Karlisten aber noch weit mehr. Nach diesem Berichte könnte
sich Seo de Urgell kaum mehr lange halten, da die Karlisten
ganz in die Citadelle eingeschlossen wären. Man wird aber
zuwarten müssen, ob diese Depeschen sich wirklich erwahren.
Die Karlisten meldeten noch gestern, d6ß sie in verschiedenen
Ausfallen die Belagerer schwer geschädigt und einen Angriff
auf längere Tage unmöglich gemacht hätten.
Europäische Türkei. Mit dem Aufstand in der Her-
zegowina haben sich, zufolge der Wiener Depeschen, die groß-
mächtlichen Diplomaten angelegentlichst befaßt., und eS heißt,
Besprechungen des Grafen Andrassy mit den Botschaftern
Deutschlands und Rußlands hätten zu einer vollständigen
Einigung über die in dieser Affaire zu befolgende gemeinsame
Politik geführt. Rußland und Deutschland hätten anerkannt,
daß Oesterreich ein ganz besonderes Interesse an der Her-
stellung der Ruhe in der Herzegowina habe, und hätten sich
auch bereit erklärt, die vom Wiener Kabinet dießfallS in Kon
stantinopel zu ertheilenven Rathschläge auf's Wärmste zu un
terstützen. Inzwischen bestätigt eS sich, daß man in Konstan-
tinopel anfängt, die Sache ernster aufzufassen, und bedeutendere
Truppenkräfte mobil zu machen beginnt. Das Journal „la
Turquie" veröffentlicht Details, welche die wachsende Bedeutung
des Aufstandes in der Herzegowina andeuten. Neue Banden
von Znsurgenten erheben sich überall, die Dalmatier und Mon-
tenegriner unterstützen die Rebellen.
Nach anderweitigen Berichten sind von Prag sogar 5 cze-
chische Studenten zu den Insurgenten abgereist. Den Serben
jukt es bereits in allen Gliedern zum lustigen Waffentanz ge-
gen die grimmig gehaßten Türken und die Montenegriner kön-
nen die Lust kaum mehr bezwingen, von den schwarzen Bergen
niederzusteigen, um Säcke mit Türkenohren zu füllen. Ruß-
land soll sich vergnügt die Hände reiben und schmunzeln ob
der allgemeinen Aufregung. Ein südslavischeS Reich unter dem
Fürsten Nikita, daS wäre ja herrlich! Rußland hätte einen
treuen Verbündeten und der kranke Mann einen schlimmen,
sehr schlimmen Nachbar mehr.
Damit unsere Leser auch Näheres über den Schauplatz deS
Aufstandes erfahren, lassen wir noch folgende Notiz folgen:
Die ganze, nach Roökiewicz 230,000, nach Sestak und v.
Scherb 250,000 Seelen zählende Bevölkerung der Herzegowina
gehört fast ausnahmslos sdie einzige Ausnahme bilden nur
einige türkische Beamte, jüdische Kaufleute und einige unstät
umherwandernde Z geuner) dem südslavischen Stamme an.
Dieselben StammcSgenossen werden aber in Christen und Be-
kenner des Islam getheilt. Und als ob dem alten bösen Dä
mon slavischer Zwietracht auch damit noch nicht Genüge ge-
schehen .wäre, theilen sich auch die Christen wieder in nicht-
unirte Griechen und Katholiken.
RoSkiewicz rechnet auf die Herzegowina 60,000 Mohame-
daner, 47,180 Katholiken und 75,000 Griechen, die Zahl
der Juden, was wohl etwas zu hoch gegriffen, gibt er auf
500 Seelen an. Dem Charakter des wirrzerklüfteten Landes ent-
sprechend, ist auch die Bevölkerung über dasselbe sehr un-
gleichmäßig vertheilt. Während, die Hochgebirge nur von
wändernden Zigeunern, halbwilden Hirten und einer Art von
Heiduken durchzogen werden, die mehr an die magyarischen
Segeny legeny, als an die poetischen, nur den Türken ver- ,
hängnißvollen ritterlichen Gestalten des bulgarischen und alt-
serbischen Heidukenthums erinnern, beginnen an den Abhängen ;
der Berge die Hütten der Christen, zwischen denen sich dann
in den fruchtbaren Thälern und in den Städten das flavische
Mohamedanerthum breit macht, das den bessern Grund und
Boden des Landes fast ausschließlich als Eigenthum besitzt
und auf die Christen, die ihm seinen Boden als Pächter oder
Arbeiter bebauen, nicht viel anders als auf miserable, recht-
lose Leibeigene niederblickt.
