Liechtensteinische
Dritter Jahrgang
Vaduz, Freitag
Nr. 39.
den 24. September 1875.
Die liechtensteinische Wochenzeitung erscheint jeden Freitag. Sie kostet für das Inland ganzjährig 2 fl., halbjährig l si. sammt
Postversendung und Zustellung in's Haus. Mit Postversendung für Oesterreich ganzjährig 2 fl. so kr., halbjährig l st. 25 kr.; für das
übrige Ausland ganzjährig 2 st., halbjährig 1 fl. 10 kr. ohne Postversendung. — Man abonnirt für das In- und Ausland bei der
Redaktion in Vaduz oder bei den betreffenden Postämtern. — Einrückungsgebühr für die ^gespaltene Zeile 5 kr. — Briefe und Gelder
werden franco erbeten an die Redaktion in Vaduz.
Vaterländisches.'
Vaduz, den 20. Sept. Wie das .Thunerblatt" schreibt,
scheint der erste der großen Herbstmärkte beS BerneroberlandeS,
der erste Erlenbacher Markt wirklich alles früher Dagewesene
übertroffen zu haben. Leute, erfahrene Männer, welche seit
einem Menschenleben nach Erlenbach zum Markte gezogen
sind, behaupten, eine so große Zahl von Käufern und eine solche
Menge von aufgeführtem Vieh noch nie gesehen zu haben.
Man behauptet, es seien 7000 Stück zum Verkaufe angeboten
und beinahe sämmtlich auch verkauft worden. Schon den
ganzen Sonntag wurden einzelne Transporte thalabwärtS ge-
führt; am Montag dagegen geneth in Thun die Centralbahn
trotz der eingerichteten Extrazüge in wirkliche Verlegenheit. Sie
vermochte die andringenden Massen nicht mehr zu bewältigen
und viele Käufer zogen es vor, mit ihrer Waare zu Fuß
weiter zu ziehen, als stundenlang in hiesigen Bahnhöfen zu
warten. Es wurden bis Dienstag Nachmittag 276 Waggons
mit 2705 Stück Vieh versandt. Die Preise waren wieder so
ziemlich im Alten, wie vor 2—3 Jahren, Fr. 650 bis 300
für ein Rind oder eine junge Kuh, ja für schöne Stücke noch
mehr; Stiere waren besonders gesucht.
Baduz, den 21. Sept. Barbara Rösch, die hier zu
Land wohl bekannte Gaunerin, wurde am 14. d. M. von
dem Innsbrucks? Schwurgerichte, nachdem sie vorher alle ihre
Betrügereien in vollem Umfange eingestanden hatte, zu 7jäh-
rigen verschärften schweren Kerker und Landesverweisung ver-
urtheilt.
Politische Rundschau.
Deutschland. Aus Berlin wird der „Kölner Ztg." un-
term 17 September telegraphirt, daß die Reise des Kaisers
Wilhelm nach Mailand zum Besuche des Königs von Italien
jetzt endgültig beschlossen ist; nur über den Zeitpunkt schweben
noch die Verhandlungen. Entweder wird die Abreise gleich nach
der Feier des Geburtstages der Kaiserin, gegen den 3 oder
4. Oktober, von Baden-Baden aus oder erst gegen Mitte Ok-
tober stattfinden.
In Paderborn sind am 12. d. 107 Häuser, meist von
Oekonomen und armen Leuten bewohnt, welche wenig versi
chert hatten, abgebrannt.
Der Reichskanzler hat dem BundeSrath einen Gesetzentwurf
vorgelegt, welcher den 1. Januar 1876 als EinführungSter-
min der Reichswährung im gesammten Reichsgebiete festsetzt,
sowie den Entwurf einer kaiserlichen Verordnung betreffend die
Einführung der Goldwährung im Reiche vom 1. Januar 1876
«n.
Oesterreich. Wie die „Politische Korrespondenz" meldet.
hat die österreichisch-ungarische Regierung auf daS Ersuchen deS
Fürsten von Montenegro behufs Pflege der zahlreichen in
Montenegro befindlichen Verwundeten ärztliches Personal dort-
hin abgesandt. Eben so wurde auf Ersuchen deS Fürsten
von Montenegro bei der Rothlage der in Montenegro befind'
lichen 30,000 Flüchtlinge der Statthalter von Dalmatien
Seitens der Regierung aus Humanitäts-Rücksichten beauftragt,
die notwendigen Cerealien und anderen Lebensmittel nach
Montenegro abgehen zu lassen.
Schweiz. Durch die am 12. d. Mts. erfolgte Volksab
stimmung im Kanton St. Gallen wurden mit Ausnahme deS
neuen Artikels betreffend Volksabstimmung über Gesetze und
Beschlüsse sämmtliche andern RevistonSartikel verworfen. Die
nich5 angenommenen Artikel handeln über konfessionelle Ange-
legenheiten, Erziehungswesen, Gemeinde- und KorporationSver-
mögen, Stimmfähigkeit, Wahlart des Regierungsrathes und
über Preßwesen.
Italien. Am 12. d. feierte die Stadt Florenz und mit
ihr Italien und ganz Europa das Gedächtniß eines der größ-
ten Männer aller Zeiten: des berühmten Bildhauers, Malers,
Baumeisters und Dichters Michel Angelo (geb. 1474, gest. zu
Rom 1564). Vertreter der Kammer und des Senats, des di-
plomatifchen und KonsularkorpS, italienischer und auswärtiger
Gemeinden, Institute, Künstler-, wissenschaftlicher und Arbeiter-
gesellschasten, zahlreicher Vereine k. fanden sich zur Feier ein.
Dr. Flöcke aus Weimar legte eine silberne Krone auf dem
Grabe nieder, Prof. Lützow überreichte im Namen deS deut-
schen HochstiftS zu Frankfurt am Main ein Weihegeschenk, die
Wiener Künstler überreichten eine Adresse. Am 13. wurde die
Ausstellung der Meisterwerke Michel Angelo'S eröffnet
Der Papst hat am 17. September vor dem Konsistorium
zahlreiche Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe ernannt für Ita
lien, Oesterreich, Peru, Columbia und namentlich Spanien.
Frankreich In den politischen Kreisen von Paris ist
man sehr beunruhigt über die Umtriebe der Bonapartisten,
deren Einfluß auf die Armee ein größerer ist, als man bisher
geglaubt haben mochte. Der Kriegsminister hat es daher für
nöthig befunden, in einem Zirkulare die Korpskommandanten
auf die Jntriguen derselben aufmerksam zu machen. Der Ueber-
tritt der orleanistischen Prinzen ins republikanische Lager wird
insbesondere von den Imperialisten dahin ausgebeutet, daß diese
sich nunmehr allein als Vertreter des monarchischen Systems
aufspielen. Dabei kommt ihnen daS tolle Auftreten der rothen
Republikaner vom Schlage LouiS Blanc's, Madier de Mont-
jau'S ii. A. wesentlich ju statten, um der Bourgeoisie das Ge-
spenst der Kommune in der Ferne zu zeigen. Dagegen sollen
die fremden Mächte, mit Ausnahme Englands, sämmtlich der
Wiederherstellung des Kaiserreichs abhold sein; namentlich sei