Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

Liechtensteinische 
Dritter Jahrgang. 
Vaduz, Freitag 
M. 46. 
den 12. November 1875. 
Die liechtensteinische Wochenzeitung erscheint jeden Freitag. Sie kostet für das Inland ganzjährig % fl., halbjährig l ff. sammt 
Postversendung und Zustellung in's Haus. Mit Postversendung für Oesterreich ganzjährig 2 fl. 50 kr., halbjährig l fl. 25 kr.; für das 
übrige Ausland ganzjährig 2 fl., halbjährig 1 ff. 10 kr. ohne Postversendung. — P?an abonnirt für das Zn- und Ausland bei der 
Redaktion in Vaduz oder bei den betreffenden Postämtern. — Einrückmigsgebühr für'die 2gespaltene Zeile s kr. — Briefe und Gelder 
werden kranco erbeten an die Redaktion in Vaduz. 
Zu den Landtaasverhandlunaen vom 
I». Oktober. 
Die Tagesordnung der letzten Landtagssitzunq war eine 
überaus reiche. Es befanden sich darunter einzelne Verhäng- 
lungsgegenstände, die für unser Land von /ehr weitgreifender 
Bedeutung sind. Vor Allem sind es 2 Fragen: über unser 
Lande^münzwesen und die Steuerrevl'sion, die dsS Interesse deS 
Landes so sehr in Anspruch nehmen 
Die in Nr. 43 dieses Blatte« mitgetheilte Adresse an Se. 
Durchlaucht unseren Landesfürsten beleuchtet die Mängel und 
Nachtheile des bestehenden MünzwesenS. sowie die Notwen 
digkeit eii?er Münzrrfvrm ln unserem Lande hinlanguw genug, 
so daß wir wohl auf eine Wiederholung des dort Gesagten 
verzichten können. WaS jedoch .das Abstimmungsresultat über 
diese so wichtige Frage betrifft, so dürste e5 geboten erscheinen, 
hierüber einige Aufklärungen folgen zu lassen Wie bekannt, 
ist die besagte Adresse zum Zwecke der Einführung eineö an- 
deren MünzsyftemeS (Frankenwahrung) nur mit 8 gegen 4 
Stimmen (Oehri, Matt, Kaiser, Heed) angenommen worden. 
3 Mitglieder deS Landtages, die voraussichtlich für Annahme 
gestimmt hätten, waren bei dieser Eitzung leider abwesend. In 
sehr vielen Fragen wäre eine Zweidrittelmehrheit, wie sie in 
diesem Falle sich ergeben hat, nicht nur formell sondern auch 
bezüglich der praktischen Folgen vollkommen genügend gewesen. 
In unserer Münzfrage jedoch ist jede, wenn auch noch so 
kleine Opposition von praktischer Bedeutung, indem der günsti- 
gen Entwicklung dieser Frage durch die Drittelminderheit ein 
nicht zu unterschätzendes Hinderniß entgegengesetzt wurde. Die 
Bedeutung hievon ist um so größer, als die Lösung der Münz- 
frage im direkten Zusammenhang- mit der Zollvertragsfrage 
steht. ES mußte daher sehr auffallen, daß obige 4 Stimmen 
gegen die Annahme der Adresse stimmten, um so mehr, a!S 
von den betreffenden Landtagsabgeordneten im Landtagksaale 
auch nicht ein einziger Beweggrund für ihr Verhalten vorge- 
bracht wurde. Der Zweck und die Aufgabe der VolkSvertre- 
tung besteht ja hauptsächlich darin, daß die verschiedenen An- 
sichten und Meinungen im Landtage zum Ausdrucke gebracht 
werden, und besonders sollte diese Aufgabe bei so außerordent- 
lich wichtigen Fragen richtig aufgefaßt und verwirklicht werden. 
