Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

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gestellt. 3) DeS Abg. AuSfeld (Fortschrittspartei), den § 1 so 
zu fassen: Die Friedenspräsenzstärke dH Heereß wird für jed-S 
Jahr durch daS EtatSgesetz festgestellt. Für daS Jahr 1875 
deträgt bis FriedensHräsenWrke deS HeereS M Unteroffizieren 
Md Wännfchaften 401,6M Wnn. M EinArig-FreMlligen 
kommen auf die FriedenS-Hräsenzstärke nicht in Anrechnung. 
Diese Feststellung wird dem Militär-Ausgabe-Etat für das 
Jahr 1875 zu Grunde gelegt. 4) Der Abg. Hasenclever, 
Hasselmann und Reimer die Ueberschrift deS 1. Abschnittes da« 
hin zu ändern: „Organisation der VolkSwehr deS Deutschen 
Reiches," und dem 8 1 folgende Fassung zu geben: „Die Frie- 
denS-Präsenzstärke der VolkSwehr an Unteroffizieren und Mann- 
schasten dreier Jahrgänge beträgt bis zur Erlassung einer an 
derweitigen gesetzlichen Bestimmung während der Dauer von 
zwei Monaten deS Jahres nicht unter 540,000 Mann, wäh 
rend der Dauer von 10 Monaten des JahreS nicht über 
18,000 Mann Militärische und Leibesübungen der beurlaub- 
ten Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, sowie der jungen 
Leute vom vollendeten 14. bis 20. Lebensjahr werden durch ein 
Gesetz geregelt." 
Bennigsen begründete seinen Antrag, indem er zunächst 
den Grundsatz aufstellte, die Rechte der Volksvertretung bei 
der Bewilligung deS Militärbudgets müssen zurücktreten gegen 
die Frage der Sicherheit deS Staates nach Außen 
Die Staaten und Völker seien zu beklagen, welche nicht im 
Stande seien in außergewöhnlichen Verhältnissen und für eine 
Zeit lang vollständig ausnahmsweise Vollmachten ihren Re- 
gierungen zu übertragen. DaS Volk, welches in der Geschichte 
wohl daS politisch mächtigste und schöpfungsreichste gewesen sei, 
daS Volt dessen politisches Empfinden und Fühlen, dessen 
Grundsätze in Verwaltung und Staatsverfassung noch nach 
zwei Jahrtausenden mittelbar im großen Maßstabe fortwirken, 
dessen Gesetze ein Beispiel wunderbarer Art nach fast zwei 
Jahrtausenden noch in einem großen Theil von Deutschland 
unmittelbare Geltung hätten, das römische Volk, so mann- 
Haft und freiheitliebend wie irgendeinS der Geschichte, habe eS 
durchaus nicht verschmäht gewissermassen als Einrichtung seines 
Staatswesens unter der Voraussetzung besonderer Gefahren für 
den römischen Staat eine solche Diktatur wiederkehrend zu 
übertragen. 
Der Redner schloß seine lange Begründung mit den Worten: 
Ich hoffe also, daß eS der Regierung gelingen wird, mit der 
Mäßigung und Erwägung der Verhältnisse, welche schon in 
schwierigen Lagen die Reichsregierung ausgezeichnet hat, hier jetzt 
eine Verständigung zu treffen mit derjenigen Mehrheit auS dem 
liberalen und konservativen Lager die bisher zu der Regierung 
gestanden hat, daß eine genügende Sicherung für die Ver- 
Hältnisse der Armee gewonnen werde, damit dasjenige verthei« 
digt werden kann, was wir gewonnen haben im letzten Kriege, 
damit dasjenige durchgeführt und, wenn eS sein muß, durchge- 
kämpft werden kann, was zu seiner Entwicklung Deutschland 
noch bedarf. (Lebhafter Beifall rechtS und bei den National- 
liberalen, Zischen im Zentrum und in der Fortschrittspartei.) 
In der Sitzung vom 14. April motivirte Bethsy Hac die 
Zustimmung der deutschen Reichspartei zum Kompromiß Ben- 
nigsen, die, im Bestreben, Kaiser und Reichskanzler zu unter- 
stützen, ihr eigenes Amendement aufgebe. Richter legte den 
Standpunkt der Fortschrittspartei dar, die eventuell für Ben- 
nigsenS Antrag stimmen werde. Maltzan erklärte NamenS der 
Konservativen Zustimmung zum Kompromiß. Hasenklever sprach 
für den Antrag der Sozialisten. Der BundeSkommissär General 
VoigtS-Rheetz sprach sich gegen die Anträge der Fortschritts- 
Partei und deS Zentrums auf jährliche Feststellung deS Kon- 
tingentS durch das Budget aus, wies auf den dem Reichstage 
zustehenden weiten Spielraum bei der Berathung deS Heer- 
budgetS hin, wie auf die Höhe des Militärbudgets der übrigen 
europäischen Großstaaten, gegen welche das deutsche relativ sehr 
niedrig sei, und betonte, daß die Präsenzstärke nicht zu hoch 
gegriffen sei. Der Redner gab einen Ueberblick über die KriW- 
stärke der übrigen europäischen Mächte,, unter denen Deutschland 
die dritte Stufe einnehme, und hob hervor: „Wir brauchen 
eine starke Armee, um eine kräftige Politik zu führen; wir 
brauchen eine gefürchtete Armee um den Frieden zu erhalten; 
daS werden Sie nicht erreichen, wenn Sie den Armeebestand 
jährlich in Frage stellen, deshalb bitte ich Sie: Verwerfen Sie 
das Amendement Ausfeld-Mallinkrodt." 
