Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1875)

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tirten Rechte, die mit dem Vorgehen der Berner Regierung im 
Widerspruch stehen. Die Regierung von Bern hat nun dem 
BundeSrath den Rekurs an die Bundesversammlung erklärt. 
Der Rekurs verlangt: 1) eS fei der Beschluß deS Bundes- 
ratheS zu kassiren. 2 eS sei jedenfalls die Vollziehung deS 
Beschlusses zu suSpendiren, bis über den Rekurs entschieden 
sein werde. Zudem hat der bernische Volksverein einen Auf- 
ruf zu einer Volksversammlung auf den 13. MtS. ergehen 
lassen, der sowohl der Form alS dem Inhalte nach in sehr 
derber Weise zur Gegenwehr gegen den Beschluß deS Bun- 
deSratheS aufruft. Die gemäßigte liberale Presse der Schweiz, 
so insbesondere die „Neue Zürcher Zeitung" und die „Schwei- 
zer. Grenzpost" sprechen stch ganz entschieden gegen daS Vor- 
gehen dieser Versammlung auS. Die „Schweiz Grenzpost" 
spricht sich diesbezüglich folgendermaßen auS: 
Kein unglücklicherer Gedanke hätte auftauchen können, als 
der deS EentralauSschusseS deS bernischen VolkSvereinS, eine 
Volksversammlung nach Bern zu berufen, um eine moralische 
Pression- auf die eidg. Räthe auszuüben. Hierin liegt eine 
Mißachtung der Bundesversammlung, die leicht daS Gegentheil 
deS beabsichtigten Zweckes erreichen kann, sofern die Mitglieder 
der Bundesversammlung noch etwaS auf sich und auf der 
Freiheit ihrer Berathung halten. Mit solchem Vorgehen würde 
ßch Bern in der übrigen Schweiz mehr Antipathien alS Sym 
pathien schaffen, weßhalb tonangebende Personen wohl daran 
thun würden, den Hitzköpfen bei Zeiten noch abzuwinken. Auch 
widerspricht jenes Vorgehen den ersten Grundsätzen unserer ge- 
ordneten Demokratie. Angenommen Die Streitfrage komme bei 
der Bundesversammlung doch noch zur prinzipiellen Erörterung, 
eSHtverde eine authentische Interpretation der Art. 44 und 45 
der Bundesverfassung gefordert und gegeben und diese falle 
— Wie sehr wahrscheinlich ist! — in dem vom Bundesrath 
und vom BundeSgericht ausgesprochenen Sinne aus; angenom 
men ferner, der Berner Volksverein glaube, diese Auslegung 
entspreche den Anschauungen deS Schweizervolkes nicht; wozu 
haben wir denn das Referendum in der neuen Bundesverfas 
sung? Dann wäre eS Zeit, mit einer Volksaktien in Gestalt 
eben dieses Referendums aufzutreten. DaS solcherweise zu ge- 
ordnetet Abstimmung zusammenberufene Schweizervolk steht über 
der Bundesversammlung, nimmermehr aber eine jedes legalen 
Charakters entbehrende kantonale Volksversammlung mit oder 
ohne Zuzug 'aus andern Kantonen. So lehrt unser demokra 
tisches Recht 
Türkei. Ein Prozeß von ächt türkischer Art befindet sich 
in Konstantinopel seit Kurzem im Gange. ES handelt sich um 
drei Statthalter auS der Provinz Angora, welche auS der dort 
herrschenden furchtbaren HungerSnoth ein vortreffliches Ge 
schäft zu machen verstanden, indem sie die UnterstützungSgelder, 
welche man ihnen zur Vertheilung unter die notleidenden Be 
wohner übergab, bis auf den letzten Heller in ihre eigene Tasche 
gleiten ließen, ohne daß die Ehrenwerthen auch nur die leise- 
sten Gewissensbisse darüber verspürt hätten, wenn die Bevöl«. 
kerung mittlerweile haufenweise verhungerte. Man darf eS als 
erwiesen annehmen, daß die HungerSnoth in Angora niemals 
zu so furchtbarer Höhe gestiegen wäre, bätte eS unter den 
dortigen Distriktsvorstehern weniger Hyänen und mehr Men- 
schen gegeben. AlS daS Vorgehen der verhafteten Vorsteher 
in KeSkin, Jozgan und Hissar bekannt wurde, da wären die 
drei Scheusale fast gelyncht worden. Amtspersonen und Mi- 
litär mußten sie schützen. Hoffentlich werden sich die Gerichte 
diesmal nicht damit begnügen, ihnen eine Geldstrafe aüfzuer- 
legen, deren Betrag kaum die Hälfte der unterschlagenen Summe 
ausmacht, sondern endlich einmal ein abschreckendes Exempel 
ftatuiren. 
Verschiedenes. 
* Ein eigenthümlicher Vergiftungsfall ereignete sich dieser 
Tage in Stettin mit einem Hute. AuS einem Ladengeschäft 
wurde am Tage vor Pfingsten ein Filzhut gekauft, mit dem 
der Betreffende, ein Schuhmacher, zum Feste auf zwei Tage 
nach seiner Heimath Stargard verreiste. Alsbald stellte fich, 
obgleich der Hut nicht im Mindesten drückte, Kopsschmerz her- 
auS und auf der Stirn des Trägers bildete fich ein Ausschlag, 
dessen einzelne kleine Geschwüre in Eiterung übergingen. Auch 
die Augen entzündeten fich derart, daß sie fast zuschwollen, u. 
mehr oder minder theilte sich die Geschwulst auch den übrigen 
Theilen deS GefichtS mit. ES lag nahe, daß diese Erschei- 
nungen nur vom Tragen deS HuteS herrührten. Derselbe 
wurde einem GerichtS-Chemiker zur Untersuchung übergeben 
und dieser konstatirte, daß daS braune Schweißleder des HuteS 
mit gifthaltiger Anilinfarbe gefärbt sei, wie dies leider jetzt 
häufiger vorkomme. Eine Vergiftung, resp. jEntzündung ser 
unvermeidlich, wo dieser Farbenstoff unmittelbar mit der mensch- 
lichen Haut in Berührung komme, was namentlich beim Hut 
futter unausbleiblich sei. Nachdem auch ein Arzt dieses Gut 
achten bestätigt, wurde die Polizei von dem Vorfall in Kennt- 
niß gesetzt. 
Verantwortlicher Redakteur «^Herausgeber: vi-. Rudolf Schadler. 
Oeßentliche Versteigerung. 
Magnus Biedermann in Schellenberg läßt Dienstag den 
22.,' Mittwoch den 23. und Donnerstag den 24. Juni 
12 Stück Ackerland, 
12 „ Wiesland, 
4 „ Weinreben, 
22 „ Wald, 
6 „ Streue, , 
sowie verschiedene Fahrnisse auS freier Hand versteigern. Die 
Versteigerung beginnt an den genannten Tagen jedesmal Vor- 
mittag 8 Uhr im Hause deS Feilbieters. Die LieitationSbedin- 
gungen werden am VersteigerungStage bekannt gegeben, können 
aber schon vorher entweder beim Feilbieter oder bei dem Ge- 
meindevorstand von Schellenberq eingesehen werden. 
Kornpreise vom Fruchtmarkt in Bregenz vom 11. Juni. 
Der halbe Metzen 
beste 
mittlere 
geringe 

