Liechtensteinische
Zweiter Jahrgang
Vaduz, Freitag
Nr. 23.
den 5. Juni 1874.
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Vaterländisches.
Vaduz, 1. Juni. (Viehseu chen) (Correfp. v. 21.
Mai.) Das Bulletin über den Stand der Viehseuchen in der
Schweiz auf den 16. Mai zeigt folgende Rekapitulation: Lwn-
genseuche in 2 Ställen in Wallis, Maul- und Klauenseuche
in den Kantonen Zürich 5, Bern 14, Luzern 1, Schwyz 1,
Freiburg 1, Solothurn 2, Appenzell A.'RH. 15, Appenzell I -
Rh. 3, St. Gallen 2, Graubünden 68, Thurgau 5,
Waadt 6 Ställen.
Bemerkungen. Wir notiren heute zwei neue Ausbrüche der
Lungenseuche in je einem Stalle der Gemeinden Sitten und
AgetteS deö Kantons Wallis, deren Ursache auf die jüngst
dort vorgekommenen Fälle zurückzuführen ist. v
Maul- und Klauenseuche. Infolge neuer Einschlcppungen
dieser Seuche hat sich die Zahl der insickrten' Ställe im Kan-
ton Appenzell A.-Rh. um 10 vermehrt; dagegen hat die starke
Vermehrung im Kanton Graubünden nichts Auffälliges, und
erklärt sich dieselbe daraus, daß den Gemeinden Fläsch und
Scheid die Aufhebung der Stallsperre gestattet, dafür aber
strenge Ortösperre angeordnet wurde. Der Zweck deS Ver«
fahrenS ist, nachdem die Seuche in den Gemeinden ohnedies
schon allgemein geworden, dieselben noch vor der Alpfahrt voll-
ständig durchseuchen zu lassen; ihre isolirte Lage läßt diese
Maßregel, ohne Gefahr für andere, leicht durchführen. Der
Kanton Graubünden steht demnach in Bezug auf die AuSbrei-
tung der Seuche nicht schlimmer daran, als er bei unserm
letzten Berichte eS gewesen ist. Größere Bedenken und Schwierige
feiten verursacht nun aber der bevorstehende Viehauftrieb aus
Italien auf die Bündner Alpen, und es bedarf der strengsten
Handhabung der für diesen Fall besonders gesetzlich vorgeschrie-
denen SicherheiitSmaßregeln, um Graubünden vor einer neuen
Invasion der Seuche, wie sie letztes Jahr stattgefunden hat,
sicher zu stellen Wie groß diese Aufgabe ist, läßt sich auS
folgenden Ziffern ermessen. ES werden jährlich auS Italien
nach Bündten eingeführt, um auf den dortigen Alpweiden ge-
sommert zu werden: 4000—7000 Stück Rindvieh, 40,000^—
45,000 Schafe, 1000—2000 Ziegen, 500—1000 Schweine
und einige Hunderte Pferde und Esel. Für alles dieses Vieh
werden jahrlich Fr. 40,000 Pachtzins bezahlt.
AuS dem neuesten Wochenberichte über den Stand der
Rinderpest in Oesterreich entnehmen wir, daß die Seuche in
Galizien, in dem gegenwärtig einzig noch verseuchten Krön lande,
ganz stationär geblieben ist, indem weder das Erlöschen dersel-
ben an irgend einem der betreffenden Orte, noch neue Ausbrüche
zu melden sind. Das nämliche gilt auch für die ungarischen
Kronländer.
Politische Rundschau.
In Deutschland ist die Geschäftssaison vorläufig geschlos-
sen und man beginnt sich'wieder um die Badereisen der hohen
Herrschaften zu kümmern. Der Kaiser von Rußland ist be-
reitS in EmS angelangt und von der Bevölkerung mit Jubel
empfangen worden. In Berlin ist am 26. Mai der Führer
der deutschen CentrumSpartei, Herr v. Mallinckrodt gestorben.
Die A. A. Zeitz, widmet ihrem politischen Gegner folgenden
ehrenvollen Nachruf:
Unerwartet, nach kurzem Leiden, man darf wohl sagen auf
der Wahlstatt, ist gestern Morgen in der elften Stunde Her-
mann v. Mallinckrodt einer Lungen« und Rippenfellentzündung
erlßgM In wenigen Tagen hatte die lang verhaltene Krank-
heit seine Kraft erschöpft; er entschlief mit der einen Hand die
Rechte seiner jungen Gattin, mit der andern das Kreuz fest
umfassend. Auch wir, seine Gegner, werden aufrichtig seinen
Tod beklagen. Da er eS verstand in seltener Weise ein gro-
ßeS Talent mit festem Charakter zu verbinden, wird ihm das
Mitgefühl auch von denen nicht versagt werden die seine Ueber-
zeugungen bekämpfen mußten. Die Gewalt der Rede war ihm
vor allen anderen Primipilen seiner Partei gegeben, an Schlag-
fertigkeit wich er vielleicht nur Windthorst; waS ihn aber über
diesen erhob, war die männliche Kraft und der männliche Haß
gegen alles was er für Unrecht erkannte. Ihm war die Sache
die er bis in den Tod vertrat, nicht ein Tummelplatz geist-
reichen Witzes oder verbissenen Ingrimms, eS war die Kraft
der Ueberzeugung die ihn beseelte, die den Gegner nie ver-
gessen ließ, daß er einen ganzen Mann vor sich hatte. ES lag
etwaS antikes in seiner Art und Weise, und etwaS tragisches
in seinem Tode, wie in dem eines jeden, der, wann auch immer,
eS unternahm dem gewaltigen Geist der Zeit sich in die Räder
zu werfen. Aber er hat ehrlich gekämpft, und das Beispiel
mannhafter und selbstloser UeberzeugungStreue, daS er gegeben,
wird auch für feine politischen Feinde ein dauerndes Muster
fem. Hermann v. Mallinckrodt war am 5. Febr. 1821 in
Minden geboren; nach Vollendung seiner Studien in Berlin
und Bonn arbeitete er beim Stadt- und Obergericht in Bonn,
sowie bei den Regierungen zu Münster und Erfurt; als Re-
gierungSassessor gehörte er den Regierungskollegien zu Minden,
Erfurt, Stralsund und Frankfurt a. O. an; er war zeitweise
kommissarischer Bürgermeister von Erfurt, und wurde vom
Grafen Schwerin als HülfSarbeiter ins Ministerium deS
Innern berufen. Während der Reaktionsjahre hatte Mallin-
ckrodt in der zweiten Kammer und im Abgeordneten Hause (denen
er von 1352 bis 1863 angehörte) an der Seite der Altlibe-
ralen muthig für die Verfassung gekämpft. Als RegierungS-
rath in Düsseldorf (feit 1860) erschien er, als nach dem Krieg