Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

Es wurde dies hauptsächlich bewirkt durch die grandiosen Ent- 
hüllungen deS stzilianischen Abgeordneten Tariani, der der Re- 
gierung zum Theil die Schuld der Unsicherheit in Sizilien an- 
heimstellt. Folgender PassuS mag als Muster gelten, welche 
Anklagen im italienischen Parlamente der Regierung zugeschleu 
dert wurden: 
„Wir haben", sagt der VolkStribun, „in Sizilien die ge- 
'wohnlichen Gesetze verspotten sehen, die Institutionen alle wur- 
den zur Ironie, die Gunst wurde zum Gesetz, die Gerechtigkeit 
eine Ausnahme, die Schuldigen wurden zu Richtern gemacht, 
die Richter zu Schuldigen; eine unwürdige Anarchie herrscht in 
der Regierung, beklagenSwerthe Korruption überall. (Beifall 
der Linken.) Welche Bestimmungen sind nun für die Zukunft 
zu treffen? Welche Garantien gibt man uns für die Folge? 
die der Vergangenheit? Die Mafia ist vorbanden und kann 
bestegt werden; aber sie wird unüberwindlich fein, so lange sie 
in den Reihen der Agenten der Regierung herrscht und jedes 
Vertrauen in die Verwaltung wird damit vernichtet. Man 
kann keine Ausnahmsmaßregeln machen, indent man deren Aus- 
sührung Individuen übergibt, von denen die Halste verdiente 
von diesen Maßregeln betroffen zu werden. Ein redlicher 
Prüfest und ein redlicher Quästor genügen in Palermo, um 
die Ordnung aufrecht zu erhalten. Dem Ministerium fehlt ein 
klarer Begriff, wir haben hier vor unS ein Gesetz, Vorschläge, 
Gegenvorschlüge, Amendements. ES ist nothwendig, in Sizi- 
lien die Idee einer Regierung neu zu schaffen, eine Idee, die 
dort vollständig verschwunden ist. — Der Kammer kommt es 
zu, in der edlen Insel daS Reich der Gerechtigkeit wieder 
aufzubauen." 
Daß übrigens Sizilien reich an Räubern und Mördern, 
dafür mögen die Zahlen nach der Angabe der diesbezüglichen 
Statistik von Jahre 1873 sprechen: 
Morde: 
In Sizilien i auf 3,194 Einwohner. 
Im Neapolitanischen 1 „ 4,692 „ 
In Toskana .1 „ 18,794 „ 
„ Venedig 1 „ 39,089 „ 
„ Lombardei 1 „ 44,674 „ 
Verwundungen: 
Im Neapolitanischen 1 auf 496 Einwohner 
In Sizilien 1 „ 544 „ 
„ Venedig 1 „ 1,323 „ 
„ Toskana 1 „ 1,458 „ 
„ Lombardei 1 „ 1,894 v 
Raubmorde: 
In Sizilien 1 auf 3,098 Einwohner. 
Im Neapolitanischen 1 „ 6,925 „ 
In Toskana 1 „ 11,772 „ 
„ Lombardei 1 „ 12,487 „ 
„ Venedig 1 „ 32,941 „ 
Minghetti betonte die unerläßliche Nothwendigkeit des Ge- 
setzeS, «rklärte jedoch, der Zweck desselben sei kein politischer, 
die außerordentlichen Maßregeln würden nur da zur Anwen 
dung kommen, wo die Ordnung gestört sei, nicht bloS in Si 
zilien, das Gesetz habe demnach noch keinen provinziellen Cha- 
rakter. Der Gesetzentwurf laute! in einem einzigen Artikel: 
„Vis zum Schlüsse deS laufenden JahreS können in den 
Provinzen und Gemeinden, wo die öffentliche Sicherheit durch 
Mordthaten. Räubereien, Menschenraub oder andere Verbrechen 
gegen Personen und Eigenthum schwer gefährdet ist, nach einem 
Beschlüsse des MinisterratheS durch königliches Dekret folgende 
Verfügungen getroffen werden: a. Der Präfekt wird die Voll- 
macht haben, durch schriftlichen Befehl die vorläufige Verhaf- 
tung von Personen anzuordnen, welche dringend verdächtig sind, 
Verbrecherbanden anzugehören, deren Helfershelfer oder Hehler 
zu sein, im Allgemeinen aller Personen, welche der Artikel 105 
deS Sicherheitsgesetzes vom 6. Juli 1871 bezeichnet; er wird 
ferner ermächtigt sein, Hausdurchsuchungen vorzunehmen, wann 
und wo er Grund hat, zu glauben, daß sich dort Personen, 
Waffen und Objekte befinden, auf welche sich der genannte 
Artikel bezieht, b. Die Verhafteten werden nach den gemachten 
Erhebungen spätestens, binnen 14 Tagen dem Gerichte überlie- 
fert werden, das in gar keinem Falle deren einstweilige Frei- 
lassung verfügen kann, oder werden auf Vorschlag eineS OrtS- 
auSschusseS, bestehend aus dem Präfekten, Gerichtspräsidenten 
und Staatsanwalts, durch Erlaß des Ministers deS Innern auf 
ein bis 5 Jahre internirt. o. Die Gerichte können Zeugen 
verhaften, die sich der Unwahrheit oder der Verschweigung in 
Aussagen über die eben angeführten Verbrechen verdächtig 
machen." 