Nachdem Voigts-Rheetz noch die von Mallinkrodt empfohlene 
zweijährige Dienstzeit bekämpft und Löwe seine Stimmgebung 
für den Kompromißantrag motivirt hatte, konstatirte Moltke, 
daß sein Standpunkt in dieser Frage unverändert sei. Ein 
starkes Heer inmitten Europas sei die beste Friedensbürgschaft; 
gegenüber dem Revanchegeschrei sei die Hand am Schwerte 
nothwendig; die Abrüstung bedeute den Krieg, der hoffentlich 
durch die Weisheit der französtschen Regierung vermieden werde. 
Wäre Deutschland 1870 geeint gewesen, so hätte eS keinen 
Krieg gegeben Deutschland habe seine Macht im Kriege nicht 
mißbraucht. „Es konnte in Paris 2 j / 2 Millionen Menschen 
verhungern lassen, um die französische Regierung zur Bewilligung 
aller Forderungen zu zwingen; Deutschland forderte aber nur 
ein Land zurück, das ein unruhiger Nachbar dem schwächern 
Nachbar entrissen. Wir müssen auch ferner zur Armee volles 
Vertrauen haben, und dazu bedürfen wir der geforderten, auch 
in Benningsen's Antrag anerkannten Präsenzstärke. Ich glaube 
die Präsenzziffer war definitiv und nicht provisorisch festzustellen. 
Die Gesetze werden nicht für ewig gemacht. Ich stimme jedoch 
für das Provisorium, weil ich glaube, daß ein patriotischer 
Reichstag nach 7jahriger Frist bewilligen wird, was im In- 
teresse deS Vaterlandes unerläßlich, und daß dann eine Ma- 
jorität sich findet, die angemessen ist der Wichtigkeit des Gegen« 
standeS, dem Ansehen deS Landes und der Würde des HauseS." 
Mallinkrodt vertheidigte sein Amendement, sowie den Stand- 
Punkt deS Zentrums. Delbrück wies die Bemerkung Mallin 
ckrodt's zurück, die Milliarden seien für Militarzwecke ver- 
fchlungen, er hob hervor, die Milliarden seien als Kriegskosten 
gezahlt, für Kriegszwecke bewilligt worden und nicht, um Ka- 
pitalien in Deutschland anzusammeln. Delbrück trat sodann 
der Behauptung Mallinckrodt's entgegen, die übrigen deutschen 
Minister seien neben dem Reichskanzler weggewischt; dieselben 
redeten vielmehr ein sehr gewichtiges Wort drein und machten 
dem Reichskanzler oft genug Sorge. Die Bemerkung Mallin- 
ckrodt's. Frankreich sei Seitens des auswärtigen AmteS zu de- 
müthigenden Schritten genöthigt, jede Kriegsangst in Folge dessen 
überflüssig, erscheine ihm nur geeignet, Zwietracht zwischen den 
beiden Nationen auszusäen. (Stürmischer Beifall.) Solchen 
Behauptungen trete er sehr entschieden entgegen. Camphausen 
betonte sein Einverständniß mit Benningsen's Kompromiß und 
hob hervor, es gebe keine richtigere Finanzpolitik als den Frieden 
zu sichern, und kein sicheres Mittel, den Zweck zu erreichen, alS 
Frieden zu gebieten. „Diesen Weg wollen wir uns durch den 
vorliegenden Gesetzentwurf erhalten." 
Nach kurzer Rede LaSker'S folgte Schluß der Debatte. Der 
Antrag HaseneleverS wurde mit allen gegen 3 Stimmen, der 
Antrag Mallinckrodt's mit 256 von 372 gegen 114 abgelehnt. 
(Für den Antrag: Centrum, Polen, Eisäßer und ein Theil der 
Sozialdemokraten.) Der Antrag AuSfeld (Fortschrittspartei) 
wurde gleichfalls abgelehnt; der Antrag Benningsen mit großer 
Majorität angenommen. (Dafür auch die Fortschrittspartei.) 
ES folgte namentliche Abstimmung über § 1 nach dem Antrag ■* 
Lenningsen; 361 Mitglieder waren anwesend, 1 enthielt sich 
der Abstimmung, für den Antrag stimmten 224, dagegen 146 
(unter letzteren 14 von der Fortschrittspartei.) 
Nachdem die dritte Lesung deS Entwurfes in der Sitzung 
vom 20. April erfolgt war, wurde das ganze Gesetz hierauf
	        

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