Volltext: Liechtensteinische Wochenzeitung (1874)

bedeutendsten parlamentarischen Vorgängen der letzten Jahre 
Der Rede, mit der Moltke die Borlage vertheidigte wird all- 
seitig die größte Wichtigkeit beigelegt. 
Oesterreich. Der Kaiser von Oesterreich ist von seiner 
Reise nach Rußland wieder zurückgekehrt. 
Frankreich. Die Frau Marschall!» Mac Mahon ver- 
sammelte am 18. d. im Palais Etysve zu Paris die Redakteure 
der hervorragendsten Journale behufs der Veranstaltung von 
öffentlichen Subskriptionen zu Errichtung von Volksküchen, um 
der Roth der Arbeiterbevölkerung von Paris zu steuern. Die 
Redakteure sagten ihre Mitwirkung zu und werden sofort die 
Subskription anregen. 
Die neuen Steuern in Frankreich eröffnen den chemischen 
Erfindungen ein ungeheuer weites Feld. Schon macht man 
Butter ohne Milch, Lichter ohne Talg, Wein ohne Trauben, 
Chokolade ohne Cacao u. s. w. „Wir sind auf gutem Wege," 
sagt der „National", „wenn es so fortgeht, werden wir Alles 
im Ueberflusse und im Grunde eigentlich gar nichts haben. 
Manche Leute heißen dieS Fortschritt; ja wodl, daS ist der 
Fortschritt ver Fälschungen, uns wäre der andere lieber." 
England. Die erwartete Ministerveränderung hat sich 
nach offiziellen Meldungen vollzogen. Disraeli ist an die Stelle 
Gladstone's getreten. 
Volkswirthschaftliches. 
Die Traubenkrankheit. 
Im Jahre 1845 kam in England zu Morgate in einem 
GlaShäuse, welches zur Treiberei von Trauben diente, ein Pilz 
auS, welcher bald durch ein zerbrochenes Fensterglas <nttprun- 
gen, wie erzahlt wird, seine verheerende Reise über Europa 
und die benachbarten Welnheile begann. Er bildet einen fei 
nen mehlartigen Ueberzug über die unreife Beere, zerstört 
deren Bau durch seine Elnfenkungen, und diese kann nicht 
mehr wachsen, sondern muß bei dauerndem Saftzufluß aus 
Mangel an Ausdehnbarkeit platzen, vertrocknen und vollständig 
zu Grunde gehen. Er kriecht auf der Beere weiter über den 
Stiel zur Rebe und zum Blatt und überspinnt den ganzen 
Stock mit einem weißen Gespinnfte, wovon nur die holzigen 
Theile deS Stockes ausgenommen bleiben. Für Manchen un- 
serer Leser mag eS von Interesse sein und zum richtigeren Ver- 
ftändniß der genannten krankhaften Erscheinungen dienen, wenn 
Wir uns etwas näher mit Per Natur der Pilze überhaupt und 
dann speziell mit dem Wesen des TraubenpilzeS befassen. 
Die Pilze sind Pflanzen, welche bloS auS Zellen besteben 
ohne eine Spur von Gefäßbildung, sowie auch ganz ohne 
Blätter und Blattgrün. Sie ernähren sich von den Zersetz- 
ungSprodukten anderer Körper sowohl deS Pflanzen- als Thier- 
reiche, sie sind daher mcht allein die fast nie fehlenden Be 
gleiter verwesender pflanzlicher oder thierischer Stoffe, sondern 
treten auch häufig an lebenden Pflanzen- und Thierkörpern 
auf. Indem sie überhand nehmen, beschleunigen sie eineStheilS 
die Zersetzung der befallenen Stoffe, anderntheilS führen sie 
bei lebenden Pflanzen oder Thierkörpern Krankheiten herbei, 
oder fördern dieselben in verderblichster Weife. Man kennt 
gegen 8000 Arten von Pilzen. AlS die bemerkenswertheften 
heben wir hervor : 
DieHutfchwämme (Lärchenschwamm, Feuerschwamm ic.), 
^ die Staubpilze (der fchwqrze Flugbrand und rothe 
Rostbrand am Getreide. Kommt bei uns öfters vor ), 
» 
die Schimmelpilze. Dahin gehören: der Vrodschimmel 
(auf Brod und Käse u. s. w., eine Plage in den Haushalt- 
ungen), der Kartoffelpilz in der s g. KartoffelkrMheit, endlich 
der Trauben schimmel als s. g. Trau bentrank- 
heit. Betrachten wir eine von diesem Schimmel befallene 
Traubenbeere unter dem Vergrößerungsglase, so sehen wir auS 
den Poren deS Beerenbalges eine Unzahl äußerst seiner Fäd- 
chen (ähnlich wie beim Brodschimmel) bervorsproffen, welche 
wieder kleine Körner (d. s. g. Sporen oder Fruchtkörner) tra- 
gen. 'Diese Körner stellen die Frucht des PilzeS dar, welche 
im reisen Zustande platzt und einen unendlich feinen Staub 
liefert, welcher vom Winde in nahe oder weite Entfernungen 
fortgetragen einen neuen AnsteckungSherd bilden kann. 
