Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

Liechtensteinische 
Zweiter Jahrgang. 
Vaduz, Freitag 
Nr. 21. 
den 22. Mai 1874. 
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werden franco erbeten an die Redaction in Vaduz. 
Zur Frage der Erneuerung des österr.- 
liechtenst Zoll- und Steuervertrages. 
(Fortsetzung und Schluß ) 
Was die volkswirthschaftliche Bedeutung des Zollvertrages 
anbetrifft, so entfällt der hieraus resultirende Vortheil eher zu 
Gunsten Oesterreichs als Liechtensteins. Oesterreich hat eine 
erleichterte Absatzquelle seiner Produkte, während Liechtenstein 
seine Hauptprodukte: Vieh und Wein trotz dem Einfuhrzolle 
günstiger nach der Schweiz verkauft. Durch die Behinderung 
des Freihandelssystems in Folge des Zollvertrages wird unser 
Handelsverkehr, wenn er auch nur ein kleiner ist, benachtheil- 
igt. Die Industrie hat gewonnen, ist jedoch nur durch Aus 
länder vertreten. Der Verdienst in Folge der Fabriken reprä- 
sentirt einen großen volkswirtschaftlichen Werth um so mehr, 
als unsere Gegend im Ganzen genommen unter mehr oder 
weniger nothdürftigen Verhältnissen leidet. 
AuS der finanziellen Betrachtung deS Zollvertrages ergeben 
sich 2 Hauptfragen. Vorerst: welche Forderung haben wir 
im Falle einer ZollvertragSerneuerung zu stellen? 
Wir wollen die Gesichtspunkte, nach denen die Forderung 
zu taxieren wäre, allgemein vorführen. Laut Art. VII B deS 
Vertrages hat sich Oesterreich von dem Reinerträgnisse der in 
Vorarlberg und Liechtenstein eingehenden Zölle ein Drittheil, 
als den Ertrag der in Vorarlberg für das Oberinnthal und 
Vintschgau stattfindenden Verzollungen darstellend, zum vor- 
hinein ausbedungen, so daß nur die übrigen 2 Drittheile zwi- 
schen Vorarlberg und Liechtenstein nach Verhältniß der Kops- 
zahl der Bevölkerung getheilt werden. Seit 1873 gehen die 
Güter für Vintschgau und Oberinnthal nun nicht mehr durch 
Vorarlberg, sondern über Lindau und Kufstein. Daher muß 
auch begreiflicherweise in Folge der veränderten Verkehrsrichtung 
der Drittelabzug entfallen. — Der Minimalbetrag mit t fl. 
90 kr. per Kopf der liechtenstein. Bevölkerung wäre zu er- 
höhen, indem sich die Verhältnisse seit der Zeit deS letzten Zoll- 
vertragSabschlusseS bedeutend verändert haben. Die Zollein- 
nahmen sind seit 1864 um mehr als die Hälfte gestiegen, fer- 
ner haben wir bis jetzt noch kein Aequivalent für die auf 
unsere Bevölkerung zu repartierende Summe, welche unser 
Zollgebiet durch Bezug von. schon in anderen österreichischen 
Provinzen verzollten Waaren steuert. Endlich beträgt unser 
indirecteS Steuerergebniß, das wir durch Verbrauch zollbaier 
Artikel an Oesterreich leisten , mehr als die doppelte Summe 
des uns bis jetzt stipulierten MinimalbetrageS. Wenn das 
finanzielle Wohl des Volkes daher genau berücksichtiget witv, 
so darf der zu fordernde Minimalbetrag bei eventueller Zoll- 
Vertragserneuerung auf keinen Fall geringer sein, als diejSumme 
der unö durch den Zollvertrag erwachsenden Nachtheile. Als 
weitere weniger wichtige Forderung würde in Betracht kommen, 
daß die Kosten des Zollamtes Vaduz, die bis jetzt unsere Lan» 
deSkassa tragen mußte, vom österreichischen Aerar übernommen 
werden, wie dieS bei den andern Zollämtern von jeher der 
Fall war. Was endlich unsere Münzfrage anbetrifft, so müßte 
dieselbe, falls sie nicht schon vorher zu unseren Gunsten gelöst 
wird, bei eventueller ZollvertragSerneuerung in dem Sinne ihre 
Erledigung finden, daß wir künftig in keiner Weife mehr an 
das öfterreich. Münzsystem gebunden wären. 
Wir kommen nun an die zweite Frage, die uns die finan 
zielle Seite deS Zollvertrages bietet, nämlich: wie regeln wir 
unfern finanziellen Staatshaushalt im Falle einer Aufhebung 
des Zollvertrages? Der Ausfall der. Zollvereinseinnahmen 
muß,^begreiflicherweise je nach dem Bedürfnisse deS LandeSbud- 
getS wieder Deckung erhalten. Ohne uns ein bestimmtes Nr- 
theil hierüber anzumaßen, haben wir nach unserer Ansicht zwei 
Wege offen. Entweder behalten wir den Modus deS indirec- 
ten Steuerergebnisses bei durch Erstellung eines eigenen Finanz- 
eordonS oder wir führen eine directe Consumbesteuerung ein. 
Im ersteren Falle hätten wir, ähnlich der Schweiz, eine eigene 
Grenzbewachung zu bestellen. Um dem Schmuggel die natür- 
lichsten Schranken entgegenzusetzen, müßte der Zoll der noth- 
wendigeren VerbrauchSartikel heruntergesetzt werden. ES würde 
auch schon durch den Umstand, daß der Zoll dann dem Lande 
direct zur Bestreitung seiner höchst nothwendigen Ausgaben, zu 
gute käme, der Schmuggel an und für sich seltener, weil er 
aus diesem Grunde im Volke stark perhorreSciert würde. — 
3m 2. Falle bei Einführung einer direeten Consumbesteuerung 
müßte die betreffende Steuer je nach der ungefähren Größe deS 
Verbrauches zollbarer Artikel auf den einzelnen Consumenten 
umgelegt werden. Die Grundsteuer dürfte in keinem Falle, 
ohne ungerecht zu erscheinen, höher werden. — Die durch 
unser Land gezogene Eisenbahnlinie würde uns in beiden 
Fällen Gelegenheit zur Erhebung eines Durchgangzolles bieten. 
— Die Salzbeschaffung anbetreffend bemerken wir, daß wir 
laut Zollvertrag dasselbe bis jetzt aus Oesterreich beziehen. 
Laut Art. VII C besteht keine Gemeinsamkeit der Erträgnisse. 
Wir würden bei eventueller ZollvertragSlösung in dieser Hin- 
ficht auf die Schweiz angewiesen. Die Qualität deS öfter- 
reichischen SalzeS soll die deS schweizerischen etwas übertreffen; 
jedoch ist daS schweizerische Salz bedeutend billiger, was auch 
gegenüber den österreichischen Mnopolverhältnissen sehr natür- 
lich ist. 
Wir haben in dieser Abhandlung versucht, einige Aufklä- 
rung über die Zollvertrags frage unseren Lesern zu bieten. Wir 
gingen von dem Grundsatze aus, daß derartige wichtige Lan- 
deSfragen , wenn sie zu lange im Geheimen herum gezogen 
werden , geeignet find, Mißtrauen und Unruhe unter der Be-
	        

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