Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

eS nur am Vorabend einer Schlacht sich zu entfalten pflegt. 
Das Feuer sollte heute früh um 9 Uhr Morgens beginnen, i 
aber bald kam Gegenbefehl, die Flotte statt ihre Truppen aus- ! 
zuschiffen steuerte wieder gegen die hohe See und warf Anker! 
in der Rhede von Castro Sontonna Die Mißstimmung unter j 
den Truppen war in Folge dessen eine sehr große, denn jeder- j 
man hatte sich auf das Gefecht vorbereitet und seine letzten ! 
Anordnungen getroffen. Die Bataillone, die sich schon zum 
Sturm gegen die Höhen vorbereitet hatten, bezogen wieder 
ihre KontonnementS und bald hatte Somorrostro wieder 
seinen gewöhnlichen Anblick gewonnen Vielleicht hat ^ das 
Wetter den Gegenbefehl hervorgerufen, denn seit frühem 
Morgen fällt ein feiner Regen und ein Nebel läßt die 
gegnerischen Stellungen nicht mit Sicherheit wahrnehmen. 
Jetzt, Nachmittags, hellte sich der Himmel auf und ließ 
die Truppen auf den Höhen deutlich erkennen. Man sah 
eine auf dem Berge aufgestellte Batterie einige Granaten gegen 
die Karlisten-Batterien werfen. Gegen Abend marschirten die 
Truppen von den entfernteren Lagern wieder herein, zwei 
Bataillone rücken vor bis zu den ersten Vorposten und besetzen 
zwei bisher leer stehende Häuser. Die meisten Häuser sind 
von ihren Bewohnern verlassen, die jungen Leute sind bei den 
Karlisten, die Frauen und Greise haben sich mit dem Vieh und 
einem Theil ihrer Habe in die Wälder geflüchtet. Man kann 
sich denken, in welcher Weise die Häuser mißhandelt werden, 
Felder und Saaten werden niedergetreten und waS der Fuß 
der Soldaten verschont, daS wird von den Pferden und Maul- 
thieren abgeweidet, die ganze JahreSernte geht auf diese Weise 
zn Grundes DaS HauptnahrungSmittel der Armee wie der 
Karlisten ist MaiSbrod, daran aber ist kein Mangel. Auf- 
fallend ist die überall zu Tage tretende grenzenlose Sorglosigkeit: 
man raucht in den Batterien, man raucht bei den Munitionen, 
auf den Posten, kurz überall; und gestern hätte dieser Leicht- 
sinn leicht verhängnißvolle Folgen haben können, so blieb eS 
bei einer kleinen Explosion. Man läßt jedermann in die Stel- 
lungen der Truppen eintreten, man schwatzt und unterhält sich 
mit den Fremden als ob alles in dem tiefsten Frieden wäre. 
Soldaten balgen sich unter den Au^en der Offiziere um eine 
Hand voll Reis, ohne daß einer von ihnen einschreitet. Ist 
auch für heute aus dem Eingriff nichts geworden, so wird er 
doch jedenfalls morgen oder übermorgen stattfinden. Wann 
aber wird der Bürgerkrieg sein Ende finden? 
Neue offizielle Telegramme melden jedoch, daß Serrano am 
25. März die Karliften angegriffen und dieselben auS ihrer 
bisherigen Stellung verdrängt habe. Der Verlust betrug 435 
verwundete Soldaten, 17 Offiziere; 15 Soldaten und zwei 
Offiziere sind todt. Die Vertheidigung der Karlisten war hart- 
näckig. 
In Griechenland ist die Anarchie so weit gediehen, daß 
König Georg gedroht haben soll, dem Beispiele des weiland 
König von Spanien, Amadeus zu folgen und dem Lande der 
Hellenen den Rücken zu wenden. In der Kammer erklärte näm 
lich einer der frühern Minister, LombardoS, dieß Königthum 
sei der Nation antipathisch und sie hege republikanische Ten* 
penzen. Diese Worte verursachten eine solche Aufregung unter 
dem Volk, daß eS allgemein hieß, die Republik sei erklärt. Erst 
alS der König dem Präsidenten den Standpunkt klar gemacht 
hatte, wurde am folgenden Tage in der Kammer eine Resolu 
tion gefaßt, die Sprache LombardoS' zu mißbilligen, und dieser 
selbst that förmlich Abbitte, indem er dem König seine Anhäng- 
lichkeit an die Dynastie versicherte. 
Volkswirthschastliches. 
Der Weinstock und der Wein. 
Unter diesem Titel beabsichtigen wir eine Reihe von Aus- 
sätzen über den für uMre Verhältnisse äußerst wichtigen länd 
wirtschaftlichen Zweig theilS von der Hand berühmter Schrift- 
steller, theilS unter Beihülfe inländischer sachkundiger Männer 
in der volkswirtschaftlichen Abtheilung unseres BlatteS zu 
bringen. 
