse er, daß eS bald aufhören werde
glaube er. Die Nation werde sich wiederfinden als solche,
die mit erhöhter Intelligenz und ungeschwächter Kraft fortar-
beite. Der Minister erwähnt schließlich die neuen Steuergesetze,
wovon er, wenn auch die Brausteuer nicht gefallen sollte, die
Vörsensteuer empfehlen müsse. „Sie werden," schloß der Mi-
nister, .mit der Annahme der Börsensteuer nur das Wohldes
Reiches fördern." Im weiteren Verlaufe der Debatte wies
Eamphaufen die mißverständliche Auffassung zurück als wolle
die Regierung die Steuergesetze fallen lassen. Dieselbe werde
vielmehr mit aller Wärme dafür eintreten. LaSker konftatirte
die Uebereinstimmung der ReichStagSmehrheit mit der Wirth,
schaftSpolitik der Regierung und wies den Borwurf zurück, daß
die liberale Gesetzgebung die wirtschaftliche ftrifitf verschuldet
habe. Das Haus beschloß die wichtigsten EtatSgruppen an die
Budgetkommission zu verweisen.
Oesterreich. Erzherzog Franz, Herzog von Modena, ist
am 20. d. M. in Wien gestorben. Derselbe wurde am l.
Juni 1819 geboren und war seit 18 März 1860 seiner Krone
verlustige Kardinal Rauscher ist gefährlich erkrankt. Die
Teilnahme um sein Befinden ist in allen Kreisen eine sehr
große.
Unter den von der österreichischen Regierung im ReichSrath
«ingebrachten 10 Eisenbahnvorlagen befindet sich auch ein
neueS Projekt für die A r l b er g b a hn. Nach den Motiven zeigt
dieses Projekt große Abweichungen voa dem 1872er Projekte
Die Arlberg'Wafferscheide soll nämlich nicht — wie projektiv
war —bei einer KulminationShöhe von 1267 Meter mittelst
eines 12,400 Meter langen Tunnels überschritten werden,
sondern durch einen Tunnel von nur 6740 Met** Länge in
einer Eeehöhe von 1415 Meter. Die Gesammtbaukosttn der
Linie (Bludenz-Landeck-JnnSbruck) sind auf 34 3 Millionen
veranschlagt, wovon auf den Haupttunnel allein 8.6 Mlllio-
nen entfallen. Auf Grund der am Gotthard gewonnenen
Resultate wird die Bauzeit für diese Vahn auf 5 Jahre (statt
früher 8% Jahre) veranschlagt
Rußland. Die neue Kundgeburkg deS „Regierungs-Anzei
ger»," in welcher sich Rußland zur Beruhigung bezüglich der
Orientfrage an die ausländische Presse wendet, lautet wört
lich wie folgt:
„Die in einem Theile der europäischen Presse anläßlich der
gegenwärtigen Wirren in der Herzegowina laut gewordenen
Befürchtungen finden weder in der allgemeinen politischen Si-
tuation Europas noch auch in dem besonderen Stande der
Dinge aus ver Balkan-Jnsel ihre Berechtigung. Noch niemals
befand sich Europa in einer günstigeren L^ge als jetzt, um er-
folgreich u friedlich alle Schwierigkeiten zu beseitigen, welche seine
Ruhe beeinflussen könnten. Drei mächtige Reiche des Nordens stre-
ben mit vereinter Kraft u. unterstützt von den übrigen europaischen
Regierungen danach eine friedliche Lösung der in der Herzegowina
eingetretenen Verwicklungen zu finden, und niemand kann daran
denken den Frieden zu stören und sich in einen Gegensatz zu
den allgemeinen friedliebenden Bestrebungen zu stellen. Und
somit darf denn abermals positiv ausgesprochen werden, daß,
so beklagenSwerth die Verwicklungen auch sein mögen die
gegenwärtig auf der Balkan-Halbinsel herrschen und die Ruhe
Europa'S beeinträchtigt haben — die vereinten Anstrengungen
der drei Mächte mit Hülfe der übrigen europäischen Cabinete
diesen Verwicklungen einen der jetzigen friedliebenden Stim-
mung entsprechenden Ausgang geben werden, und jedenfalls
der Friede Europa'S so sicher auf dem gegenseitigen Vertrauen
und Einvernehmen der Großmächte ruht, daß für die Störung
desselben durchaus keine Gefahr zu erblicken ist."
Verschiedenes.
* Ueber das große Eisenbahnungl ück bei Gö-
pfritz entnehmen wir der „Presse" folgendes Nähere:
„Der Wien-Egerer Personenzug Nr. 9 ging am 4. d. M.