Die Gründe, die die 4 Abgeordneten vom Eschnerberge dazu 
bestimmt haben mögen, gegen eine Münzreform und damit 
also für Beibehaltung der jetzigen Münzcalamitäten zu stim- 
men, müssen daher nicht sehr stichhaltiger Natur sein, sonst 
wären dieselben in einer derartig wichtigen Frage auch sicher 
zur öffentlichen Aeußerung gekommen. Wir glauben die allen- 
fallstgen Beweggründe leicht auf den bestehenden Verkehr des 
Eschnerberges mit Vorarlberg zurückführen zu sollen. Die Par- 
tei, die keine Münzreform will, wird fugen: unser Waarenex- 
port geht hauptsächlich nach Vorarlberg, wo wir mit österrei- 
chischem Gelde bezahlt werben; wir werden daher an diesem 
Gelde in Liechtenstein verlieren, wenn dasselbe daS Frankensy- 
ftem einführt Ein weiterer Grund dürfte sein, daß die im hie- 
sigen Grundbuchamte versicherten Capitalien von Vorarlberg«» 
hauptsächlich den Eschnerberg belasten und durch die Einfüh- 
rung deS Frankensystems eine Agiosteigerung zu Gunsten der 
Gläubiger in Vorarlberg erhalten. 
Diese Gründe sind jedoch nach unserer Ansicht nicht stichhäl- 
tig genug, um damit für die Beibehaltung der jetzigen Münz- 
kalsmitäten zu stimmen, und zwar: 
1. «ic/trn jcuci ctcchuKfKinn vir soimyeuc rer A/ciUtjr-form^ 
weil das Geld, welches er von dann ab im Lande einnimmt, 
um 8—10 % mehr Werth ist als jetzt, im Verkehr mit Deutscht 
land und der Schweiz ohne Verluste abgesetzt werden kann unv 
weiter im Verkehre mit Oesterreich beim Umwechsel statt mit 
Verlustagio von dann ab mit Gewinnagio abgesetzt wird. 
2. Ist der scheinbare Verlust an dem Oelde, das durch 
Warenverkauf in Oesterreich eingenommen wird, in der That 
zum Voraus schon durch die Stellung des Verkaufspreises ge- 
dickt, d. h. um den Betrag, als der Verkaufer am österreichi- 
schen Gelde scheinbar verliert, verkauft er seine Waare theurer 
und ist somit mit seinem Disagio gedeckt. Zudem wird da« 
von Liechtensteinern in Oesterreich eingenommene Geld meist 
wieder dort für Einkäufe ausgegeben, so daß, wenn selbst obi- 
ger Verlust nicht ganze Deckung erhielte, er durch diesen Um- 
stand außer Betracht fallen müßte. Will der Verkäufer noch 
mehr, so könnte er nur noch weiter verlangen, daß man ihm 
das in Vorarlberg eingenommene Geld im Lande zum vollen 
Welth annehme; jedenfalls ein Geldgeschäft, das zu den glän- 
zendsten Spekulationen führen könnte. 
3. Sind die von Oesterreichern in Liechtenstein grundbuch- 
amtlich angelegten Capttal en in österr. Silbergulden angelegt 
unk trifft somit die Agiosteigerung der Capitalsen durch Gin- 
führung des Frankensystems alle Inländer gleichmäßig. Der 
Umstand, daß auch der auslandische Capit«list, der Capitalien 
in Liechtenstein angelegt hat, an ünserer Münznerbesserung ge 
winnt u. insoweit freilich dem Lande etwas schadet, kann doch 
wahrhaftig nicht Ursache werden, daß wir wegen dieses Punk- 
teS durch Verwerfung der Münzreform uns selbst noch viel 
größeren Schaden zufügen sollten. 
4. ES sind somit die enormen Vortheile, die durch Ein- 
führung de« FrankensystemS jedem Liechtensteiner zu Theil wer- 
den, weitaus überwiegend gegenüber den kleinen u. zum groß- 
ten Theile nur scheinbaren Nachtheilen, die durch den Verkehr 
mit Vorarlberg resultiren. 
Zum Schlüsse unserer heutigen Beleuchtung möchten wir 
die Herren Abgeordneten, die gegen die Adresse bezüglich der
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.