Der Weinstock, so beginnt Dr. Friednch Mohr in seiner 
Abhandlung über die Zucht deS Weinstockes und die Bereitung 
des WeineS, ist unter den Pflanzen, wie das Pferd unter den 
Thieren, eines der schönsten Geschenke der Natur für den 
Menschen. Er folgt demselben soweit eS seine Natur gestattet, 
in sehr verschiedene Kiimate und ist für alle Mühen, die ihm 
gewidmet werden, in der schönsten Weise dankbar. AlleS ist 
schön und edel an dem Weinstock, wie am Pferde. DaS zier- 
liche Laub, die duftende Blüthe, die schmackhafte Traube füllen 
mit ihrer Entwicklung den ganzen KreiS deS Jahres, mit AuS- 
nähme der strengen Wmtermonate, auS, und erfordern eine 
dauernde und liebevolle Behandlung von der Hand deS Men- 
fchen. Der Wein stock wächst in dem steinigten Berge, in de.ch 
fetten Garten, auf der Erde liegend und die Höhe eines HauseS 
erkletternd. Man kann ihm in der Zucht die Größe eines kleinen 
Strauches geben, und ihn wieder zur Bedeckung einer Wand- 
fläche von tausend Geviertfußen heranziehen. 
Nach dem Klima verändert er seine Natur, und paßt sich 
in wunderbarer Weise jedem Lande, welches ihm die nöthige. 
Wärme darbietet, an. Mit Leichtigkeit erzeugt er unter dey 
Hand des Menschen neue Spielarten, welche sich allen Ver- 
hältnissen anschmiegen. Die Manigfaltigkeit der Trauben 
so groß, wie die Arten der Hunde. Die Beere von der Größe 
einer starken Erbse bis über das Maaß der Kirsche hinaus, 
die Farbe wechselnd zwischen grün, gelb, fleischroth, blau und 
schwarz. Süße und Säure gemischt in den manigfaltigsten 
Verhältnissen, mit Wohlgerüchen dnrchduftet deuten nur unge- 
fähr den Umfang seiner Erzeugnisse an. 
Die Traube ist das edelste Obst: sie ist süßer als irgend 
eine andere Frucht und besitzt jene sparsame Beimischung von 
Säure, welche den eigentlichen Wohlgeschmack bedingt. Der 
flüssige Inhalt der Beere erhebt sie über den harten Apfel. 
ES ist daS einzige Obst unserer Klimate, waS eigentlich ge 
trunken und nicht gegessen wird. Und endlich verlängert der 
gegohrene Sast der Traube, der Wein, die Zeit dcS Genusses 
auf eine Reihe von Jahren hinaus. Deshalb ist die BeHand- 
lung deS Weinstocks und des WeineS schon vielfach Gegenstand 
menschlichen Fleißes gewesen, unv selbst der Dichter hat'eS nicht 
verschmäht sich davon begeistern zu lassen. 
Der Weinstock ist eine Pflanze der gemäßigten Klimate. Er 
findet sich in der alten Well innerhalb eineS Gürtels, dessen 
nördliche Gränze sich vom brittischen Kanal, durch Norddeutsch- 
land, nördlich vom schwarzen Meere und dem kaspischen See 
bis nach China hinzieht, und dessen südliche Grenze die Kt$$ 
von Nordafrika bildet bis nach Aegypten, wo die Linie vM 
Suez nach der Spitze des persischen Meerbusens überspringt' 
und von hier an das Meer nicht mehr berührt, also mit dem 
Ausschluß von Arabien, Vorder- und Hinter-Jndien. 
Die uns näher betreffende nördliche Grenze der Wein-Re- 
gion beginnt an der Mündung der Loire (47 ^0 N. B.) und 
steigt dann, vom Meere sich entfernend rasch nordwärts, verläuft 
nördlich von Paris bis zum 50° N. B., tritt zwischen Mastricht 
und Lüttich nach Belgien, und erreicht bei Bonn den 51sten 
Grad. 
Sie bleibt nun an den Ufern deS Rheines bis bei Mainz, 
wo sie in das Mainthal übergeht, von da nach Thüringen 
sich ziehend, berührt sie bei Meißen die Elbe, dann sich durch 
! die Lausitz über Guben bis nach Grünberg ziehend, wo sie mit 
dem 52sten Grad ihre höchste nördliche Beite auf der ganzen Erde 
■ erreicht Von da fällt die Linie rasch nach Süden, Böhmen ein- 
schließend. Ueberhaupt läuft die Grenzlinie nicht mit ein^r bestimm- 
ten Isotherme zusammen, so daß nicht atk Gegenden von einem 
gewissen Jahresmittel der Warme des Weinbaues fähig sind. Der
	        

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