Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)


Liechtensteinische 
Dritter Jahrgang 
Vaduz, Freitag 
Nr. 47. 
den 19. November 1875 
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Zu den Lanbtagsverhanblunaen vom 
RS. Oktober. 
(Fortsetzung und Schluß ) 
Eine andere Frage, die in der letzten LandtagSsitzung auch 
zur Sprache kam, nimmt nicht weniger, als die Münzreform, 
das Interesse des Landes in Anspruch. Wir meinen damit die 
Frage der Steuerrevision 
Der Schreiber dieses mmhet eS sich nicht zu, eingehendere 
Kenntnisse über das Steuerwesen zu besitzen, da diese Eigen-, 
schast ein tieferes und auch fachmännisches Studium begründet. 
Dessenungeachtet dürfte eS im Interesse der Sache selbst ge- 
stattet sein, einige Punkte kurz zu berühren, um damit »venig- 
stenS die gegenseitige Besprechung dieser wichtigen und schwie- 
rigen Frage anzuregen. 
AuS dem Begriffe der Besteuerung folgt zunächst, daß die» 
selbe eine allgemeine und möglichst gleichmüßige sein muß. Da- 
mit ist auch m Hauptgesichtspunkt gegeben, daß Jeder nach 
dem Maß seiner wirklichen Gteuerkrast besteuert werde. Die 
Steuerkraft selbst hängt natürlich vor Allem von dem Maß 
der Einkünfte eines Jeden ab. Es fragt sich nun, wie man 
dieselben zur Besteuerung heranzieht? 
Nach unserem provisorischen Steuergesetze vom 20. Oktober 
1865 betrifft die LandeSsteuer in erster Linie Grund und Bo- 
den und Gebäude: als Grundsteuer; dann die verschiedenen 
Klassen der gewerblichen Unternehmungen: al< Gewerbsteuer; 
und endlich daS persönliche Einkommen höherer BerusSarlen 
und die Kapitalrenten: als Personal- und Klassensteuer. Die 
am meisten wichtige und bestündige Steuer ist bei uns, wie 
überall, die Grundsteuer. Bei unseren Verhaltnissen ist dieser 
Sachverhalt von doppelt hoher Bedeutung, alS die Objekte der 
Grundsteuer die hauptsächlichsten Zahler der LandeSauSlagen, 
der Gemeindeauslagen und in den Rheingemeinden auch der 
RheinbauauSlagen sind. Eirre gleichartige und gerechte Ver> 
theilung der Grundsteuer ist daher für unser Landesinteresse von 
eminenter Wichtigkeit. Der schwierigste Punkt und zugleich der 
hauptsächlichste Fehler in unserem Steuerwesen ist das Ver- 
hältniß der Besteuerung von Grund und Boden einerseits und 
von den Gebäuden andererseits. Nach den oben angedeuteten 
Grundsätzen ist die Art der Besteuerung nach der Produktion 
beziehungsweise dem Ertrügnisse, alS dem einzig richtigen und 
gerechten Bemesser der Steuerkraft zu bestimmen. Der Kata- 
stralwerth von Grund und Boden, wie er durch die Einschätz- 
ungen klassifikationsweise je nach der Bonität deS Bodens bei 
uns ermittelt wurde, entspricht dieser Anforderung, indem der 
Maßstab des WertheS resp. der Bonität deS BodenS mit dem 
Maßstabe veS Ertrages in richtigem Verhältnisse steht. Die 
Bonität deS Bodens bestimmt den Ertrag, und der Ertrag be 
stimmt wieder die Bonität resp. den Werth deS BodenS. In 
dieser Beziehung ergiebt somit eine einigermaßen genau durch- 
geführte Einschätzung deS BodenS auf dem einfachsten Wege 
den Maßstab für die Produktivsteuer. Anders verhält eS sich 
mit der Häusersteuer. Die bisherige Art der Häuser besteuerung 
entspricht nicht dem Werthe und nicht der Ertragsfähigkeit deS 
HauseS und siebt in Folge dessen auch nicht im richtigen Ver- 
hältnisse zu der Bodenbesteuerung Es erscheint unS überflüs 
sig, hierüber weitere Auseinandersetzungen folgen zu lassen, in- 
dem wohl Niemand mehr die Notwendigkeit einer anderen 
Besteuerungsart ler Häuser bestreiten dürfte. Die fürstl. Re- 
gierung hat renn auch bekannterweise in der letzten Landtags- 
sitzung einen neuen Gesetzentwurf in dieser Beziehung einge- 
bracht, der jedoch zur weiteren Borberathung nochmals der 
Finanzkommission zugewiesen wurde. Nach diesem Entwürfe 
soll in Abänderung der Bestimmungen vom Provisor. Steuer- 
gesetze vom 20. Oktober 1865 eine direkte Einschätzung der 
Gebäude nach bestimmten Grundsätzen stattfinden. 
Mit dieser gesetzlichen Bestimmung ist unbedingt ein Schritt 
vorwärts gethat», indem hiemit der Maßstab dtS WertheS vor- 
Händen ist und dadurch zur weiteren Vergleichung der Grund 
gelegt ist. Die Lösung der schwierigen Frage besteht nach un- 
serer Ansicht nur noch darin, dem Werthe auch den Ertrag 
beizumessen, damit Werth und Ertrag deS Bodens mit dem 
Werthe und Ertrage der Hauser in richtigem Verhältnisse zum 
Behuse der Besteuerung stehen. Bei. dem Boden steht der 
Werth im richtigen Verhältnisse zum Ertrage, bei den Häusern 
ist dieS nicht der Fall Die Häuser sind nach unsern Landes- 
Verhältnissen keine direkt zinsdringenden Objekte, sondern für 
den eigenen Bedarf zur Unterkunft berechnet. Will man daher 
ren Ertrag fixiren, so kann dies nach unserer Ansicht nur im 
Wege der Miethe beziehungsweise der „Selbstmiethe" geschehen. 
Der ärmliche^ Mann begnügt sich mit einer möglichst einfachen 
Wohnung, um damit sich selbst den MiethzinS niedrig zu hal 
ten ; ein anderer, der bemittelter ist, richtet ftch sein HauS schon 
etwaS eomfortabler ein, er giebt für den Bau mehr aus und 
berechnet sich selbst damit einen höhern MiethzinS und so fort. 
Nimmt man Beispielsweise die niedrigste Mlethe mit 10 fl., 
die höchste mit 100 fl. an, so könnte man die eingeschätzten 
HauSwerthe auf Orund der Ziffer 10 bis 100 einreihen, 
und würde man hiemit die approximativ richtige ErtragSklasfi- 
fikation der Häuser erhalten. Durch diese BerechnungS- und 
UebersetzungSart würde der tatsächliche Ertrag der Häuser (in 
der Form der „Selbstmiethe") in annähernd richtigen Einklang 
mit dem Ertrage deS BodenS gebracht. In den AuSnahmS- 
fällen, wo der Hausbesitzer neben der eigenen Benutzung wei- 
tere Renten durch Miethleute erhält, käme eine zu bestimmende 
Quote dieser Rente in Zuschlag alS Mehrertrag. — Um un« 
sere Ansichten durch ein Beispiel deutlicher zu machen, so diene
	        

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