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tirten Rechte, die mit dem Vorgehen der Berner Regierung im
Widerspruch stehen. Die Regierung von Bern hat nun dem
BundeSrath den Rekurs an die Bundesversammlung erklärt.
Der Rekurs verlangt: 1) eS fei der Beschluß deS Bundes-
ratheS zu kassiren. 2 eS sei jedenfalls die Vollziehung deS
Beschlusses zu suSpendiren, bis über den Rekurs entschieden
sein werde. Zudem hat der bernische Volksverein einen Auf-
ruf zu einer Volksversammlung auf den 13. MtS. ergehen
lassen, der sowohl der Form alS dem Inhalte nach in sehr
derber Weise zur Gegenwehr gegen den Beschluß deS Bun-
deSratheS aufruft. Die gemäßigte liberale Presse der Schweiz,
so insbesondere die „Neue Zürcher Zeitung" und die „Schwei-
zer. Grenzpost" sprechen stch ganz entschieden gegen daS Vor-
gehen dieser Versammlung auS. Die „Schweiz Grenzpost"
spricht sich diesbezüglich folgendermaßen auS:
Kein unglücklicherer Gedanke hätte auftauchen können, als
der deS EentralauSschusseS deS bernischen VolkSvereinS, eine
Volksversammlung nach Bern zu berufen, um eine moralische
Pression- auf die eidg. Räthe auszuüben. Hierin liegt eine
Mißachtung der Bundesversammlung, die leicht daS Gegentheil
deS beabsichtigten Zweckes erreichen kann, sofern die Mitglieder
der Bundesversammlung noch etwaS auf sich und auf der
Freiheit ihrer Berathung halten. Mit solchem Vorgehen würde
ßch Bern in der übrigen Schweiz mehr Antipathien alS Sym
pathien schaffen, weßhalb tonangebende Personen wohl daran
thun würden, den Hitzköpfen bei Zeiten noch abzuwinken. Auch
widerspricht jenes Vorgehen den ersten Grundsätzen unserer ge-
ordneten Demokratie. Angenommen Die Streitfrage komme bei
der Bundesversammlung doch noch zur prinzipiellen Erörterung,
eSHtverde eine authentische Interpretation der Art. 44 und 45
der Bundesverfassung gefordert und gegeben und diese falle
— Wie sehr wahrscheinlich ist! — in dem vom Bundesrath
und vom BundeSgericht ausgesprochenen Sinne aus; angenom
men ferner, der Berner Volksverein glaube, diese Auslegung
entspreche den Anschauungen deS Schweizervolkes nicht; wozu
haben wir denn das Referendum in der neuen Bundesverfas
sung? Dann wäre eS Zeit, mit einer Volksaktien in Gestalt
eben dieses Referendums aufzutreten. DaS solcherweise zu ge-
ordnetet Abstimmung zusammenberufene Schweizervolk steht über
der Bundesversammlung, nimmermehr aber eine jedes legalen
Charakters entbehrende kantonale Volksversammlung mit oder
ohne Zuzug 'aus andern Kantonen. So lehrt unser demokra
tisches Recht
Türkei. Ein Prozeß von ächt türkischer Art befindet sich
in Konstantinopel seit Kurzem im Gange. ES handelt sich um
drei Statthalter auS der Provinz Angora, welche auS der dort
herrschenden furchtbaren HungerSnoth ein vortreffliches Ge
schäft zu machen verstanden, indem sie die UnterstützungSgelder,
welche man ihnen zur Vertheilung unter die notleidenden Be
wohner übergab, bis auf den letzten Heller in ihre eigene Tasche
gleiten ließen, ohne daß die Ehrenwerthen auch nur die leise-
sten Gewissensbisse darüber verspürt hätten, wenn die Bevöl«.
kerung mittlerweile haufenweise verhungerte. Man darf eS als
erwiesen annehmen, daß die HungerSnoth in Angora niemals
zu so furchtbarer Höhe gestiegen wäre, bätte eS unter den
dortigen Distriktsvorstehern weniger Hyänen und mehr Men-
schen gegeben. AlS daS Vorgehen der verhafteten Vorsteher
in KeSkin, Jozgan und Hissar bekannt wurde, da wären die
drei Scheusale fast gelyncht worden. Amtspersonen und Mi-
litär mußten sie schützen. Hoffentlich werden sich die Gerichte
diesmal nicht damit begnügen, ihnen eine Geldstrafe aüfzuer-
legen, deren Betrag kaum die Hälfte der unterschlagenen Summe
ausmacht, sondern endlich einmal ein abschreckendes Exempel
ftatuiren.