AbendS mit 310 Passagieren von Wien ab. Unterwegs waren
etwa zwei Drittel der Passagiere ausgestiegen. Mit voller Ge
schwindigkeit passirte der Train die Bahnstrecke Göpfritz- (Groß-
Sieghards)- Schwarzenau. Beiläufig in der Mitte des WegeS
stürzte die Maschine den einige Klafter hoben Bahndamm
hinab, und riß alle Wagen biS auf einen mit in die-. Tiefe.
Einige Wagen wurden förmlich zertrümmert, und die Maschine
war umgestürzt. AuS den Trümmern heraus vernahm man
daS Jammern der Passagiere, die Klagetöne Verwundeter, das
Aechzen der Sterbenden. Zudem war eS Nacht, was den
schrecklichen Eindruck dieser Scene um ein bedeutendes erhöhte.
Nach den ersten Augenblicken deS allgemeinen Schreckens faß-
ten lich einzelne unversehrt geblieben« oder nur leicht verletzte
Passagiere, und nach Verlauf einer geraumen Zeit langten von
Göpfritz, Schwarzenau, Groß.Sieghards und den umliegenden
Ortschaften Aerzte und HülfSpersonal ein. Doch ihren guten
Willen konnten sie nicht ihrem Wunsche gemäß bethatigen, denn
es bedurfte einer weitaus bedeutenderen Händezahl; dann bot
dem Rettungswerk die herrschende Fmsterniß die größte Schwie-
rigkeit. Nichtsdestoweniger wurde unermüdlich gearbeitet, um
jenen so rasch als möglich Rettung zu bringen, die einer sol-
chen bedurften. Eine große Anzahl Verwundeter wurde auS
ven Wagen gezogen und ärztlicher Hütfe zugeführt. Von dem
Zugpersonal ist, bis auf einen Kondukteur, ein Theil getödtet,
der andere verwundet worden. Der Kondukteur,, welcher vor
wenigen Tagen dei dem Zusammenstoß eines Personen- und
eines gemischten ZugeS in Tabor zugegen war und unbeschä-
digt blieb, ist am 5. d., Nachmittags um 2 Uhr in Wien ein-
getroffen, und meldete der Generaloirektion die Einzelheiten
dieses Unglücksfalles, dessen Zeuge er gewesen. DaS eigentliche
RettungSwerk begann erst als um 6 Uhr Morgens ein HülfS-
zug von Wien mit dem Delegirten der Generalinspektion der
österreichischen Eisenbahnen, Kommissär Wilke und dem Central-
inspektor Karl Klaudy auf der Unglücksstätte eintraf. Einige
Stunden später erschien auch der Generaldirektor Hofrath Ritter
v. Kogerer, um die Leitung deS RetlungSwerkeS und die der
Erhebungen zu unterstützen. BiS 10 Uhr Vormittags wurden
fünf Leichen und neun Schwerverwundete aus den Trümmern
hervorgezogen. Unter jenen befanden sich der Maschinensührer,
der Heizer, der Postoffizial Hravetzky (Vater von sechs unmün
digen Kindern), und der Kondukteur Watzinger (Vater eines
4 Monate alten KinveS.) Den Postoffizial BohuSlaw, der
gleich fernem unglücklichen Kollegen vom heißen Wasser, daS
auS dem Kessel der Maschine herausströmte, schrecklich verbrüht
worden war, tranSportirte man un sterbenden Zustande von der
Unglücksstätte in daS nächstgelrgene Dorf. Gin junger Mann,
NamenS Dauer, der im Korrespondenzwagen manipulirte,
wurde lebensgefährlich verwundet. Der Brustkasten ist ihm ein-
gedrückt worden, außerdem erlitt er eine Wunde am Hinter- .
Haupte. Wie schon erwähnt stürzten alle Wagen biS auf den
letzten den Damm hinab. In diesem einen, zur Hälfte erste,
zur Hälfte zweite Klasse, befanden sich drei StabS- und zwei
Oberoffiziere, die der ihnen drohenden Gefahr wie durch ein
Wunder entgingen. Die genaue Anzahl der Todten kann bis
jetzt nicht einmal annäherungsweise angegeben werden, denn
die Trümmer unter welchen verstümmelte Leichen liegen,
konnten noch nicht beseitigt werden. ES wäre schwer alle die
Details der Katastrophe anzuführen, wir wollen für heute nur
eine einzige der vielen so tragischen Scenen, die sich zutrugen,