Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

den Bund. Gesetzgebung deS Bundes über die Ausgaben und 
Einnahmen von Banknoten. Gleichstellung der Niedergtlasse- 
nen in den Kantonen mit den KantonSbürgern und Freiheit 
der Niederlassung, Unverletzlichkeit der Glaubens- und Gewis- 
sensfreiheit und Unabhängigkeit der bürgerlichen Rechte vom 
Glauben, Aufhebung der Beschränkung deS Rechtes zur Ehe, 
Befreiung der Bürget von der geistlichen Gerichtsbarkeit, Ab- 
schaffung der TodeS- und Prügelstrafe^ Verbot jeder Wirksam- 
keil der Jesuiten in Kirche und Schule." 
Frankreich. Ueber die französische Armee im gegenwärti 
gen Augenblicke wird der „Köln. Ztg. " auS Paris geschrieben. 
„Wenn eS mit der Organisation der 7 jährigen RegierungSzeit 
Mac Mahons nur sehr langsam vorwärts geht, so läßt sich 
^aS Nämliche nicht von der Reorganisation der Armee sagen, 
die in dem letzten Jahre große Fortschritte gemacht hat. Ende 
dieses Jahres wird Frankreich eine gut eingeübte Armee (aktive 
und Reserve) von beinahe 900,WO Mann in'S Feld stellen 
können! Ihre Bewaffnung ist auch beinahe vollständig fertig. 
Jedenfalls wird die Armee bis zum Herbst mit den neuen Ka- 
nonen ausreichend versehen sein. Die MannSzucht ist zufrieden- 
stellend. Die Offiziere treten mit großer Strenge auf, und wenn in 
dieser Beziehung vielleicht auch noch nicht Alles, was man 
wünscht, erreicht ist, so sind doch fast alle jene Uebelstände als 
beseitigt zu betrachten, welche in der frühern kaiserlichen Armee 
in Mode waren. Die Offiziere haben in der letzten Zeit viel 
gearbeitet und leisten bedeutend mehr, als die der ehemaligen 
kaiserlichen Armee, und wenn die Oberkommandanten auch noch 
fast alle so sind, wie unter dem Kaiserreich, so kann man doch 
nicht leugnen, daß die Armee eine bedeutend bessere geworden 
ist. Was die Territorialarmee anbelangt, so wird gegenwärtig 
an der Organisation derselben mit dem größten Eifer gearbei- 
tet. Alle, die zu derselben gehören, sind jetzt auf ihren resp. 
Mairieen eingeschrieben. Ob die zu derselben gehörigen Sol- 
daten dieses Frühjahr zu Uebungen einberufen werden, weiß 
man noch nicht; jedenfalls wird eS aber im Herbst geschehen. 
Augenblicklich beschäftigt man sich mit der Organisation der 
Cadres. Wie es scheint, will man die Freiwilligen der aktiven 
Armee als Unteroffiziere in dieselben aufnehmen. Jedenfalls 
hält man diese so lange im Dienst zurück, biö sie eine Art von 
Unterosfizierexamen — dieses ist äußerst streng — gemacht ha 
ben. Die, welche sich nicht als genügend erweisen, werden 
noch ein Jahr länger unter den Fahnen zurückgehalten. Die 
Freiwilligen werden überhaupt sehr streng behandelt; selbst 
wenn sie ihre Prüfung bestanden, werden sie, wenn sie 80 
Tage Salle de police oder 15 Tage Gefängniß während ihreS 
ersten Jahres erhalten haben, ein Jahr länger festgehalten. 
Marschall Mac Mahon selbst hält große Stücke darauf, daß 
die Territorialarmee schnell organisirt werde, damit die aktive 
Armee für den Fall des Ausbruchs eines Krieges vollständig 
in'S Feld rücken kann." 
