von 1866 sich der „politische KatholieiSmuS" zu regen begann,
dem Ministerium nicht am Platze; er wurde 1868 an die
Regierung zu Merseburg versetzt, auS welcher Stellung er im
Frühjahr 1872 seinen Abschied nahm. Seit 1867 hat Mal-
linkrodt den verschiedenen Reichstagen deS NordMtschen BundeS
und deS Deutschen Reiches und auch dem preußischen Abgeord-
MenHause wieder angehört, in welchen er, namentlich nach
Aushebung seiner Beamtenstellung, mit der größten Entschie-
denheit für die ultramontane Sache der Regierung gegenüber
daS Wort zu ergreifen pflegte.
Oesterreich. Die österreichisch-ungarischen Delegationen
sind nach vollbrachter Arbeit mit einem großartigen Versöhnungs-
schmauS unter gegenseitigem Händedruck von einander geschie-
den. Andrassy, welcher alle Ursache hat, mit der abgelaufenen *
Sitzung zufrieden zu sein, hat den Vertretern beider Reichs-
Hälften den warmen Dank des Kaisers für ihren Patriotismus
ausgesprochen, womit sie trotz der kritischen Finanzlage des
Landes die nöthigen Summen für den Unterhalt der Armee
bewilliget hatten. Bei diesem Anlaß sprach der Präsident Rech-
-bauet den Wunsch auS, die europäischen Staaten möchten
endlich aushören, sich in beständige Rüstungen zu stürzen, und
endlich den friedlichen Weg der Zivilisation betreten.
Frankreich. Das neue französische Ministerium ist endlich
nach siebentägigen Geburtswehen glücklich in 6 Dasein befördert
worden. Dasselbe ist folgendermaßen zusammengesetzt: Cissey,
Krieg und Vizepräsident deS StaatsratheS; DecazeS, Aus-
wärtiges; Fourtou, Inneres; Maggie, Finanzen; Cailloux,
öffentliche Arbeiten; Grivart, Handel; Cumonr, Unterricht;
Tailhoud, Justiz; Montagnac. Marine.
. Obwohl die meisten französischen Blätter dem neuen Kabinet
-ein kurzes Dasein in Aussicht stylen, und demselben einen nur
geschäftlichen, programmlosen Charakter beimessen, so hat es
doch den Anschein, daß Mac Mahon durch sein neues Mini-
sterium das bisherige System der „moralischen Ordnung" im
Sinne des abgetretenen Ministers Broglie fortsetzen will.
Im Nievre-Departement ist bei einer Nachwahl in die
Nationalversammlung der ehemalige Stallmeister des Kaisers
Napoleon gewählt worden. Mit dieser Wahl hat die Sache
der Kaiserlichen einen nicht unbedeutenden Fortschritt gemacht.
Eine Anzahl Blätter gehen jetzt schon so weit, daß sie ^ eine
baldige Thronbesteigung Napoleon IV als eine große Wahr»
scheinlichkeit hinstellen. Ein Parier Korrespondent der A. A. Z.
charakterisirt die französischen Zustände zur Zeil der ThierS'jchen
Präsidentschaft und im Verlaufe der Mac Mahon'fchen Re-
gierung der „sittlichen Ordnung" in etwa folgenden derben
Zügen: „Ein Zahr der „sittlichen Ordnung" hat genügt, um
die Franzosen in die Arme des unheilvollen Kaiserreichs zu
werfen. ES soll vor deutschen Lesern ein Franzose überhaupt
nicht vertheidigt werden, aber wenn man mit allem Ernst Ge-
schichte schreiben will, so kann man nicht umhin, Herrn Thiers
selbst als Gegner Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. In zwei
Jahren seiner taglich bestrittenen, von rechts und links ange-
griffenen Präsidentschaft, mit einer feindlichen Besatzung im
Lande, wurde die Commune bewältiget, die Kriegsschuld auS-
gezahlt, die aufgelöste Armee auf ganz neuen Grundlagen
reorganisirt und verstärkt, daS Gleichgewicht des in Folge des
Krieges um eine halbe Milliarde erhöhten Staatsbudgets her-
gestellt, eine ganze Menge bedeutender Gesetze über die Munici-
palitäten, die Generalräthe, die Schwurgerichte, die Exekutiv-
gewalt u. dgl. m. gegeben, Tausende von Feinden der Gesell-
schaft abgeurtheilt u f. w. Das Universum achtete eine Re-
gierung, die solches zu thun vermochte; in allen Blättern Eu
ropas wurde diesem Gouvernement Lob gespendet; Frankreich
ward der Katastrophe wegen, welche es ereilt hatte, nicht allzu
sehr bedauert, weil man eS unter Thiers der Wiedergeburt
entgegengehen sah. Trotz aller Anstrengungen der Monarchisten
und deS rothen Gambetta'fchen Schweifes, das Land in bestän
diger Aufregung zu erhalten, begann sich also Frankreich materiell
und moralisch zu erholen; Niemand glaubte an die Möglichkeit
deS landeSverrätherischen Streiches vom 24 Mai. und 50 Mil
liarden bot die Welt Herrn Thiers auf die verlangten 3 Mil-
liarden an. Ader man hatte ohne Mac Mahon gerechnet, der
auf Befehl der Herzogin von Magenta und ihrer Umgebung
mit Büffet, Broglie und dem Verräther Target konspirirte.