Schweiz. In Bern hat am 13. d. MtS. die gemeldete 
Volksversammlung stattgefunden und waren nach den ZeitungS- 
nachrichten circa 8—10,000 Menschen anwesend. Die an- 
genommenen Resolutionen sprechen ihr Einverständniß mit dem 
Vorgehen der Berner Regierung auS. Wie verlautet, wird 
voraussichtlich die Mehrheit der schweizerischen Nationalver 
sammlung dem Beschlüsse deS BundeSratheS beitreten, wonach 
die Entscheidung der Berner Regierung bezüglich der AuS- 
schließung der jurassischen Geistlichen vom schweizer. Gebiete auf- 
zuHeben ist. 
Frankreich. Die Legung des Grundsteins zur Kirche 
6eS heiligen Herzens auf Montmartre, so schreibt man der 
„K. Z^" auS Paris, hatte am 16. einen hoch offiziellen, natio- 
naUn Charakter. Nicht allein waren fast alle Deputirte, 
die daS die Kirche betreffende Gesetz — eS sind über 300 — 
votirt haben, bei der Feierlichkeit, sondern auch alS Staats- 
oberhaupt Marschall Mac Mahon mit seinem Stabe, der 
Gouverneur von Paris, General Ladmirault, der Platzkom- 
Mandant, General GeSlin, beide mit ihren Stäben, die beiden 
Präfekten von Paris, die Mitglieder des CassationShofeS, deS 
StaatsratheS und alle übrigen Behörden, alle in ihrer großen 
AmtStracht auf dem Montmartre anwesend. Für den 16. 
selbst waren große militärische Vorsichtsmaßregeln getroffen. 
Den Bonapartisten geht eS gegenwärtig übel. Es wird 
eine Kommisston von drei Aerzten eingesetzt, welche alle Pen- 
sionirten Beamten auS der Kaiserzeit untersuchen soll, ob sie 
auf Grund körperlicher over geistiger Gebrechen, die sie im 
Amte sich geholt, ihr Ruhegehalt beziehen, oder bloß auS Gunst. 
Nach dem ärztlichen Bericht wird der StaatSrath entscheiden, 
ob ihre Pensionen weiter bezahlt oder gestrichen werden — 
DaS Gesetz über höheres UnterrichtSwesen wonach neben 
den StaatSfalkultäten, auch durch die Diözesen freie Univer 
sitäten gegründet werden können, ist von der Mehrheit der 
franzöf. Nationalversammlung angenommen worden. 
Amerika Noch »st die schreckliche Katastrophe deS Dam- 
pferS Schiller frisch im Gedächtniß, und schon wieder trifft 
die Nachricht ein, daß ein großer englischer Dampfer im At- 
lantischen Ozean untergegangen ist, und daß viele Menschen 
dabei daS Leben verloren haben. Wie der „TimeS" auS Phi- 
ladelphia vom 10. d. gemeldet wird, hat der in Rewyork ein- 
getroffene Dampfer „State of Georgia" am vergangenen 
Samstag ein Boot mit 5 Leuten von dem Dampfer dep Do- 
minionlinie „VickSburg", Kapt. Bennet, in See aufgenommen. 
Die VickSburg verließ Quebec am 27. Mai mit einer Mann- 
fchaft von 60 Personen und 28 Passagieren, gerieth einige 
Tage darauf in daS Eis und sank, vom Eise durchschnitten, 
am 1. Juni. Nach Aussage der 5 Geretteten wurden ihr 
Boot und 2 andere, in welchem sich etwa 40 Personen be- 
fanden, glücklich in'S Wasser gebracht, in der Nacht aber von 
einander getrennt, so daß Hoffnung vorhanden ist, daß auch 
diese beiden Boote von vorbeipassirenden Schiffen angetroffen 
worden sind. Kapitän Bennet und 40 Personen sind leider 
mit dem Dampfer untergegangen. Die Geretteten haben durch 
die Kälte schwer gelitten, befinden sich aber in der Besserung.
	        

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