Liechtensteinische
Dritter Jahrgang
Vaduz, Freitag
Nr. 48.
den 26. November 1875.
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Zur Laudtagsfache v. 1 9. Oktober t. I.
(Eingesendet.)
In Nr. 46 der liechtenst. Wochenzeitung sind in dem Ar-
tikel „Zu den Landtagsverhandlungen tv 19. Oktbr " die Ab>
geordneten Oehri, Matt, Kaiser und Heeb aufgefordert, sich
über ihr negatives Verhalten bezügl. der Münzfrage zu äußern
Mit größter Bereitwilligkeit kommen dieselben dieser Auf-
forderunq nach, obgleich sie als schlichte BauerSmänner wenig
Luft für Reden und Schreiben in sich verspüren, noch weniger
in solchen Angelegenheiten offene Blätter zu einem Tummel-
platz sich erwählen, indem es ihnen hiezu an Lust und Zeit
gebricht — Nun zur Sache.
Wir anerkennen, daß, vom moralischen Standpunkte aus
betrachtet, die Einfübrung eines bessern, reellen GelvsystemS
eine Idee ist, die sich nur befürworten läßt. In materieller
Hinsicht aber dürfte die Auftauchung und Lösung dieser Frage
in Anbetracht unserer jetzigen Staats- und Zeitverhältnisse als
ein verfrühtes Phänomen zu bezeichnen sein, dessen günstige
und richtig berechnete Abwicklung erst in den nächstfolgenden
Iahten für Liechtenstein zweckdienlich Platz greifen kann Zu
diesem Schlüsse berechtiget un6 zunächst der langsame Ge-
fchäftSgang Der österr. Zollfrage im österr.-ungarisch. Reichs-
tage, mit Rücksichtsnahme auf daS, waS mit derselben für
Liechtenstein im innigsten Zusammenhange ist — mit einem
Wort — imsers Händchens größter Verkehr mit Oesterreich.
Erst mit der Entscheidung über daS Fortbestehen oder gänzliche
Auflösen des bestehenden ZollkordonS dürfte nach unserer An-
ficht der richtige Zeitpunkt für Verwerfung oder Annahme ir<
gend gewünschten MünzsystemS angezeigt fein. Daß — ne
benbei gesagt — einzelne liechtenst. Autoritäten behaupten, der
schweizerisch-liechtenst Verkehr sei der weil größere denn mit
Oesterreich, glauben wir nur von spaßhafter Seite auffassen
zu müssen, da bereits die nämlichen Persönlichkeiten bei einer
andern Gelegenheit so warm für eine liechtenst. Statistik plai-
dirten und somit das Zeugniß an den Tag legten, daß sie
weder das Verkehrsleben, noch die Bedürfnisse deS Volkes, noch
die Produktivität deS LändchenS nur annähernd zu beziffern
wissen. Sollte das in einem gewissen Aufsatze nicht etwa ein
diplomatisches Schnitzerchen sein?
Wer hätte daher getrost die Münzfrage bis zur Bereinigung
der Zollfrage bei Seite setzen dürfen, dann wäre der Zeitpunkt
für die Lösung dieses Problems da.
Eine andeve Frage tritt wieder auf, wie lange sich die Silber»
frankon in ihrer Höhe halten können, nachdem die Silberent-
wenhung eine allgemein konftatirte Thatsache ist. Ob aber
die Staaten, in denen daS sogenannte lateinische Münzsystem
besteht, nicht auch baldigst gleich Deutschland zur Goldwährung
übergehen werden? Und was haben wir dann wieder? Wä
ren hierüber nicht ausländische Instruktionen nöthig? Sollte
sich jedoch in finanziellen Operationen bei uns ein Fachmann
finden, warum bleiben denn solche Berichte vorenthalten? Ein
Bauersmann kann derartige Sachen unmöglich wissen oder mit
Bestimmtheit voraussagen. Besser daher warten, ob der alte
Werth dieser Geldsorte sich bewähre oder bis eine KrisiS vor-
über ist.
Ferner bleibt noch zu erwähnen, daß wir in den letzten
zwei Iahrett eine Staatsschuld gemacht haben, deren Höhe die
der .Privatschulden erreicht. Diese Schuld wurde gemacht, als
das österr. Guldenstück bereits entwerthet war. Muß stch der
Gläubiger derselben nicht höchlich über unsere Großmuth wun-
Hern, wenn wir freiwillig, ohn? daß er eS verlangt, schon bei
der nächsten Rückzahlung zu Ungunsten der Landeskasse statt
entwerteter 100 fl. — 250 Fr. zurückerstatten? Glück zu!
ihr steuerzahlenden Staatsbürger!
Theorie nnd Praxis sind oft zwei sehr verschiedene Fak
toren mit denen man rechnet. Dieß findet sich auch beim
Marktverkehr, wo der Absetzer die theoretisch berechnete Agio-
tage nicht zu erhaschen weiß. Vom Hemmniß der Märkte
wollen wir nicht reden. Doch nein! hierin irrten wir! Wir
können ja auf österr. Märkten dortige Gulden entgegen neh-
men, und sie dann in Franken umsetzen lassen, wir brauchen
ja gar keine Franken.
Der Bauer kann dasm seine Verbindlichkeiten zur Staats-
und Privatkasse mit österr Gulden ü 83 bis 90 kr. decken.
Unsere Ansicht hierin ist die: Die jungen Kapitalisten, unv
ferner die im Länochen Angestellten, (welche doch gewiß gegen-
über unfern armen Verhältnissen solide Entlöhnungen haben)
erhalten durch diese Münzregulierung eine freiwillige, unfrei-
willige Gehaltszulage von {1% Theilen zu ihrem Vermögen
over ihren Gehalten.
Das ist die WeihnachtSbescheerung.
,Oebri. Matt.
Heed. Kaiser.
Politische Rundschau.
Deutschland. Die EtatSberathung im deutschen Reichs-
tage hat begonnen und ist die allgemeine Debatte bereits zu
Ende geführt. Da man anläßlich der Budgetfeststellung einen
ernstlichen Konflikt zwischen der deutschen Reichsregierung und
der ReichStagSmehrheit erwartet hat, fo gewinnen die genann-
ten Berathungen ein bedeutendes Interesse.
Minister Camphausen, welcher im Namen der ReichSregl'e-
rung für die Budgetvorlage eintrat, hebt hervor, man habe
nicht bloS, für daS nächste Jahr zu sorgen, bei Verbrauchung
der jetzigen Überschüsse würde in einem späteren Jahre Deckung
für ein Defizit zu suchen sein. Deutschland als ein großes