Spanien. Ueber die Kämpfe vor Bilbao bringt die „Ti 
mes" nachträglich einige interessante Mittheilungen ihres Be- 
richterstatterS im (artistischen Hauptquartier, der als ehemaliger 
Offizier ein beachtenSwerther Zeuge ist. Dieser Gewährsmann 
spricht zunächst seine Verwunderung darüber auS, daß der 
Hauptangriff seitens der Republikaner bis ^auf den 27. hinaus- 
geschoben wurde, „denn — bemerkt er — wenn Setrano am 
zweiten Tag im Centrum und am rechten Flügel mir demselben 
Ungestüm wie am dritten angegriffen hätte, so wären die wich- 
tigen Positionen voti San Pedro und San Julian genommen 
worden und die Carlisten hätten sich zurückziehen müssen. Die 
Ueberlegenheit der Republikaner im Punkte der Artillerie wurde 
bald von den Carlisten empfunden, denn daö Dorf CarreraS, 
Welches vor ihrem Centrum lag, mußte gleich von Anfang 
preisgegeben werden. Am zweiten Tag unterhielten die Repu 
blikaner ein beständiges Geschütz- und Kleingewehrfeuer, dem 
übrigens die Carlisten nur dann eine Erwiederung gönnten, 
wenn die Feinde Miene machten weiter vorzurücken. Die Car- 
listen zeigten überhaupt bei dieser Gelegenheit viel Rühe und 
gesunden Menschenverstand. Wenn sie den ganzem Tag geschos 
sen und wenig Schaden angerichtet hätten, so erfüllten sie hoch- 
stenS die feindlichen Truppen mit Zuversicht, während sie durch 
ihr ruhiges Zuwarten, auf welches erst beim Anrücket: der Re 
publikaner schwere Salven folgten, die beste Wirkung erzieltem 
An diesem Tage besuchte ich einige der (artistischen Verschanzt 
ungen, wo daS Feuer am heftigsten war, und fand den Kugel- 
regen, der dort über Die Köpfe hinwegpfiff, wirklich furchtbar.- 
Das Musketenfeuer that übrigens wenig Schaden, wohingegen 
daS Artilleriefeuer mitunter sehr unbequem wurde und empfind- 
liche Verluste veranlaßte. Nicht nur wurden viele Soldaten ge- 
tödtet und verwundet, sondern vielfach ward auch die Brust- 
wehr übel zugerichtet. Der spanische Soldat schlägt sich indessen 
gut hinter einer Deckung und die Basken scheinen bessere N«* 
ven zu haben als ihre Gegner, denn sie hielten unter den 
schrecklichen Explosionen der einschlagenden Granaten ganz präch- 
tig. Was den Erfolg des dritten Tages anbelangt, so besteht 
derselbe darin, daß sich die Republikaner in dem Dorf Pucheta 
und in den sechs Häusern festgesetzt haben. Diese sechs Häuser 
sind von großer Wichtigkeit, da sie San Pedro in die Flanke 
nehmen. Wahrscheinlich werden dort Geschütze placirt werde», 
um die Carlisten auS San Pedro hinauszuwerfen, und falls 
dieser Plan glückt, so werden sich die Carlisten zurückziehen 
müssen. Sollten jedoch die Carlisten die Geschütze nehmen, waS 
ja keineswegs unwahrscheinlich ist, falls dieselben so nahe an 
die Verschanzungen herangebracht werden, so könnte Serrano 
noch alles einbüßen, was er bereits gewonnen. Während der 
dreitägigen Kämpfe haben die Carlisten etwa 2000 Mann an 
Todten und Verwundeten eingebüßt. Die Verluste der Re- 
publikaner müssen nach allem, was man sehen konnte, noch 
weit größer sein. Die Artillerie der Republikaner war gut 
bedient Dagegen war das Jnfanteriefeuer äußerst wild. WaS 
die carlistische Armee anbelangt, so befindet sich dieselbe in 
trefflichem Gesundheitszustand, und ich glaube, daß das Ver 
hältnis der Kranken sehr gering ist. An Lebensmitteln fehlt 
eö nicht, und Tabak ist massenhaft zu haben. Die Contribu- 
tionen, welche arme Leute zu zahlen haben, sind übrigens un- 
geheuer, und während der letzten Tage wurde Jung und Alt 
itt den Dienst gepreßt, um Verwundete aus den Verschanz»«- 
gen zu tragen. Gleichzeitig ist die Belagerung von Bilbao 
nicht vernachlässigt worden. Mitunter schweigt daS Bombar- 
dement ein paar Tage wegen Mangels an Pulver, sobald 
aber dann wieder Munition zur Hand ist, werden täglich 400 
Granaten in die Stadt geworfen. Die Bank von Bilbao, 
schießt das (Held für fast alle öffentlichen Zwecke vor, doch 
sollen Lebensmittel sehr spärlich sein." 
England. Das englische Parlament wird bei seinem 
Wiederzusammentritt die schon öfter behandelte Frage über daß 
Frauenstimmrecht wieder zu behandeln haben. Diesmal kommt 
merkwürdiger Weise die Anregung dazu von den konservativen 
Bänken, nämlich von dem Parlamentsmitglied Forsyth. Dieser 
Gentlemen will den Antrag bringen, unabhängig dastehenden 
Frauen, also Unverheirateten, wenn ste in ein gewisses Älter 
gelangt sind, sowie Wittwen unter gewissen Bedingungen dqS 
Stimmrecht zu verleihen GS wäre dies der erste Schritt zur 
Emanzipation der Weiber, namentlich da das Recht nur solchen 
Frauen ertheilt werden soll, die nicht unter dem Joch der Ehe 
schmachten. Obschon ein Antrag in verschiedener Fassung aber 
ähnlicher Richtung bereits von John Bright und andern libe- 
ralen Koryphäen gestellt worden war und die Frauenemanzipa- 
tionStheorie in beiden Lagern viele Anhänger zählt, ist doch 
die Zahl der Abgeordneten, welche den politischen Einfluß M 
schönen Geschlechts nicht zu den Fortschritten zählen, überwie 
gend. ' Die Aussichten für Annahme des Antrages sind 
nach nicht groß.
	        

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