Amerika. Enthüllungen, welche jetzt nach 18 Jahren
— über einen der blutigsten und entsetzlichst5N Massenmorde,
den die Geschichte dieses Jahrhunderts kennt, gemacht werden,
setzen, wie man auS New-Jork schreibt, dort alle Welt in
Aufregung. Im September 1857 kam eine große Schaar
Leute auS Missouri, aus welchem Staat die Mormonen ver
trieben waren, nach Utah, um sich dort anzusiedeln. ES waren
Leute aus den rohesten Bevölkerungsschichten, welche sich ein
Vergnügen daraus machten, die Mormonen durch allerlei ver-
letzende Redensarten aufzuregen. So behauptete Einer, im
Besitz ^ des Pistols zu sein, mit dem der von den Mormonen
abergläubisch verehrte „Prophet" Smith in Karthago erschos
sen wurde. Andere gaben sich als Nachbarn eines gewissen
Mac Lean aus, der den Mormonenapostel Pratt ermordet
hatte, weil dieser ihm seine Frau geraubt hatte. Zwei Ochsen
nannten sie Brigham und Heber nach dem „Propheten" Joung
und dem Bischof Heber C. Kimball. Außerdem fluchten sie
— waS ^ bei den Mormonen durch StaatSgesetze verboten ist
—, zerstörten muthwillig Getreide auf den Feldern, Zäune u.
Hütten, tödteten Vieh und vergifteten sogar auch eine Quelle,
um, wie sie sagten, Indianer auS der Welt zu schaffen. Letzteres
wird freilich von anderer Seite in Abrede gestellt j und
behauptet, daß jene Einwanderer, abgesehen von ihrem fana-
tischen Haß gegen die Mormonen, ganz ordentliche und arbeits-
same Leute gewesen seien. Wie sich aber dies auch verhalten mag,
so viel steht fest, daß Die Mormonen gegen die Ankömmlinge
aufs höchste erbittert waren. Während sie sonst sich durch
Gastfreundschaft auszeichnen, schlugen sie jener Schaar jegliche
Unterstützung ab. Wo die Einwanderer hinkamen, wurde
ihnen die Verabreichung von Lebensmitteln, ja sogar ein La-
gerplatz verweigert. Geovze A. Smith, gegenwärtig erster
Rath in der Salzseestadt, ritt dem Zuge voraus, um die
Mormonen bei Strafe der Exkommunikation vor der Unterstützung
der Zuzügler zu warnen. ^ In einem KriegSrathe zu Parowan,
an welchem stch jener Smith, William H. Dame, I. C.
Haigt und Sohn D. Lee betheiligten, wurde dann der Unter-
gang der Einwanderer beschlossen. Diese sollten in Santa
Clara Canyon angegriffen und sämmtliche niedergemacht wer-
den. Eine Nachhut sollte verhindern, daß auch nicht einer von
der ganzen Schaar entkam. Die Miliz von Utah wurde of-
siziell unter die Waffen gerufen — was vielleicht auf die
Betheiligung Brigham Aoung'S, als deS Oberkommandanten
derselben schließen läßt —- und die Indianer gegen Zusicherung
der Beute für die Ausführung deS Unternehmens gewonnen
Letztere überfielen die Karavane bei Cane Spring, tödteten 7
und verwundeten 15 der Einwanderer. Das geschah am
Morgen des 10. September 1857. Die Angegriffenen errich-
teten aber in aller Cile eine Wagenburg, verschanzten sich u.
schlugen die Wilden zurück. Als die Nachricht davon in dem
Mormonenlager bei Cedas eintraf, wurde die Miliz, 60 Mann
stark, abgeschickt. Die Unglücklichen wurden nun von allen
Seiten umzingelt und von jeder Zufuhr abgeschnitten; wer sich
hervorwagte, auch kleine Kindor, welche nach Wasser abgesandt
waren, wurden erschossen. Nach viertägiger Belagerung er-
boten sich dann drei Mauner, die Reihen der Feinde zu durch-
brechen und stch nach Kalifornien durchzuschlagen, um Hülfe
zu holen. Aber die Indianer setzten ihnen nach; der eine
wurde sogleich erschossen, der zweite lebendig verbrannt und der
dritte zu Tode gehetzt. Am 18. September ließen sich die Einge-
schlossenen von Lee, der unter der Parlamentärflagge zu ihnen
kam, verleiten, stch der Miliz von. Utah zu ergeben. Als sie
aber mit wehender amerikanischer Flagge, unter der sie sicher
zu sein glaubten, auS der Wagenburg hervorkamen, feuerte die
Miliz auf Lee'S Kommando eine Salve nach der anderen auf
die Wehrlosen ab. Die Indianer eilten herbei, um ein Uebri-
geS zu thun, und so wurden alle Männer abgeschlachtet. Das-
selbe LooS traf die Frauen. Lee selbst tödtete eine Frau, die
den Dolch gegen ihn gezückt hatte, und eine andere erschoß er.