Verschiedenes.
* Ein eigenthümlicher Vergiftungsfall ereignete sich dieser
Tage in Stettin mit einem Hute. AuS einem Ladengeschäft
wurde am Tage vor Pfingsten ein Filzhut gekauft, mit dem
der Betreffende, ein Schuhmacher, zum Feste auf zwei Tage
nach seiner Heimath Stargard verreiste. Alsbald stellte fich,
obgleich der Hut nicht im Mindesten drückte, Kopsschmerz her-
auS und auf der Stirn des Trägers bildete fich ein Ausschlag,
dessen einzelne kleine Geschwüre in Eiterung übergingen. Auch
die Augen entzündeten fich derart, daß sie fast zuschwollen, u.
mehr oder minder theilte sich die Geschwulst auch den übrigen
Theilen deS GefichtS mit. ES lag nahe, daß diese Erschei-
nungen nur vom Tragen deS HuteS herrührten. Derselbe
wurde einem GerichtS-Chemiker zur Untersuchung übergeben
und dieser konstatirte, daß daS braune Schweißleder des HuteS
mit gifthaltiger Anilinfarbe gefärbt sei, wie dies leider jetzt
häufiger vorkomme. Eine Vergiftung, resp. jEntzündung ser
unvermeidlich, wo dieser Farbenstoff unmittelbar mit der mensch-
lichen Haut in Berührung komme, was namentlich beim Hut
futter unausbleiblich sei. Nachdem auch ein Arzt dieses Gut
achten bestätigt, wurde die Polizei von dem Vorfall in Kennt-
niß gesetzt.
Verantwortlicher Redakteur «^Herausgeber: vi-. Rudolf Schadler.
Oeßentliche Versteigerung.
Magnus Biedermann in Schellenberg läßt Dienstag den
22.,' Mittwoch den 23. und Donnerstag den 24. Juni
12 Stück Ackerland,
12 „ Wiesland,
4 „ Weinreben,
22 „ Wald,
6 „ Streue, ,
sowie verschiedene Fahrnisse auS freier Hand versteigern. Die
Versteigerung beginnt an den genannten Tagen jedesmal Vor-
mittag 8 Uhr im Hause deS Feilbieters. Die LieitationSbedin-
gungen werden am VersteigerungStage bekannt gegeben, können
aber schon vorher entweder beim Feilbieter oder bei dem Ge-
meindevorstand von Schellenberq eingesehen werden.
Kornpreise vom Fruchtmarkt in Bregenz vom 11. Juni.
Der halbe Metzen
beste
mittlere
geringe
fl
kr.
fl.
kr.
fl.
kr.
Korn . . . . .
3
40
3
15
3
05
Roggen ....
2
80
2
60
2
50
Gerste .....
2
70
2
50
2
30
Türken ....
2
80
2
50
2
20
Hafer
1
70
1
60
1
50
Thermometerstand nach Reaumur in Baduz.
Monat
Morgens
7 Uhr
Mittags
12 Uhr
Abends
6 Uhr
Witterung, j
Juni
9
+12%
+22
+20
hell
10.
+14%
+23
+ 16
fast hell; etw.Reg.
tr
11.
+11
+20
+11V2
halb hell „ „
11
12.
+ 12
+ 16%
+15
II H
IT
13.
+11%
+ 18
+ 17
hell
ff
14
+12
+ 193/,
+19
u
H
15.
+14
+23
+ 18
fast hell.
Telegrafischer Kursbericht von Wien.
16. Juni Silber ... . ... . . . 101.85
20-Frankenstücke . . ... . . 886%
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.