Seit der Stunde nun, in welcher Frankreich in der ersten
Marschalls-Botschaft die Worte „ordre rnoral" las, seit einem
Jahre ist die militärische Organisation gänzlich in Vergessenheit
gerathen; der Heros von Sedan hat bloS mit den Soldaten
eines schlichten Bürgers vor dem Perser Schah paradirt und
von der Versailler Kammer ein nach der Ansicht vieler Fach-
männer groteskes SortifikationSgesetz byzantinischer Versunkenbeit
in extrem!« votiren lassen; daS laufende Budget ist noch jetzt,
fünf Monate nach Beginn deS Jahres nicht in's Gleichgewicht
gebracht, die Betreibung der Steuern weist höchst bedenkliche
Minderergebnisse auf, das Portefeuille der Bank von Frankreich
hat sich nahezu um 400 Millionen vermindert und die Hungers-
noth steht vor der Thüre; kein Handel, kein Gewerbe können
aufblühen, und in den Städten wie auf dem Lande stehen sich
Nachbarn, Verwandte und Freunde als geschworene Feinde
gegenüber. Außerdem hat die Nationalversammlung im Laufe
eines Jahres sieben Monate Ferien gehabt; sie hat absolut kein
Gesetz von Belang gegeben, sondern nur das Thiers'sche Municipal-
gesetz umgeworfen, um die Gemeindebeamten des Kaiserreichs
wieder in ihre früheren Stellungen einzusetzen.
Am Ende seiner noch weiter ausgeführten Betrachtungen
kommt derselbe Korrespondent zu folgendem Schlüsse: Frank-
reich ist also dem Kaiserreich verfallen und rettungslos verlo-
ren. Im nächsten Kriege wird es als Störenfried mit Un-
barmherzigkeit auf ewige Zeiten unschädlich gemacht werden
und zu eitlem zweiten Spanien herabsinken; in allen gesell-
schaftlichen Zweigen merkt man bereits die nationale Auflösung.
Ich will keinem deutschen Leser den naiven Aufruf zumuthen:
„Die heilsame Lehre deö letztes Krieges zählt doch auch etwas!"
Haben denn die Franzosen unter dem ersten Napoleon nicht
noch heilsamere Lehren empfangen als 1370? Hat denn Na-
poleon HI. nicht gewußt, mit welch' leidiger Armee er gegen
eine Uebermacht in den Kampf zog? Liegt eS denn nicht auf
der Hand, daß die Franzosen dießmal wenigstens zweimal so
viel Streitkräfte werden ins Feld stellen können? Glaubt man
etwa, daß die Hofgenerale Napoleons IV, im Vertrauen auf
den neuen byzantinischen Schutzgürtel von Paris, den Verlust
ihrer strategischen Gränzlinie und die Fortschritte im deutschen
Heerwesen erwägen werden? Kann man sich denn ein sried-
liches Kaiserreich vorstellen, dem man im gesetzgebenden Körper
täglich den Schimpfruf.' „Und Elsaß Lothringen!" an den
Kopf werfen wird. Nein, das ist unmöglich! Und selbst in
der Voraussetzung, daß das künftige Kaiserreich die Lection von
1870 beherzigen werde, so wird es immerhin auf solche Weise
gegen Deutschland wühlen, daß sich letzteres gezwungen sehen
wird, das Schwert zu ziehen. So oder so also ist daS Kai-
serreich der Krieg in nicht weiter Ferne — eaveant eonsules!
Spanien Die verhältnißmäßige Stille aus dem spanischen
Kriegsschauplätze dauert noch immer an. Concha's linker Flü-
gel, der in BiScaya gelassen wurde, hält sich auf der Defen
sive und weist die Neckereien der Carlisten ab ; was die übri-
gen Truppen deS schweigenden Marschalls machen, bleibt in
tiefeS Dunkel gehüllt Ein in der Regel eingeweihter Bericht-
erstatter spricht die Vermuthung aus, Concha wolle die Carl-
isten in den Provinzen, welche sie im Besitze haben, einschließen
und ihnen die Zufuhren abschneiden, um sie in jenen auSge-
sogenen Gegenden auszuhungern. Zur Unterstützung dieser An-
ficht wird hinzugefügt, die Carlisten hätten sich während der
Belagerung von Bilbao und bis in die letzte Zeit auS dem
Ebro>Thal verproviantirt, nur schon der Marsch Concha'S auf