fl 
kr. 
fl. 
kr. 
fl. 
kr. 
Korn . . . . . 
3 
40 
3 
15 
3 
05 
Roggen .... 
2 
80 
2 
60 
2 
50 
Gerste ..... 
2 
70 
2 
50 
2 
30 
Türken .... 
2 
80 
2 
50 
2 
20 
Hafer 
1 
70 
1 
60 
1 
50 
Thermometerstand nach Reaumur in Baduz. 
Monat 
Morgens 
7 Uhr 
Mittags 
12 Uhr 
Abends 
6 Uhr 
Witterung, j 
Juni 
9 
+12% 
+22 
+20 
hell 

10. 
+14% 
+23 
+ 16 
fast hell; etw.Reg. 
tr 
11. 
+11 
+20 
+11V2 
halb hell „ „ 
11 
12. 
+ 12 
+ 16% 
+15 
II H 
IT 
13. 
+11% 
+ 18 
+ 17 
hell 
ff 
14 
+12 
+ 193/, 
+19 
u 
H 
15. 
+14 
+23 
+ 18 
fast hell. 
Telegrafischer Kursbericht von Wien. 
16. Juni Silber ... . ... . . . 101.85 
20-Frankenstücke . . ... . . 886% 
Druck von Heinrich Graff in Feldkirch.
	        

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