Wie schon oben bemerkt, befällt die Krankheit zuerst die 
unreife noch schwach entwickelte Traube, zerstört diese und geht 
dann auf Stengel und Blätter deS RebstockeS fibeT. Sind 
dagegen die Trauben schon in der Reife begriffen, so nimmt 
die Gefahr für sie ab und bleibt nur mehr für Blätter und 
grüne Ruthen. Diesem letztern Umstände oder dem verspäte- 
ten Eintreffen der Krankheit haben wir eS zu danken, daß die 
wenigen Trauben, die uns der letzte Jahrgang gebracht hat, 
noch halfen blieben. 
Beim ersten Auftreten der Traubenkrankheit in Europa 
ergriff die davon betroffene Bevölkerung stumme Verzweiflung. 
Die Beschreibung, welche Herr von Comini, Gutsbesitzer bei 
Bozen, davon gab, ist wahrhaft erschütternd. Ein Jahr um 
daS andere ging die ganze Ernte verloren , die Familien ver- 
armten, Auswanderung, Pfändung und Armuth folgten. 
Die Versuche, dem Uebel entgegenzutreten, kamen langsam, 
erst, als die Krankheit in Italien, Frankreich und in Deutsch- 
land (am Rhein) verheerend auftrat, wurde daS Wesen der- 
selben und die Mittel der Verhütung eingehender erforscht. 
Alle Experimente vereinigten sich dahin, daß aufgestreutes 
Schwefeipulver den KrankheitSstoff am besten zerstöre. 
An dieser Stelle erlauben wir unS, einen Bericht deS fr. 
RhätierS über eine Verhandlung deS Kulturvereit.S „Unter- 
landquart" (abgehalten den 15. Februar d. I.) mitzutheilen, 
welcher die im Bezirke Unterlandquart drohende Traubenkrank- 
heit erörtert. Der genannte Kulturverein hatte zu seinen Ver- 
Handlungen den Herrn Obstbaulehrer Krafft beigezogen. Herr 
Krafft, so heißt eS wörtlich in dem Bericht, bat in MalanS 
an verschiedenen Reben die Spuren der Krankheit beobachtet. 
£ie besteht aus einem Schmarotzer-Pilze, der sich uns jetzt im 
Winter an den letztjährigen Schossen der Rebe in rothen Flek- 
ken zeigt und im Sommer Laub und Früchte mit einem grauen 
Schimmel bedeckt Es ist die nämliche Krankheit, di? in Jta- 
llen und in Frankreich so verheerend aufgetreten ist. Je nach 
der Witterung im Frühjahr kann dieselbe auch bei unS große 
Verbreitung erhalten und bedeutenden Schaden verursachen; 
deßwegen sei Vorsicht nothwendig und anempfehle er sehr die 
Anwendung deS bekannten VorbeugungSmittelS. Die Erfahr- 
ung habe gezeigt, daß durch die Schweflung der Reben die 
Krankheit unterdrückt werde. Diese sei jährlich 2—3 Iii zu 
wiederholen. DaS erste Mal habe sie stattzufinden, sobald die 
Knospen fingerlange Schosse getrieben haben, daS zweite Mal, 
sobald die Trauben verblüht haben. ES bedürfe für die Ju- 
chart (8 Mannschnitz oder 800 Klft.) 5 Pfund Schwefel, der 
im Großen angekauft auf 35 Rp. per Pfund zu stehen komme. 
Man bediene sich zur Schwefelung am besten einer Maschine, 
die einer Flasche mit durchlöchertem Boden ähnlich sehe. Die 
Arbeit sei leicht. Ein Mann könne in einem Tag ohne Mühe 
eine Juchart bewältigen. Bei Thau und in der großen Mit» 
tagshitze dürfe nicht geschwefelt werden. 
Ein anderer Gewährsmann, welcher die Traubenkrankheit 
und ihre Gegenmittel in trefflicher Weise behandelt, ist m 
Friedrich Mohr, Gutsbesitzer zu Metternich bei HpWnz. D 
feinem Werke (der Wemstock und der Wein) Irfeti wir öS?* 
die Methode, wie man der Traubenkrankiheit »mit Erfolg ent- 
gegentreten kann. Folgendes:
	        

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